Direkt zum Inhalt
Flucht aus Afghanistan
Rubrik

Flucht aus Afghanistan Aktueller Aufnahmestopp erschwert die Lage der NGOs

ms - 13.04.2023 - 10:00 Uhr

Die ersten 13 LGBTI*-Afghanen sind sicher in Deutschland angekommen! Sechs von ihnen wurden in Bremen untergebracht, sechs weitere in Düsseldorf und eine Person in Berlin. Vier weitere LGBTI*-Menschen warten derzeit in der deutschen Botschaft in Islamabad, Pakistan, auf ihre mögliche Ausreise. Soweit die guten Nachrichten. Die Anträge von rund 180 anderen LGBTI*-Afghanen werden derzeit aktuell nicht weiterbearbeitet, das Auswärtige Amt hat die Aufnahme vorerst gestoppt, um das Verfahren insgesamt zu überprüfen.

Fahrlässiges Verhalten einzelner NGOs

Hintergrund ist die Tatsache, dass offensichtlich mehrere Nichtregierungsorganisationen (NGO) wie die Kabul Luftbrücke oder die Neue Richtervereinigung nach Eigenaussage die Anträge ohne Überprüfung an die entsprechenden Behörden in Deutschland weitergereicht haben sollen. „Ich ärgere mich extrem darüber, das ist ein unverantwortliches und fahrlässiges Verhalten. Letztlich hat dieser Richterverband die gesamte Arbeit der NGO's diskreditiert, genauso wie das Aufnahmeprogramm insgesamt“, so Jörg Hutter vom Bremer Verein Rat und Tat, der sich seit vielen Monaten für LGBTI*-Afghanen einsetzt. Ob und wie das Verfahren derzeit weitergeht, ist indes völlig offen. Das Auswärtige Amt spricht von einer mehrmonatigen Überprüfungszeit – für LGBTI*-Afghanen vor Ort eine erneut dramatische Zuspitzung der Lage.

Schwule Männer erwartet oftmals die Todesstrafe

Seit der Machtübernahme im August 2021 macht die Taliban gezielt Jagd auf Homosexuelle und auch queere Menschen. Gezielt werden dabei ganze Wohnviertel oder Dörfer durchsucht. Nach langem Schweigen hatte sich die Bundesregierung im Herbst letzten Jahres auch deswegen dazu bereiterklärt, monatlich 1.000 schutzbedürftige Afghanen aufzunehmen, darunter auch explizit LGBTI*-Menschen. NGOs konnten die Anträge von LGBTI*-Personen einreichen.

Das Prüfungsverfahren zwischen Bundesinnenministerium und Auswärtigem Amt wurde dabei mehrfach als besonders bürokratisch kritisiert, vor allem angesichts der akuten Gefahrenlage vor Ort. Gerade schwule Männer erwarten in Afghanistan mehrjährige Haftstrafen bis hin zur Todesstrafe, inzwischen gibt es auch bereits erste Gefängnisse nur für LGBTI*-Menschen. Nach Informationen direkt vor Ort sollen allein in einem solchen, ehemaligen Militärgefängnis über 800 LGBTI*-Menschen ermordet worden sein. Offiziell bestätigte Zahlen gibt es verständlicherweise nicht.

NGOs kämpfen weiter für LGBTI*-Afghanen

Der aktuelle Aufnahmestopp und das jetzt eingeleitete Prüfungsverfahren sind somit gerade für all jene NGOs in Deutschland besonders ärgerlich, die vor der Einreichung eines Antrags jeden Fall genau durchleuchtet hatten – auch ihre Fälle ruhen derzeit. Hutter bleibt trotzdem weiter motiviert, wir er gegenüber SCHWULISSIMO erklärt. Er freut sich über die ersten 13 LGBTI*-Afghanen, die mit Hilfe des Bremer Vereins gerettet werden konnten: „Die glücklichen Gesichter entschädigen ungemein und geben Kraft für die weitere Arbeit.“

ANZEIGE
ANZEIGE
ANZEIGE
ANZEIGE

Auch Interessant

Mutmacher der Community

Schwulenaktivist Cleve Jones

Er ist US-Schwulenaktivist der ersten Stunde: Cleve Jones. Angesichts von Trump und Co fordert er die Community zu einem neuen Miteinander auf.
Ein besonderes schwules Leben

Dorfmuseum ehrt schwule Einwohner

Eine Ausstellung, die zu Tränen rührt: Ein Dorf im Südwesten Englands ehrt ein schwules, verstorbenes Einwohnerpaar und ihr besonderes Leben.
Neue Verbote in Italien

Gesetzentwurf gegen LGBTIQ+

Italiens Regierungschefin Giorgia Meloni will LGBTIQ+ im Schulunterricht verbieten lassen, erste Fälle von Zensur gab es jetzt bereits in Sardinien.
Neuer Rekord in den USA

25 Millionen LGBTIQ+-Amerikaner

Rund 25 Millionen erwachsene US-Amerikaner sind LGBTIQ+, mehr als jemals zuvor, inzwischen fast jeder zehnte Einwohner, so die neuste Studie.
Prozess in Bayern

„Geld her oder Penis ab!“

Prozessauftakt in Bayern: Zwei Sexarbeiter sollen einen schwulen Mann in Prien ausgeraubt, gefesselt und bedroht haben: „Geld her oder Penis ab!“
Cruising im Nobelviertel

Helle Aufregung in London

Der berühmte, historische Cruising-Hotspot Hampstead Heath in London sorgt derzeit für hitzige Debatten - Schwulen sollen sich ein Zimmer nehmen!
Affront in Washington

Ausladung des schwulen Männerchors

Der erste offen schwule Männerchor der USA wurde von einer Veranstaltung im Kennedy Center Washington ausgeladen - doch warum? Es wird gestritten!
Rauswurf oder Rückzug?

Google, Meta und der Mardi Gras

Australiens größter Pride findet ohne die zwei Tech-Giganten Google und Meta statt. Rauswurf oder Rückzug - was ist passiert?
Kehrtwende im Mordfall

Warum musste Sam Nordquist sterben?

Warum musste Sam Nordquist sterben? Der äußerst brutale Mord an dem trans* Mann schockt die US-Community - die mutmaßlichen Täter waren selbst LGBTIQ+