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Verharmlosung von Gewalt?
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Verharmlosung von Gewalt? CDU, FDP und Polizei sehen Pantisanos Relativierung von Homophobie bei Muslimen kritisch!

ms - 20.07.2023 - 11:00 Uhr

Hat der neue Queer-Beauftragte der Stadt Berlin, Alfonso Pantisano (SPD), die Homosexuellen-Feindlichkeit in der arabischen sowie muslimischen Gemeinschaft stark verharmlost? Nach einem Welt-Interview mit Pantisano kommt nun Kritik an seinen Aussagen seitens der CDU, der FDP und der Polizei auf.

Homophobie im Islam und im Christentum

Im Interview hatte Pantisano auf die Frage nach den Hassverbrechen gegen Homosexuelle, begangen von jungen arabischen oder türkischsprachigen Männern, erklärt: „Wir dürfen es uns nicht zu einfach machen und nur auf die anderen zeigen. Homosexualität gilt nicht nur im Islam als Sünde, sondern mindestens genauso auch in der katholischen Kirche (…) Es gibt genauso viele Italiener oder Deutsche, die queere Menschen angreifen.“

Dem widerspricht gegenüber der Bild-Zeitung der Vize-Chef der Deutschen Bundespolizeigewerkschaft, Manuel Ostermann: „In Deutschland, besonders in Berlin, werden seit Jahren immer häufiger Gewalttaten gegen Homosexuelle bekannt, deren Täter einen arabischen und/oder radikal muslimischen Hintergrund haben. Es ist eben nicht selten, dass Intoleranz eben genau aus dieser kleinen, aber radikalen Community kommt. Da, wo die Scharia Anwendung findet, wo Religion über unsere Verfassung steht, genau da ist Homophobie sehr wohl verbreitet.“

 Problem seien nur „diskriminierende Strukturen“

Auf erneute Nachfrage von Welt-Journalist Frederik Schindler sagte Pantisano weiter: „Welchen Unterschied macht es, ob ich von einem Araber, einem Italiener oder einem Deutschen auf die Nase gehauen werde? Das Problem sind nicht türkisch- oder arabischstämmige junge Männer, sondern die diskriminierenden und ausgrenzenden Strukturen, in die sie hineinwachsen.“ Zum dritten Mal fragt Schindler dann nach, ob Pantisano nicht doch ein besonderes Problem von Schwulenfeindlichkeit in dieser Gruppe von Menschen erkennen könne. Pantisano erwidert: „Das Problem ist überall besonders groß. So wie mich hier in Berlin viele Muslime ablehnen könnten, tun es in Rom mindestens genauso viele Katholiken.“

Mehrheit der Muslimen lehnt Homosexualität ab

Pantisano geht im weiteren Verlauf auch nicht auf die Ergebnisse mehrerer Studien ein, die eine besondere Problematik im Spannungsfeld zwischen Homosexuellen und stark gläubigen Muslimen aufweisen. Das Berlin Anti-Gewalt-Projekt Maneo beispielsweise nannte jene „testosteronaufgeladenen Jungmänner aus bestimmten Problemkiezen“ eine wichtige Tätergruppe.

Das ARD-Magazin „Report Mainz“ veröffentlichte erst im Mai einen Bericht, der detailliert aufzeigte, dass Homosexualität und Transgeschlechtlichkeit besonders von Muslimen stark abgelehnt werden. In der repräsentativen Umfrage erklärten 65 Prozent der Muslimen, dass sie es „ekelhaft“ finden, wenn sich beispielsweise Homosexuelle in der Öffentlichkeit küssen. Gegenüber der ARD bestätigte jüngst auch das Bundesamt für Verfassungsschutz, dass islamistische Gruppierungen immer offener gegen Homosexuelle hetzen.

Täter-Opfer-Umkehr bei Pantisano?

Im Interview mit der Welt wird dann zudem auf die jüngsten Vorfälle in Berliner Freibädern eingegangen, wobei es immer wieder seitens arabischer und türkischer junger Männer zu Gewalt kommt, wie auch erst vor wenigen Tagen betroffene Bademeister der Presse erklärten. Pantisano sieht auch hier die Problematik anderenorts: „Interessant ist, dass wir immer wieder gesagt bekommen, dass es frustrierte junge Migrantinnen und Migranten gibt, doch sich kaum jemand mit der Frage beschäftigt, warum diese Leute frustriert sind.“

Pantisano sieht das Problem in der Duldung dieser Menschen, die nicht arbeiten dürfen. „Sie müssen den ganzen Tag rumlungern und warten auf die Erlaubnis, ein Leben führen zu dürfen. Und sehen, wie wir alle schön fröhlich durch unser Leben laufen mit Einkaufstüten und schönen Klamotten.“ Journalist Schindler attestiert dem Queer-Beauftragten daraufhin eine gedankliche Täter-Opfer-Umkehr.

Aggressive Homophobie unter Muslimen „an der Tagesordnung“

Gegenüber der BILD-Zeitung machte Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner indes jetzt klar: „Homophobie – egal aus welcher Richtung – darf in keiner Form relativiert werden. Denn wer Homophobie relativiert, relativiert unsere Freiheit.“ Innenpolitiker Stefan Heck (CDU) ergänzt dazu: „In den muslimischen Communitys ist aggressive Homophobie leider noch immer an der Tagesordnung. Wer das verharmlost, ignoriert das Problem. Integration bedeutet auch Toleranz für unterschiedliche Lebensmodelle.“ Und Berlins Jugendstaatssekretär Falko Liecke (CDU) sagte gegenüber der Bild: „Natürlich haben wir auch in der muslimischen Community ein Problem mit homophoben Angriffen. Das zu verharmlosen, ist fahrlässig und spiegelt nicht die Realitäten wider.“

Kritik kommt auch von der FDP, der Berliner Generalsekretär Lars Lindemann kritisiert: „In unserer Gesellschaft darf es keinen fingerbreit Platz geben für Homophobie – egal, aus welchen Kulturkreis die Menschen kommen. Wenn das für Pantisano nicht der oberste Maßstab ist, dann ist er die falsche Person in der Position des Queer-Beauftragten.“

Berliner CDU geht auf Distanz zu Pantisano

Bereits zu Beginn der Woche wurden erstmals Stimmen laut, die den Rücktritt des neuen Queer-Beauftragten verlangten. Pantisano hatte beim Landeskriminalamt Strafanzeige wegen Volksverhetzung gegen den Ex-Bild-Chefredakteur Julian Reichelt, zwei Medienunternehmen und eine weitere Journalistin erhoben – unter anderem aufgrund der Dokumentation „Trans ist Trend: Wie eine Ideologie unser Land verändert“. Pantisano erklärte, der Film enthalte „unzählige volksverhetzende Falsch- und Desinformationen“ gegenüber Trans-Menschen, konkrete Belege nannte er indes nicht.

Offenbar soll Pantisano nach derzeitigem Stand dabei eigenmächtig ohne Rücksprache mit der Berliner Senatskanzlei gehandelt haben. Die Berliner CDU distanzierte sich daraufhin von Pantisano und erklärte, dass der Queer-Beauftragte nicht im Namen des Landes Berlin oder des Regierenden Bürgermeisters agiere und sich die Strafanzeige nicht mit dem Verständnis von Pressefreiheit und freier Meinungsäußerung der CDU decken würde.

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