LGBTIQ+ im englischen Spitzenfußball Kein Coming-out in der Premier League
Während in der Premier League Stadien in Regenbogenfarben leuchten, bleibt die queere Sichtbarkeit im englischen Spitzenfußball auf dem Rasen selbst weiterhin gering. Trotz umfangreicher Kampagnen zur Unterstützung der LGBTIQ+-Community hat sich bislang kein aktiver Premier-League-Spieler offen als homosexuell geoutet. Eine Diskrepanz, die auch 2025 viele Fragen aufwirft.
Symbolik vs. Realität
Die Premier League präsentiert sich nach außen zunehmend divers: Mit der „Rainbow Laces“-Kampagne der Organisation Stonewall, an der sich die Liga seit 2017 jährlich beteiligt, werden Solidaritätsaktionen wie das Tragen von Regenbogen-Schnürsenkeln und das Einfärben von Stadien in Regenbogenfarben organisiert. Diese Maßnahmen sind sichtbare Bekenntnisse zur Inklusion.
Zudem arbeiten mehrere Vereine mit queeren Fanorganisationen zusammen. Beispielsweise engagieren sich Gruppen wie Proud Gooners (Arsenal), Proud Lilywhites (Tottenham) oder Canal Street Blues (Manchester City) aktiv für ein inklusives Stadionerlebnis. Auch Vereine wie Manchester United oder der FC Chelsea bekennen sich regelmäßig in öffentlichen Statements zu Vielfalt und Antidiskriminierung.
Trotzdem zeigt sich auf dem Spielfeld selbst eine andere Realität: Es gibt keinen offen schwulen aktiven Spieler in der Premier League – ein Zustand, der sich seit Jahren nicht verändert hat. Die letzte prominente Ausnahme war der 17-jährige Jake Daniels vom Zweitligisten Blackpool FC, der sich 2022 als homosexuell outete – eine Entscheidung, die international für Aufmerksamkeit sorgte, aber bislang keine Nachahmer in der höchsten Spielklasse fand.
Stimmen aus der Community
Joe White, Vorsitzender der Fanorganisation Pride in Football und Mitbegründer der Proud Canaries (Norwich City), sieht Fortschritte – aber auch deutliche Barrieren: „Wir erleben mehr Unterstützung und Präsenz queerer Themen, aber die Angst vor öffentlichem Coming-out ist im Profibereich weiter groß. Es braucht sichere Strukturen, nicht nur Symbole.“
Auch aus dem Ligaumfeld kommt Zustimmung zur Kritik. Richard Masters, CEO der Premier League, betonte im Interview mit Sky Sports News (2023):
„Wir arbeiten kontinuierlich daran, ein inklusives Umfeld zu schaffen. Sollte sich ein Spieler öffentlich outen, hat er unsere volle Unterstützung.“
Ein ehemaliger Premier-League-Profi, der anonym bleiben möchte, sagte der BBC:
„Ich hätte mich gerne geoutet. Aber der Druck der Öffentlichkeit, der Medien, der Fans – das alles war einfach zu viel.“
Fankultur und Diskriminierung
Laut einer Studie der Football Supporters’ Association (FSA) aus dem Jahr 2023 geben rund 46 % der queeren Fußballfans an, sich nicht sicher zu fühlen, ihre Identität offen im Stadion zu zeigen – vor allem bei Auswärtsspielen. Homophobe Gesänge oder Beleidigungen kommen laut Faninitiativen regelmäßig vor, obwohl die Premier League in ihrer offiziellen Haltung eine Null-Toleranz-Politik gegenüber Diskriminierung vertritt.
Besondere Kritik erhielt zuletzt der Verein Newcastle United, dessen Sponsor Saudi Aramco aus einem Land stammt, in dem Homosexualität strafbar ist. Menschenrechtsorganisationen warfen dem Club vor, „Pinkwashing“ zu betreiben, indem er sich gleichzeitig zu Pride-Kampagnen bekenne.
Wie geht es weiter?
Die Premier League steht vor einem ambivalenten Bild: Auf der einen Seite gibt es zunehmendes institutionelles Engagement, klare mediale Sichtbarkeit und Kooperation mit queeren Gruppen. Auf der anderen Seite fehlt weiterhin die Repräsentanz auf Spielerebene.
Für die Zukunft fordern viele Aktivistinnen und Aktivisten nachhaltige Maßnahmen: etwa verpflichtende LGBTIQ+-Sensibilisierungstrainings, härtere Sanktionen bei homophoben Vorfällen im Stadion sowie eine gezielte Förderung queerer Sichtbarkeit im Trainerstab und unter Funktionären.
Ein öffentliches Coming-out eines aktiven Premier-League-Stars könnte eine Wende markieren. Doch bis dahin bleibt die Liga trotz Regenbogenfarben im Stadion noch weitgehend farblos, wenn es um echte Sichtbarkeit auf dem Rasen geht.