Direkt zum Inhalt
EU-Klage gegen Ungarn
Rubrik

EU-Klage gegen Ungarn Größtes Menschenrechtsverfahren der EU beginnt!

ms - 11.04.2023 - 12:00 Uhr

Praktisch in letzter Minute erklärten am vergangenen Donnerstag auch Deutschland und Frankreich ihren Beitritt zur EU-Klage gegen Ungarns homophobes Hass-Gesetz, das unter dem Denkmantel von vermeintlichen Kinderschutzgründen jedwede Informationen, Berichte oder Gespräche über Homosexuelle wie auch queere Menschen an Schulen und in den Medien seit 2021 verbietet. Insgesamt schlossen sich 15 EU-Mitgliedsstaaten sowie in einer historischen Entscheidung auch das EU-Parlament dem Verfahren der EU-Kommission an, das noch in diesem Jahr starten soll.

Größte Menschenrechtsklage der EU-Geschichte

Drei internationale LGBTI*-Organisationen hatten den Fall maßgeblich vorangetrieben, unter anderem auch Forbidden Colours. Direktor Rémy Bonny zeigte sich jetzt nach den Osterfeiertagen hoch erfreut und richtete seine Worte direkt an die zahlreichen Unterstützer der Kampagne – mehrere tausend Menschen hatten online auch eine Petition unterschrieben: „Mit Ihrer Hilfe und der unserer Partnerorganisationen haben wir die größte Menschenrechtsklage aufgebaut, die jemals vor den Gerichtshof der EU gebracht wurde. Ihr Engagement hat dazu beigetragen, die Unterstützung des Europäischen Parlaments und von 15 Mitgliedstaaten für die Klage gegen Ungarns "Anti-LGBT-Propaganda"-Gesetz zu gewinnen. Belgien, Luxemburg, die Niederlande, Portugal, Dänemark, Österreich, Malta, Spanien, Irland, Schweden, Finnland, Slowenien, Griechenland, Frankreich und Deutschland haben sich der Klage angeschlossen“, so Bonny, der weiter erklärt: „Dies war nur der erste Schritt in einem langen Prozess, der etwa zwei Jahre dauern wird. In einigen Monaten werden die teilnehmenden Länder zusammen mit der Europäischen Kommission ihre Argumente gegen das beschämende ungarische Gesetz gegen LGBTIQ+ vor dem EU-Gerichtshof vorbringen können.“

Ein Verfahren gegen Homophobie in ganz Europa

Gegenüber SCHWULISSIMO erklärt Eszter Polgari von der ungarischen LGBTI*-Organisation HATTER, warum das Verfahren so eine große Bedeutung hat, weit über die Grenzen Ungarns hinaus: „Es steht viel auf dem Spiel: Es geht nicht nur darum, dass ein Mitgliedstaat sich nicht an sekundäres EU-Recht hält, sondern es geht darum, einen Trend zur Verabschiedung oder auch nur Erwägung von Anti-LGBTQI-Gesetzen zu stoppen, die die Menschenrechte sexueller und geschlechtlicher Minderheiten ernsthaft untergraben. Der Fall bietet eine gute Gelegenheit, für die Grundrechte und Werte einzutreten, auf denen die gesamte EU beruht. Die Kommission selbst hat den Fall als einen Menschenrechtsfall bezeichnet, indem sie auf die EU-Grundrechtecharta und Artikel 2 EUV verwiesen hat. Es ist zu bedenken, dass das Vertragsverletzungsverfahren weitreichendere Auswirkungen hat: Ein künftiges Urteil des EuGH, in dem festgestellt wird, dass Ungarn gegen EU-Recht verstößt, betrifft nicht nur Ungarn; ein solches Urteil wird in der gesamten Europäischen Union gelten und die Mitgliedstaaten daran hindern, ähnliche Gesetze in ihren jeweiligen Ländern zu erlassen.“

Ein besonderes Augenmerk richtet Polgari gerade auch auf Polen und Rumänien, die mit ähnlichen homophoben Gesetzen liebäugeln. Der einzige EU-Mitgliedsstaat, der der EU-Klage offiziell eine Abfuhr erteilt hat, ist dabei Italien unter der neuen Ministerpräsidentin Giorgia Meloni, deren Ziel es ist, im eigenen Land die Rechte von Homosexuellen weiter zu beschneiden.

ANZEIGE
ANZEIGE
ANZEIGE
ANZEIGE

Auch Interessant

LGBTIQ+ im englischen Spitzenfußball

Wie inklusiv ist Englands Top-Liga wirklich?

Während die Premier League mit Regenbogenkapitänsbinden punkten will, bleibt die queere Sichtbarkeit im englischen Spitzenfußball auf dem Rasen gering.
Weniger schwul sein!

Berufsalltag in Großbritannien

"Bitte sei weniger schwul!" In Großbritannien sind solche Forderungen im Berufsleben für viele schwule Führungskräfte bitterer Alltag, so eine Studie.
Verbotene Bücher

Warnung der National Library Week

Besucher der US-National Library Week und Fachleute der US-Buchszene befrüchten weitere Radikalisierung im Kampf gegen LGBTIQ+-Werke.
Neue Richtlinien nach Skandal

Sexualunterricht in Österreich

Neue Regeln beim Sexualkundeunterricht an Österreichs Schulen. Zuvor hatten Anbieter erklärt, Homosexualität sei ein „heilbares Identitätsproblem."
Einsatz gegen Hasskriminalität

STOP the HATE in Schleswig-Holstein

Die Landespolizei und das queeres Polizei-Netzwerk in Schleswig-Holstein wollen jetzt gemeinsam gegen LGBTIQ+-Hasskriminalität vorgehen.
Dunkle Zeiten in der Slowakei

Neue Gesetze gegen LGBTIQ+

Dunkle Zeiten in der Slowakei: Regierungschef Robert Fico plant eine Verfassungsänderung, um in mehreren Punkten LGBTIQ+ zu attackieren.
Dunkle Wolken über Georgien

Pride Symbole werden verboten

Neuer Angriff auf die Community in Georgien: Jetzt sollen auch Pride Symbole verboten werden. Russland lässt grüßen.
Suizidrisiko in der Community

Erschütternde Zahlen aus England

Dramatische Daten aus England: Homo- und Bisexuelle in England haben ein deutlich höheres Selbstmord-Risiko als Heterosexuelle.
Streit um Pronomen

US-Luftwaffe widerspricht Trump

Sturm im Wasserglas? Die US-Luftwaffe legt sich jetzt mit Präsident Donald Trump im Streit um ein Verbot von Wunsch-Pronomen für queere Menschen an.