Direkt zum Inhalt
Scharfe Kritik an Ataman

Scharfe Kritik an Ataman Atamans Ideen für ein besseres Antidiskriminierungsgesetz seien „verfassungsrechtlich bedenklich“, „gesellschaftlicher Sprengstoff“ und „völlig überzogen“.

ms - 20.07.2023 - 13:00 Uhr
Loading audio player...

Seitdem die Unabhängige Antidiskriminierungsbeauftragte Ferda Ataman in dieser Woche ihre Vorschläge für die Reform des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) veröffentlicht hat, hagelt es scharfe Kritik von mehreren Seiten. Die FDP erkennt darin direkt sogar einen „gesellschaftlichen Sprengstoff“.

Atamans Vorschläge ein „Unding“

Ataman hatte in dem Grundlagenpapier verschiedene Ideen präsentiert, für die größte Empörung sorgte aber wohl der Vorschlag, dass es künftig keinen Nachweis einer Diskriminierung mehr brauche, um als vermeintlicher Täter strafrechtlich belangt zu werden – eine glaubhafte „Wahrscheinlichkeit“ solle genügen. Gegenüber der Bild-Zeitung erklärte der Verfassungsexperte Volker Boehme-Neßler: „Im Rechtsstaat ein Unding. Das ist fast eine Beweislastumkehr. Ich muss nicht mehr die Diskriminierung beweisen, der andere muss beweisen, dass er mich nicht diskriminiert hat. Jetzt reicht eine Behauptung aus, um den anderen ins Unrecht zu setzen.“

Der Reformvorschlag sei „verfassungsrechtlich bedenklich“, so Boehme-Neßler weiter, der zudem bekräftigte: „Er öffnet dem Missbrauch Tür und Tor und senkt die Hemmschwelle für falsche Beschuldigungen und Denunziationen. Es ist dann leicht – und verlockend – eine Behauptung aufzustellen, die man nicht beweisen muss.“

Union hält Atamans Pläne für „absurd“

Noch deutlicher in der Kritik wird der rechtspolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Günter Krings, gegenüber der Bild: „Absurd! In unserer Rechtsordnung muss jeder Kläger seinen Anspruch auch nachweisen und nicht nur glaubhaft machen, um vor Gericht zu gewinnen. Ein ‚Chancen-Gesetz‘ mag nett klingen, führt aber zu einer gigantischen Einschränkung von Freiheit, statt echte Diskriminierungen zu verhindern.“

Auch die mitregierende FDP kann mit Atamans Vorschlägen wenig anfangen. Die rechtspolitische Sprecherin der Partei, Katrin Helling-Plahr, erklärte, sie sei entsetzt über Atamans Pläne: „Das Papier von Frau Ataman ist gesellschaftlicher Sprengstoff und sät Verunsicherung allerorten.“ Und FDP-Urgestein und  Vizepräsident des Deutschen Bundestages, Wolfgang Kubicki, ergänzt, Atamans Ideen seien „völlig überzogen“ und weiter: „Sie erweist dem Rechtsfrieden keinen guten Dienst. Frau Ataman spricht weder für die Koalition noch für die Bundesregierung. Frau Ataman belastet diese Diskussion mit einem solch unausgegorenen Vorschlag leider schon jetzt.“

Wohnungssuche frei von Diskriminierung?

Die Ampel-Regierung hatte im Koalitionsvertrag eine Evaluation des Gesetzes festgehalten, dabei sollten mögliche Schutzlücken im bestehenden (auch sogenannten) Antidiskriminierungsgesetz geschlossen werden. Ataman wünscht sich zudem, dass auch Vereine künftig Unternehmen aufgrund von Diskriminierung anklagen können, selbst wenn es keine namentlichen Opfer gibt. Auch der soziale Status und die Staatsangehörigkeit sollen als Schutzaspekte ins Gesetz aufgenommen werden.

