Direkt zum Inhalt
Abschiebung in den Irak

Abschiebung in den Irak Erneut scharfe Kritik des LSVD+ am Bundesamt für Migration und Flüchtlinge

ms - 09.09.2024 - 12:00 Uhr
Loading audio player...

Die geplante Abschiebung eines schwulen Irakers beschäftigt weiterhin den Verband Queere Vielfalt (LSVD+), der Iraker Ali A. sitzt seit Monaten in Abschiebehaft, ein erster Abschiebeversuch Ende Juli scheiterte nur an der Wehrhaftigkeit des jungen Mannes. 

Stellt sich das BAMF stur? 

Der LSVD+ sprach im Sommer bereits von einem „unfassbaren Skandal“, weil die Anhörung des Irakers im Eilverfahren erfolgt und die Aussage seines Freundes Adam nicht berücksichtigt worden wäre. „Die Außenstelle des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF) in Zirndorf griff hierzu zu allen erdenklichen Mitteln: Bescheide wurden zurückgehalten und Anhörungsdaten nicht weitergegeben, um die Möglichkeit der Rechtsmittel zu umgehen. Offensichtliche Fehler bei der Anhörung und in dem Bescheid werden seither ignoriert“, betont der LSVD+ weiter. 

Der Umgang habe sich seit damals nicht geändert, auch wenn Alis Partner im August zu einer ergänzenden Anhörung geladen worden sei. Das BAMF hatte erklärt, daraufhin eine Neubewertung der Sachlage durchführen zu wollen. „Bis heute ist dies – trotz mehrfacher Nachfragen – nicht passiert. Akten werden der Anwältin nicht übermittelt und Anfragen ignoriert.

Neubewertung des Falles?

„Eine Ablehnung von Alis Asylgesuch scheint auf Grundlage von Adams Interview unmöglich, da dann die beiden Entscheidungen in logischen Widerspruch zueinander stünden. Stattdessen wird Alis Verfahren verschleppt und die eigenen Ankündigungen werden nicht eingehalten“, so Patrick Dörr aus dem Bundesvorstand. 

Und Tobias Wöhner von Verein Imedana in Nürnberg betont: „Das BAMF sitzt das Verfahren aus und hofft anscheinend, dass sich das Thema durch die Abschiebung erledigt. Bei einer Anerkennung von Adam müssten sie nämlich zugeben, dass sie – was eigentlich offensichtlich ist – von Anfang an bei Ali falsch entschieden haben. Wenn die Verteidigung des eigenen Ansehens schwerer wiegt als das Leben eines schwulen Mannes, sagt dies leider viel über die Zustände im Bundesamt für Migration und Flüchtlinge aus.“ Ali wurde offenbar in der Abschiebehaft in Eichstätt auch wiederholt Opfer homofeindlicher Gewalt. Aus Sicherheitsgründen verlegten ihn die bayerischen Behörden deswegen nach Hof. 

Droht dem Iraker der Tod in der Heimat?

Besonders heikel laut dem LSVD+ ist außerdem: Der jetzt geplante Abschiebeflug ist ein Sammelflug, Ali A. würde mit jenen Personen abgeschoben werden, die ihn bereits in Deutschland wegen seiner Homosexualität mit dem Tode bedroht haben. „Eine Abschiebung in den Irak unter diesen Umständen ist eine direkte Abschiebung ins Gefängnis, vielleicht sogar in den Tod. Es ist nahezu sicher, dass die irakischen Behörden sofort von Alis Homosexualität erfahren werden. Wenn das BAMF nicht zur Vernunft kommt, ist das Bundesinnenministerium gefragt: Es muss hier intervenieren“, so Dörr. 

Und Wöhner weiter: „Wenn das BAMF an diesem Irrsinn festhält, müssen die bayrischen Behörden die Abschiebung stoppen. Die homofeindliche Gewalt und die Tatsache, dass er auf dem Flug geoutet ist, sind den Behörden bekannt. Die Todesstrafe ist in Deutschland abgeschafft und das gilt auch für queere Geflüchtete, daran müssen sich auch BAMF und Landesbehörden halten.“

Der Irak geht inzwischen mit größtmöglicher Radikalität gegen Homosexuelle vor. Zuerst verabschiedete das irakische Parlament ein neues Anti-Homosexuellen-Gesetz, das „Werbung für Homosexualität“ sowie homosexuelle Handlungen mit bis zu 15 Jahren Haft bestraft. Kurz darauf wurden die digitalen Kommunikationswege von Schwulen und Lesben beschnitten. Immer wieder wird auch über Hetzjagden und Lynchjustiz berichtet.

Anzeige
ANZEIGE
ANZEIGE
ANZEIGE
ANZEIGE
ANZEIGE
ANZEIGE
ANZEIGE
ANZEIGE

Auch Interessant

Opfer mit Böller angegriffen

Verdächtige 16 und 18 Jahre alt

Vor zwei Monaten kam es im Hamburger Stadtpark zu einem schwulenfeindlichen Angriff. Zwei Brüder wurden nun als Hauptverdächtige festgenommen.
Bilanz ESC 2025

Mehrwert für die Schweiz

Die Schweiz zieht ein positives Fazit über den ESC 2025 in Basel: Die Kassen klingelten und das Image hat sich deutlich verbessert.
Schwules Paar überfahren

Homophober Angriff in London

Mordprozess in London: Am Weihnachtsabend 2024 raste ein 30-Jähriger in eine Menschenmenge, darunter ein schwules Paar. Ein Mann starb dabei.
Lügen vor Millionenpublikum

Anti-LGBTIQ+-Rhetorik von rechts

In der „Tucker Carlson Show“ mit dem rechten Aktivisten Milo Yiannopoulos entlud sich wieder einmal eine Welle LGBTIQ+-feindlicher Rhetorik.
Lynchversuch an Universität

Student in Uganda angegriffen

Eine Gruppe homophober Studenten versuchte an der größten Universität in Uganda einen Kommilitonen zu ermorden. Jetzt hat der Fall erste Konsequenzen.
Neue Vorwürfe in England

Homophobie unter Polizisten

Erneut steht die britische Polizei in der Kritik: Verschleppte sie die Aufklärung von Raubüberfällen auf Schwule aufgrund von Homophobie?
Italiens neue Zensur

Verbotspläne schreiten voran

"Gott, Vaterland und Familie“: Nur Sexualkunde und LGBTIQ+ soll es an vielen Schulen Italiens bald nicht mehr geben, beschlossen die Parlamentarier.
Jugend unter Druck

Psychische Probleme stark vertreten

Viele queere Jugendliche haben Zukunftsängste, neuerdings auch mit Blick auf die Spaltung der Gesellschaft. Details offenbart eine neue Studie.