Homosexuelle im Irak Knickt die Bundesregierung nach Druck von rechts beim Bundesaufnahmeprogramm ein?
Ende Juli sorgte ein Abschiebefall eines schwulen Irakers in Deutschland für Schlagzeilen. Der Lesben- und Schwulenverband (LSVD) sowie die Vereine Imedana und IraQueer sprachen von einem „unfassbaren Skandal“, weil der junge Iraker im Hauruck-Verfahren angehört worden sein soll und danach die Abschiebung offenbar vorschnell beschlossen wurde – man glaubte dem Mann nicht, dass er schwul sei. Sein Partner wurde erst gar nicht befragt.
Dies sei, so die drei Vereine, eine „Aushöhlung des Rechtsstaates“ und zeige, wie das neue Rückführungsverbesserungsgesetz von Seiten des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) missbraucht werde. SCHWULISSIMO fragte konkret nach bei Jörg Hutter aus dem Bundesvorstand des LSVD, wie es dem jungen Iraker aktuell geht – und wie sich die Lage vor Ort für schwule Männer derzeit abzeichnet.
Sie kritisieren scharf das BAMF und damit auch die Ampel-Regierung selbst. Was läuft hier aktuell aus Ihrer Sicht schief?
Die Ampel-Regierung hat zu Beginn ihrer Legislaturperiode wichtige positive Entscheidungen im Bereich der Einwanderungspolitik durchgesetzt, wie etwa die Einführung einer besonderen Asylverfahrensberatung oder die Abschaffung des Diskretionsgebotes. Mittlerweile aber, so ist der Eindruck entstanden, beugt sie sich dem zunehmenden Druck von rechts beim Thema Migration und gibt eine als sicher geglaubte menschenrechtliche Errungenschaft nach der anderen auf. Derzeit soll das Abschieben von Menschen, die hier Schutz vor Verfolgung suchen, vereinfacht werden. Denn: Die hiervon Betroffenen haben es immer schwerer, sich gegen ungerechtfertigte „Rückführungen“ in ihre Heimatländer rechtlich zu wehren. Für LSBTIQ-Personen sind diese Maßnahmen besonders gefährlich. Sie werden wohl in Zukunft oftmals tragisch enden, weil diese Abschiebungen in ihre ehemalige Heimat sie oftmals unmittelbar einer erheblichen und unausweichlichen Lebensgefahr aussetzen. Hintergrund dieser Entwicklung ist die auf EU-Ebene beschlossene Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS), die festlegt, wie die an den EU-Außengrenzen ankommenden Geflüchteten registriert und ihr möglicher Anspruch auf einen Schutzstatus geprüft werden sollen. Dadurch werden rechtsstaatliche Grundsätze aufgegeben, weil Anhörungen mit anwaltlicher Vertretung und Rechtsschutz nicht mehr garantiert sind. Das kritisiert der LSVD scharf. Das im Januar 2024 beschlossene Gesetz zur Rückführung von Geflüchteten (Rückführungsverbesserungsgesetz) reiht sich in diese restriktive Handhabung von Asylverfahren ein. Die Entwicklungen der letzten Wochen haben unsere Befürchtungen leider bestätigt. Die besonders hohe Vulnerabilität von LSBTIQ-Personen findet hier keine Berücksichtigung. So ist ein schwuler Iraker nur knapp einer Abschiebung entkommen. Abschiebungshaft ist grundsätzlich unabhängig von gestellten Asylverfahren immer möglich und Abschiebungen müssen nicht mehr angekündigt werden. Unter diesen Bedingungen lassen sich Rechtsmittel von Behördenseite leicht aushebeln. Es steht außer Frage, dass die immer restriktiveren Regelungen LSBTIQ-Personen besonders hart treffen werden, denn auch ihre besonderen Schutzbedarfe lassen sich leichter ignorieren. Dies liegt daran, dass die Betroffenenverbände nicht wirklich an den Reformen beteiligt waren und dass es kein Monitoring der Verfahren gibt. Somit liegt es einzig in der Hand der jeweiligen Entscheider*innen, ob abgeschoben wird oder nicht. In diesem Fall hat sich der schwule Mann aus dem Irak dann am Flughafen mit Händen und Füßen gewehrt, in das Flugzeug verfrachtet zu werden und war nach einer gewaltsamen Auseinandersetzung mit der Polizei nicht mehr transportfähig. Seine Abschiebung hat er somit in letzter Minute erst einmal selbst abwenden können.
