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PrEP für alle!?
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PrEP für alle!? Deutsche Aidshilfe drängt auf niederschwellige PrEP-Angebote

ms - 20.12.2022 - 10:00 Uhr

Die Versorgungslage mit der HIV- Prophylaxe PrEP ist bis heute flächendeckend in Deutschland nicht gegeben – die Deutsche Aidshilfe (DAH) fordert jetzt eindringlich von Seiten der Verantwortlichen, hier umzudenken. Eine Einsicht seitens der Krankenkassen scheint aber offensichtlich derzeit nicht der Fall zu sein.

PrEP-Budget für 2023

Seit September 2019 kann die PrEP auf Kassenrezept verschrieben werden, offiziell lautet die Definition der Patientengruppe dabei “Menschen mit erhöhtem HIV-Risiko“. Das schließt alle sexuell aktiven Homosexuellen mit ein. Soeben wurde auch beschlossen, die medikamentöse HIV-Prophylaxe ein Jahr länger als geplant außerbudgetär zu vergüten, die Regelung tritt ab Januar 2023 in Kraft. Für die Deutsche Aidshilfe ist dabei klar, dass die Zeit dafür genutzt werden sollte, die Versorgung in der Fläche auszubauen und die Schwellen zur Nutzung im Gegenzug endlich abzubauen.

Hürden für Ärzte

Das Kernproblem nach Angaben der DAH: Die PrEP darf bisher nur von Ärzten verschrieben werden, die auf HIV spezialisiert sind oder die sich durch eine 16-stündige Hospitation sowie eine Mindestanzahl bereits behandelter HIV- oder PrEP-Patienten qualifiziert haben. Für viele Ärzte gerade im kleinstädtischen oder ländlichen Bereich stellen das oftmals Hürden da, die nur äußert schwierig oder auch ungern genommen werden können. Für viele Ärzte stellt sich die Frage nach dem Nutzen, wenn in ihrer Praxis vielleicht nur wenige oder vereinzelte Anfragen zum Thema PrEP aufkommen. Die Denkweise könnte im Umkehrschluss zu einer Art Boomerang-Effekt führen, sodass viele grundsätzlich interessierte Homosexuelle sich doch gegen die PrEP entscheiden, weil der Aufwand und die Suche nach einem Arzt zu zeitaufwendig sind.

Lange Wege für Homosexuelle

Für schwule Männer jenseits der Großstädte mit HIV-Schwerpunktpraxen, die trotzdem eine PrEP wollen, bedeutet das, dass sie oftmals lange Wege in Kauf nehmen müssen, um überhaupt ein Rezept für die PrEP zu bekommen. Die DAH selbst spricht bereits ganz offen von “Versorgungsengpässen“, da es in manchen Regionen oder sogar ganzen Bundesländern keine einzige HIV-Schwerpunktpraxis gibt. Erneut richtet sich die DAH daher direkt an die zuständigen Verantwortlichen, die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) sowie den GKV-Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen, mit der Bitte um schnelle niedrigschwellige Lösungen.

PrEP wirkt!

Die ersten Daten sowohl in Deutschland wie auch international zeigen auf, dass die PrEP effektiv als Prävention gegen HIV wirkt. Das Robert-Koch-Institut will für Deutschland zwar noch keine abschließende Auswertung veröffentlichen, da die Datenlage durch das veränderte Sexual- und Testverhalten bei schwulen und bisexuellen Männern (MSM) aufgrund von Covid-19 verfälscht sein könnte, stellte aber trotzdem bereits fest: „Der beobachtete Rückgang von HIV-Neudiagnosen und der geschätzte Rückgang von Neuinfektionen bei MSM seit 2019 deuten auf eine Verhinderung von Neuinfektionen durch PrEP-Gebrauch hin.“  

Verantwortliche beharren auf Hürden

Um effektiv und schnell die Versorgung flächendeckend einzuführen, schlägt die DAH so zum Beispiel E-Learning-Programme für interessierte Ärzte vor. Aus Sicht der DAH gilt es, lange Wege auch für die Ärzte zu vermeiden und Überlastungen von ärztlichen Praxen vorzubeugen: „Anderenfalls ist zu befürchten, dass potenzielle PrEP-Nutzer keinen Zugang zu dieser Schutzmethode haben und es zu vermeidbaren HIV-Infektionen kommt“, so die DAH.

Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) indes blockt diese Vorschläge offensichtlich weiter ab und erklärte in einem Antwortschreiben an die DAH, sie halte die aktuellen Hürden nicht für zu hoch. Ob es Versorgungslücken gebe, könne erst nach Auswertung weiterer Daten beurteilt werden. Zudem erklärte die KBV, dass die erforderlichen Fachkenntnisse für die PrEP-Verschreibung nicht ausschließlich durch theoretisches Wissen zu erlangen seien, es bedürfe auch praktischen Erfahrungen mit Patienten und dem Austausch mit erfahrenen Kollegen.

Umdenken nur im “Bedarfsfall“

Der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenversicherung weist in einem zweiten Antwortschreiben dann darauf hin, dass die Regelungen für die erforderliche fachliche Qualifikation auch der Sicherheit der PrEP-Anwender dienen würde. Aktuell sei von einer angemessenen Ausgewogenheit zwischen der fachlichen Befähigung zur PrEP-Durchführung und der Sicherstellung einer wohnortnahen Versorgung auszugehen. Man werde aber zusammen mit der KBV im Bedarfsfall nach Lösungsmöglichkeiten suchen. Für die Deutsche Aidshilfe und auch so manchen interessierten Homosexuellen auf dem Land eine mit Sicherheit nicht zufriedenstellende Erklärung. Abschließend erklärte die DAH, sie werde die PrEP-Versorgung weiter im Auge behalten und gerne erneut dann auf Versorgungsdefizite hinweisen.

Zuletzt haben sich binnen eines Jahres rund 1.800 Menschen in der Bundesrepublik neu mit HIV infiziert haben. Aktuell leben rund 90.800 Menschen mit HIV in Deutschland, weitere 8.600 Personen sind höchstwahrscheinlich ebenso HIV-positiv, wissen aber nichts von ihrem Status.

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