Wer so beispielsweise bei der Wohnungssuche abgelehnt wird, könnte künftig den Vermieter der Diskriminierung anklagen, wenn er vermutet, aufgrund seiner Staatsangehörigkeit oder seiner sozialen Verhältnisse wegen eine Absage bekommen zu haben – der Vermieter müsste dann den Nachweis erbringen, dass er nicht diskriminiert hat. Zudem wünscht sich Ataman, dass Mitarbeiter im öffentlichen Dienst als Qualifikationsanforderung künftig eine „Diversity-Kompetenz“ vorweisen sollten.

„Gut gemeint ist nicht gut gemacht“

Gegenüber der Bild erklärte die Rechtsanwältin Linda Teuteberg „Das wichtige Anliegen des Schutzes vor Diskriminierung ist kein Freibrief für Vorwürfe und Ansprüche nach Bauchgefühl und Wahrscheinlichkeiten. Gut gemeint ist nicht gut gemacht. Aus einer Abschreckung gegenüber diskriminierendem Verhalten darf nicht noch mehr Bürokratie und eine Abschreckung vor Verantwortung werden. Wenn zum Beispiel Arbeitgeber und Vermieter unter Generalverdacht stehen, motiviert das niemanden zu Engagement und Investitionen.“ Die Ausarbeitung der Reform liegt nicht bei Ataman, sondern obliegt dem FDP-geführten Bundesjustizministerium – dieses hat sich zu den Vorschlägen noch nicht geäußert.  

Anzeige
ANZEIGE
ANZEIGE
ANZEIGE
ANZEIGE
ANZEIGE
ANZEIGE
ANZEIGE
ANZEIGE

Auch Interessant

Strafe, weil er CSD zuließ?

Anklage gegen Gergely Karácsony

Der Bürgermeister von Budapest sieht sich mit strafrechtlichen Ermittlungen konfrontiert, weil er die Pride-Parade im Juni 2025 ermöglicht hat.
Vorurteile im Kampf gegen HIV

Religiöser Hass in Uganda

Christliche Kirchen verhindern aus Homophobie in Uganda die Unterstützung von Menschen mit HIV, wie die jüngste UNAIDS-Studie belegt.
Rollback in Arlington

Ende bei Antidiskriminierungsschutz

Die erste Stadt in den USA, Arlington, hat jetzt die LGBTIQ+-Antidiskriminierungsgesetze aufgehoben. Eine Entwicklung mit landesweiter Signalwirkung.
Homosexuelle als Bedrohung

Neue Stigmata in Malaysia

Der größte islamische Jugendverein in Malaysia erklärte homosexuelle Menschen zur Bedrohung und fordert weitere Restriktionen gegen die Community.
Asyl für queere Flüchtlinge

Neues Zentrum in Amsterdam

In Amsterdam soll ein neues Asylzentrum nur für queere Flüchtlinge und alleinstehende Frauen entstehen.
Kontenlöschungen bei Meta

Queere Gruppen und Frauen betroffen

Meta steht massiv in der Kritik, zahlreiche Konten mit queeren Inhalten sowie zu Frauenrechten und Abtreibung gelöscht oder stark zensiert zu haben.
Neue Diskriminierung

Keine HIV-positiven US-Soldaten

Das US-Verteidigungsministerium will HIV-positive Soldaten entlassen. Ob das gelingt, ist derzeit Gegenstand einer juristischen Auseinandersetzung.
Klage gegen Erzbistum Köln

Vorwurf von sexuellem Missbrauch

Ein 70-jähriger Mann hat jetzt das Erzbistum Köln wegen mehrfachem sexuellen Missbrauch in seiner Jugend auf eine Million Euro Schmerzensgeld verklagt
Hassdelikt: Polizei ermittelt

Ein gezielter Tritt gegenLGBTIQ+

Ein Postbote in Belfast wurde entlassen, weil er einen Gartenwichtel in Regenbogenfarben samt Pride-Flagge mutwillig umstieß.