Wie sieht die Lage für schwule Männer aktuell im Irak aus?
In vielen Fällen sind nach dem Rückzug der USA beziehungsweise anderer NATO-Mitglieder religiöse Extremisten in den entsprechenden Ländern an die Macht gekommen. Sie hatten ein leichtes Spiel, in einer instabilen und unübersichtlichen Gemengelage ihre Vision von gleichgeschalteter Zwangsherrschaft durchzusetzen. Denn es existierte kein Konzept dafür, wie in diesen Gesellschaften ein politisch stabiles demokratisches System hätte etabliert werden können. Dabei hätte klar sein müssen, dass die Garantie von Menschenrechten die Richtschnur hätte sein müssen, um eine Demokratie zu etablieren. Stattdessen aber haben es insbesondere die Frauen und die LSBTIQ-Communitys mit aller Härte zu spüren bekommen, dass eine religiös faschistisch geprägte Gewaltherrschaft als allererstes ihre Leben gekostet hat.
Im Dokumentarfilm „Out of Iraq“ aus dem Jahr 2016 wird die Liebesgeschichte von zwei irakischen Männern, Nayyef und Btoo, beschrieben, die sich in der US-Army kennenlernten und es schlussendlich schafften, nach Nordamerika zu flüchten. Die Lage hat sich seitdem weiter radikalisiert, oder?
Der Film beschreibt die religiös geprägte Gewalt im Irak sehr treffend: Den Erfolg des islamistischen Geistlichen Muqtada al-Sadr nach dem Sturz von Saddam Hussein und die Mordaktionen seiner Mahdi Miliz sowie die Hinrichtungen durch ISIS (Islamischer Staat). Gemordet werden alle, die nicht in das religiöse Weltbild passen: Menschen, die westliche Musik hören, sich westlich kleiden und alle LSBTIQ-Personen. Mehrfach gezeigt werden Szenen, bei denen schwule oder bisexuelle Männer von Hochhäusern gestürzt werden, bei denen sie geköpft oder gesteinigt werden. Nayyef und Btoo beschreiben in diesem Film, wie sich die Situation für die LSBTIQ-Personen im Irak von Jahr zu Jahr verschlechtert, Regisseur Michael Failla erklärt, dass eine Unzahl von LSBTIQ-Personen Opfer von Lynchjustiz werden. Meist sind es die eigenen Eltern und andere Familienmitglieder, die ihre Kinder auf der Straße stoppen und vor den Augen der Passanten erschlagen, erstechen oder anders töten, weil sie queer sind. Btoo beschreibt die heutige Situation in einem Chat vom August dieses Jahres so: „Im Irak ist das Leben als LGBTIQ Person lebensgefährlich. Jeder versucht derzeit, sich zu tarnen und versteckt zu leben. Es existieren zu viele Milizen im Irak. Die eigene Familie tötet ihre eigenen Kinder zu 100 %, wenn sie diese als LSBTIQ-Personen enttarnt haben. Sie betrachten das als eine Schande für die Familie und ihre Verwandten. Und die Milizen töten jeden, der schwul ist. Die Regierung hat vor einigen Monaten ein Gesetz erlassen, das eine Haftstrafe von 15 Jahren* vorsieht, wenn man eine gleichgeschlechtliche Beziehung lebt oder gelebt hat. Nach dieser Gesetzesänderung ist ein Überleben so gut wie nicht mehr möglich.“ Die Abschiebung von LSBTIQ-Personen in den Irak kommt damit einem Todesurteil gleich.
Ich denke, die wenigsten Menschen in Deutschland würden befürworten, homosexuelle Menschen aus Regionen zu retten, wo ihnen der sichere Tod droht. Aber die politische Entwicklung der letzten Monate zeigt auch, dass offenbar immer mehr Deutsche ein Problem mit einem Übermaß an Migration haben, auch homosexuelle Menschen äußern beispielsweise Befürchtungen bezüglich eines Gewaltanstiegs, der zumindest zu einem Teil mit Blick auf die aktuelle Kriminalstatistik von jungen männlichen Migranten ausgeht. Wie lässt sich diese Situation vielleicht lösen?
