Skandal beim BAMF? Wird ein schwuler Iraker ohne ausreichende Anhörung und Untersuchung abgeschoben?
Die Vereine Imedana und IraQueer sowie der Lesben- und Schwulenverband Deutschland kritisieren mit scharfen Worten das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) und sprechen von einem „unfassbaren Skandal“. Hintergrund ist die offenbar vorschnelle Abschiebung eines schwulen Flüchtlings in den Irak.
Anhörung im Eilverfahren?
Konkret geht es dabei um Ali A., der aktuell in den Irak abgeschoben wird. Zuvor verbrachte er mehrere Wochen in Abschiebegewahrsam. Seine Rechtsanwältin aus Nürnberg stellte gemeinsam mit Imedana einen Asylfolgeantrag und machte deutlich, dass er wegen der dortigen Verfolgung als schwuler Mann unmöglich in den Irak zurückkehren könne.
Vor eineinhalb Wochen Mitte Juli fand daraufhin eine Anhörung in der Abschiebehafteinrichtung in Eichstätt statt. Nach Auskunft von Imedana sei die Anwältin von Ali A. erst zwei Tage vorher über die Anhörung informiert worden, weder soll es eine ordentliche Ladung gegeben haben, noch wurde offenbar trotz Nachfrage der Rechtsanwältin die Uhrzeit der Anhörung mitgeteilt.
„Unfassbarer Skandal“
Tobias Wöhner vom Verein Imedana erklärt dazu: „Dass das BAMF eine extrem zeitlich begrenzte Anhörung durchführt, den langjährigen Lebenspartner nicht anhört, unseren Input ignoriert und dann zu dem Entschluss kommt, der Antragsteller sei nicht schwul und könne in den Irak abgeschoben werden, ist ein unfassbarer Skandal, wie ich ihn noch nie in meiner beruflichen Laufbahn und hunderten von Asylverfahren erlebt habe.“
Wöhner erschien bei der Anhörung zusammen mit dem langjährigen Beziehungspartner des schwulen Irakers. „Dort angekommen machte die zuständige Entscheiderin sofort klar, dass sie nicht beabsichtigt, den Partner des Antragstellers anzuhören, obgleich es in dem Asylfolgeverfahren ausschließlich um die Glaubwürdigkeit der Homosexualität geht. Die Entscheiderin erklärte, dass die Anhörung unter allen Umständen um 11:30 Uhr inklusive Rückübersetzung erledigt sein müsse. Der Einwand, dass eine derartig begrenzte Anhörung unzulässig sei und dem komplexen Thema der Homosexualität unmöglich gerecht werden könne, wurde ignoriert. Nach 90 Minuten entschied die Entscheiderin, dass die Beziehung eine Lüge sei und die Tatsache, dass er fest in die LGBTIQ*-Community integriert ist, keine Relevanz habe“, so Wöhner weiter.
Aushöhlung des Rechtsstaates?
Es scheine so, dass das BAMF versuche, Tatsachen zu schaffen, NGOs den Zugang zu Anhörungen zu erschweren und eine anwaltliche Vertretung unmöglich zu machen, wie die drei Vereine festhalten. „Dies stellt eine Aushöhlung des Rechtsstaats dar und ist besonders problematisch, wenn sie Geflüchtete trifft, die wie Ali zweifelsfrei einen Anspruch auf Schutz in Deutschland hätten, was auch die gängige Entscheidungspraxis der Gerichte und des BAMFs selbst ist. Dieses Vorgehen zeigt, wie das neue Rückführungsverbesserungsgesetz von Seiten des BAMFs missbraucht wird, um Rechtsmittel auszuhebeln“, betonen die drei Vereine weiter.
Forderung nach Klarstellung
Jörg Hutter aus dem Bundesvorstand des LSVD erklärt hierzu überdies: „Genau vor dieser Situation haben wir gewarnt, als wir uns gegen das neue Rückführungsverbesserungsgesetz ausgesprochen haben. Es muss sichergestellt sein, dass Rechtsmittel zur Verfügung stehen und ein derartiges Vorgehen des BAMFs entschieden zurückgewiesen wird. Hier stehen das BMI und die BAMF-Leitung in der Pflicht. Wir fordern eine umgehende Klarstellung, wie es zu dieser Situation kommen konnte.“
Todesszone Irak
#Der Irak geht verstärkt seit April dieses Jahres mit größtmöglicher Radikalität gegen Homosexuelle vor: Zuerst verabschiedete das irakische Parlament ein neues Anti-Homosexuellen-Gesetz, das „Werbung für Homosexualität“ sowie homosexuelle Handlungen ab sofort mit bis zu 15 Jahren Haft bestraft. Kurz darauf startete die Regierung damit, die letzten Kommunikationswege über Social-Media-Kanäle von Schwulen und Lesben zu attackieren.
Das Leben für Homosexuelle im Land wird unmöglich, bereits jetzt wird immer öfter auch über Hetzjagden und Lynchjustiz berichtet. Die LGBTI*-Organisation Guardians of Equality Movement (GEM) startete in diesen Tagen eine Rettungsaktion, um möglichst viele homosexuelle Menschen zu evakuieren.