Italiens neue Zensur Keine Sexualkunde, kein LGBTIQ+ an den meisten Schulen
Das geplante Verbotsgesetz für Sexualkunde und LGBTIQ+ an vielen italienischen Schulen schreitet weiter voran, jetzt hat die italienische Abgeordnetenkammer in erster Lesung den Gesetzentwurf zur sexual-affektiven Bildung verabschiedet. Mit 151 Ja-Stimmen, 113 Gegenstimmen und einer Enthaltung wurde der Weg für die Weiterleitung an den Senat freigemacht – eine endgültige Entscheidung wird für 2026 erwartet.
Umfassende Reformpläne
Der neue Gesetzestext hat dabei drei zentrale Bestimmungen: Ein Verbot jeglicher Aktivitäten und Unterrichtsstunden zu Sexualität in Kindergärten und Grundschulen sowie wahrscheinlich auch an Mittelschulen. Eine verpflichtende schriftliche Zustimmung der Eltern für jede Unterrichtsaktivität zu Sexualität und Affektivität an Mittel- und Oberschulen sowie eine stärkere Kontrolle externer Experten, ausgewählt vom Lehrerkollegium und genehmigt vom Schulrat, inklusive voller Transparenz über verwendete Materialien.
Der Entwurf steht für einen deutlich reaktionären Kurs: Unter dem Etikett der „pädagogischen Freiheit“ könnte so ein System entstehen, das in der Praxis den Zugang zu sexualpädagogischen Angeboten massiv erschwert, befürchten die Kritiker. Nicht nur in der frühen Bildung, sondern auch in den höheren Klassen wird sexuelle und affektive Aufklärung damit dann faktisch unzugänglich gemacht – durch hohen bürokratischen Aufwand, Pflicht zum Einverständnis, Alternativprogramme ohne Ressourcen und ein Klima der Verunsicherung. Schulen, die ohnehin belastet sind, bleiben damit allein, während jedes Projekt zum potenziellen Konflikt wird.
Politik gegen den Willen der Gesellschaft
Dabei zeigt eine aktuelle Befragung unter 15.000 jungen Italienern ein völlig anderes Bild: Laut dem Observatorium „Jugend und Sexualität“ wünschen sich 9 von 10 Jugendlichen eine sexual-affektive Bildung in der Schule – und 80 Prozent der Eltern unterstützen dies. Damit ist ein umfassender, ganzheitlicher Ansatz der Sexualpädagogik gemeint, der neben der reinen Wissensvermittlung über Biologie und Fortpflanzung auch die emotionalen, sozialen und ethischen Aspekte von Sexualität, Beziehungen und Geschlechtervielfalt einbezieht – und damit auch LGBTIQ+-Themen.
Der Soziologe Massimo Prearo, einer der führenden italienischen Forscher im Bereich LGBTIQ+-Politik, ordnet das Gesetz so ein: „Ein klarer Fall dessen, was die Literatur De-Demokratisierung nennt mit dem präzisen Ziel, Schutzmechanismen und Beteiligung zu schwächen. Deren Ziel es ist, Gruppen auszuschließen, die als gefährlich und unerwünscht gelten und damit letztendlich auch die Demokratie selbst.“ Ähnlich bewertet das Elly Schlein von der Demokratischen Partei PD: „Was die Rechte heute beschlossen hat, ist sehr gravierend, ein Schritt zurück, weil es sexuelle und affektive Bildung verhindert.“ Dieses Schweigen bringe dann weitere Probleme mit sich: „Die Vergewaltigungskultur ist bereits in den Schulen angekommen. Und stattdessen müsste genau dort Bildung zu Affektivität und Sexualität beginnen.“
Freude bei Rechtspopulisten
Erfreut über den geplanten Gesetzentwurf sind nur stark konservative und rechtspopulistische Gruppen und Parteien, allen voran auch die Regierung Meloni. Hier wird von einem besonderen „Erziehungsprimat“ gesprochen mit Blick auf „Gott, Vaterland und Familie“. Die Lega bezeichnet die Maßnahme als „Abwehr der Gender-Ideologie“, Fratelli d’Italia als „Instrument der Freiheit“ und Forza Italia als „Stärkung der Allianz zwischen Schule und Familie“. Christliche Pro-Life-Verbände jubeln ebenso und nennen den Tag „historisch“.