Mit dem Thema Migration sei heute parteipolitisch kein Blumentopf mehr zugewinnen, meinte neulich ein Politiker der Linken zu mir. Über das Bundesaufnahmeprogramm der Ampel wollen selbst wohlgesonnene Politiker der Ampel kaum noch sprechen, weil es eher unangenehm ist, für dieses Programm zu werben. Das könne noch mehr Wählerstimmen kosten. Ähnliche Äußerungen ließen sich wohl mühelos weiter aufzählen. Sie alle machen deutlich, dass beim Thema Migration mittlerweile ein gewisses Unwohlsein mitschwingt, als ob der Einwanderung generell und immer etwas Problematisches anhaftet. Niemals aber etwas Vorteilhaftes, etwas, dass auch unserer Gesellschaft und unseren privaten Beziehungen von Nutzen sein könnte. Dabei will ich nicht bestreiten, dass Deutschland nicht die halbe Menschheit bei sich einwandern lassen kann und dass Migration auch eine Menge Arbeit und Probleme verursacht. Einwanderung verursacht zuerst einmal Kosten, die beglichen werden müssen und Einwanderung bringt auch Probleme mit sich, wenn die Eingliederung und Integration der ankommenden Menschen nicht gelingt. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn potentielle Gewalttäter mit einreisen, die hier Attentate begehen und Menschen verletzen oder gar ermorden. Der Sicherheitsaspekt ist hier ein wesentlicher und ich weiß es zu schätzen, wenn Sicherheitsbehörden gut arbeiten und Gewalttäter rechtzeitig erkennen oder besser noch, wenn sie diese gleich an einer Einreise hindern. Denn im Ernstfall zählen gerade LSBTIQ-Personen mit zu den ersten Gewalt-Opfern in Deutschland. Die entscheidende Frage kann meiner Meinung nach allerdings nicht sein, ob wir Migration insgesamt öffnen oder völlig verhindern sollten, sondern es ist die Frage nach dem „Wie“. Wie können wir die Migration nach Deutschland steuern und gestalten, von der Menge her genauso wie von den Menschen, die wir aufnehmen wollen, etwa, weil sie besonders qualifiziert oder besonders gefährdet sind. Und hierbei versucht Deutschland derzeit einen neuen Ansatz, der es wert ist, genauer beleuchtet zu werden. Ich spreche hier von dem Bundesaufnahmeprogramm für Afghanistan, das in seiner Konzeption durchaus gut durchdacht ist. Zum ersten handelt es sich hier nicht um das Gewähren von Asyl. Asyl greift ja erst dann, wenn die Menschen an unsere Tür klopfen und einreisen wollen. Über Aufnahmen wird hingegen nicht an unserer Grenze oder im Inland entschieden, sondern die Betreffenden leben noch in ihren Heimatländern oder in sogenannten Drittstaaten, in welche die Menschen bereits geflohen sind. Dieses Vorgehen eröffnet ganz andere Möglichkeiten, denn jetzt können zuerst einmal die Kriterien festgelegt werden, die über eine Aufnahme entscheiden sollen, etwa homosexuelle/queere Menschen oder Frauen aus Ländern, in denen ihnen Haft, Folter und/oder die Todesstrafe drohen, so wie für Afghanistan geschehen. Zudem lassen sich Aufnahmezahlen vorab festlegen nach den Kriterien, die das Empfängerland vorgibt: etwa anhand der vorhandenen Kapazitäten in den Kommunen, die am Ende die Erstversorgung sicherstellen müssen. Beim Bundesaufnahmeprogramm von Afghanistan ist eine Aufnahme von monatlich 1.000 Personen anvisiert. Zum anderen findet die Versorgung und Erstbetreuung im Falle von Afghanistan in seinem Nachbarland Pakistan statt. Dort kann die Prüfung und Visavergabe stattfinden, alles das, was bei einem Asylverfahren innerhalb Deutschlands angesiedelt ist. Und drittens können Nichtregierungsorganisationen mit ihrem fachlichen Wissen leichter eingebunden werden, weil sie eine Vorauswahl nach den vorab festgelegten Kriterien treffen können. Hiermit lässt sich eine neue Qualitätsstufe einbauen. Der LSVD hat hierbei als eingabeberechtigte Stelle zusammen mit afghanischen LSBTIQ-Aktivisten*innen das beste Fachwissen gebündelt, um festzustellen, ob diejenigen, die behaupten lesbisch, schwul oder eine trans* Person zu sein, es auch tatsächlich sind. Und schließlich viertens können Sicherheitsüberprüfungen vor der Einreise durchgeführt werden. Wenn die Überprüfungen funktionieren, dann können sie potenzielle Gewalttäter vor der Einreise identifizieren und Gewalttaten verhindern helfen. Natürlich ist mir klar, dass auch dieses Instrument seine Grenzen hat. Bei riesigen Naturkatastrophen oder Krieg und Verwüstung wird auch ein Aufnahmeverfahren überfordert sein. Allerdings ließen sich durch Aufnahmeverfahren in mehreren Ländern die Migrationsströme etwas steuern und den Außendruck an den Grenzen von Europa etwas mindern. Zumal dann auch immer auf diese legalen Möglichkeiten der Einwanderung verwiesen werden kann. Wichtig ist insgesamt gesehen aber der folgende Aspekt: Migration löst auch Probleme. Etwa die Überalterung unserer Gesellschaft. Denn schließlich zahlen eingewanderte, überwiegend junge Menschen, wenn sie denn fest in die Gesellschaft integriert sind, in unsere Sozialsysteme ein. Und sie bringen Know-how mit: Sachverstand, Fähigkeiten und Kompetenzen, die uns wettbewerbsfähiger machen, beispielsweise bei den Sprachen. Multi-linguistisch gebildete Menschen bereichern jedes Arbeitsteam. Sie erschließen in Unternehmen neue Arbeitsfelder und erweitern Lieferanten- und Kundenkreise. Und schließlich bereichern eingewanderte Menschen unseren Alltag und unsere Kultur.
Seit über einem Jahr hat Bundesaußenministerin Annalena Baerbock eine Visa-Affäre am Hals, ihre Beamten sollen dafür gesorgt haben, dass zehntausende Menschen aus Afghanistan und Syrien mit gefälschten Papiern nach Deutschland einreisen konnten, obwohl sie gewusst haben sollen, dass die Personalien falsch sind. Zuletzt hat die Debatte jetzt im Sommer weiter an Fahrt aufgenommen. Kann das mögliche Verhalten des Auswärtigen Amtes auch ein Problem für LGBTI*-Menschen werden?
Die rechten Medien haben sich wohl derzeit auf das Bundesaufnahmeprogramm eingeschossen. Mit vollen Rohren zielen sie auf das vermeintlich schwächste Glied, das Auswärtige Amt und seine Chefin, Außenministerin Annalena Baerbock, so der Focus und erneut Cicero. Sie sehen schwerwiegende Sicherheitslücken und zitieren erneut die sogenannten „Scharia-Richter“, die von Deutschland aufgenommen worden seien, obwohl die Regierung nach Überprüfung der Vorwürfe durch Staatsanwaltschaft und Sicherheitsbehörden bereits am im April 2023 Entwarnung geben konnte. Bei den über das "Überbrückungsprogramm" registrierten „Scharia-Richter“ habe es sich um keine Gefährder gehandelt. Trotzdem wiederholen Focus und Cicero die Vorwürfe im Sommer 2024 erneut, auch wenn es keine Anklagen und Verurteilungen gegeben hat. Irgendetwas wird schon hängen bleiben bei den Menschen, auch dann, wenn keine Gefährder nach Deutschland einreisen konnten. Hinzu kommen Vorwürfe, es seien in großem Stil Menschen ohne oder mit falschen Pässen eingereist. Hierbei gerieren sich die Redakteure von Cicero und Focus als staatliche Ermittler und urteilen, als ob es sich um bereits bestätigte Ermittlungsergebnisse handelt. Wir sollten aber erst einmal abwarten, zu welchen Ergebnissen hier die zuständigen Ermittler und Staatsanwaltschaften selbst kommen. Auffällig ist jedoch, dass die Beschreibungen ungenau und nicht präzise sind, denn alles firmiert hier unter dem Schlagwort „Bundesaufnahmeprogramm“. Dabei handelt es sich seit Sommer 2021 um vier verschiedene Programme: Neben dem Ortskräfteprogramm gibt es die sogenannte Menschenrechtsliste aus 2021/2022, danach das sogenannte Überbrückungsprogramm 2022 und erst seit Dezember 2022 existiert das Bundesaufnahmeprogramm, von dem Ortskräfte explizit ausgeschlossen sind. Daher ist die Aussage „34.000 Flüchtlinge aus dem Bundesaufnahmeprogramm besaßen keine oder nur primitiv gefälschte Dokumente“ (Fokus 2024) falsch, denn es gab bis Sommer 2024 nur insgesamt 540 Einreisen nach dem Bundesaufnahmeprogramm. Falsch ist dann auch die Aussage, dass das deutsche Aufnahmeprogramm durch islamische Ortskräfte unterwandert sei, wie der Bundesnachrichtendienst festgestellt haben soll (Fokus 2024). Denn durch das Bundesaufnahmeprogramm ist keine einzige Ortskraft aufgenommen worden. Dann heißt es weiter, der liberale Einreisemodus sei im März 2023 ausgesetzt worden, um zusätzliche Sicherheitsinterviews durchzuführen. Auch diese Aussage ist falsch, weil es bis zu diesem Zeitpunkt noch keine einzige Ausreise nach dem Bundesaufnahmeprogramm gegeben hat. Die ersten Ausreisen nach dem Bundesaufnahmeprogramm konnten erst am 26.09.2023 mit zwei Linienflügen nach München und Bremen realisiert werden. Und falsch ist auch die immer wieder vorgetragene Behauptung, die Nichtregierungsorganisationen (NGOs) entschieden hier über die Aufnahmen. Die NGOs schlagen hingegen Personen nur vor, die Aufnahmeentscheidungen liegen dagegen in der hoheitlichen Kompetenz des Innenministeriums. Mir scheint, dass das Bundesaufnahmeprogramm der rechten Presse von Anfang an ein Dorn im Auge war. Sie hat es von Beginn an attackiert, ihre Agitation war – so muss man leider feststellen – ziemlich erfolgreich. Drei Monate nach dem Start setzte die Regierung das Programm wegen Sicherheitsbedenken aus, obwohl die mit dem Aufnahmeprogramm gar nicht in Zusammenhang standen, sondern das Überbrückungsprogramm betrafen.
Die Ampel-Regierung hat im Juli erklärt, kein weiteres Geld mehr für das Bundesaufnahmeprogramm ab 2025 zur Verfügung zu stellen – laut Koalitionsvereinbarung und Regierungserklärung sollte dies eigentlich bis Ende 2025 laufen. Ihre Einschätzung dazu?
Das ist nichts anderes als eine Kapitulationserklärung vor der rechten Propaganda! Diese Propaganda hat die Bundesregierung tatsächlich beeindruckt und zu einem Kurswechsel in der Migrationspolitik veranlasst. Der politische Diskurs auch in den demokratischen Parteien hat sich stark verschoben. Sie bedeutet im Extremfall, dass wir LSBTIQ-Personen aus Afghanistan in Pakistan zurücklassen müssen, weil das Programm genauso chaotisch beendet wird wie 2021 der Bundeswehreinsatz in Afghanistan. Es wird die Leben dieser Menschen kosten, denn die Taliban werden genau das tun, was sie angekündigt haben: die Betreffenden nach ihrer zwangsweisen Rückkehr internieren und töten, durch Folter, Steinigungen und lebendiges Begraben unter Mauern. Was erwarten denn die Politiker jetzt von ihrem Schachzug? Dass das Thema Migration damit vom Tisch ist? Nach einem so grandiosen Erfolg der rechten Propaganda? Da wird doch nachgelegt werden, mit Sicherheit! Das Bundesaufnahmeprogramm für Afghanistan vorzeitig zu beenden, gleicht einer Steilvorlage für Rechts. Jetzt kann die extreme Rechte das Thema Migration nach ihrem Credo erfolgreich neu besetzen. Die Parolen werden lauten: Aufnahmen nach Deutschland gescheitert, Einwanderung stoppen, Rückführungen und Abschiebungen intensivieren, gesellschaftliche Vielfalt einschränken, staatliche Leistungen nur für (biologisch) Deutsche und so weiter. Wir wollen und können allerdings dagegenhalten! Wir werden die Vorteile der Einwanderung sinnlich erlebbar machen, durch öffentliche Auftritte der befreiten afghanischen LSBTIQ und ihrer Verbündeten, ihrer Allys. Wir wollen für das Thema sensibilisieren, indem wir den Zahlen ein Gesicht und ein Herz geben: zum Erleben. So kann es vielleicht auch in der Politik noch zu einem Umdenken kommen. Die Parolen werden lauten: Frei_heit! A_za_di! Free Afghan LGBT!
Herr Hutter, vielen Dank für das Gespräch!