Direkt zum Inhalt
Polizeigewalt gegen LGBTI*
Rubrik

Polizeigewalt gegen LGBTI* Im Fokus: Homosexuelle und Trans-Menschen in Kolumbien

ms - 05.12.2022 - 10:00 Uhr

Ein neuer Bericht der Menschenrechtsorganisation Amnesty International dokumentiert nun detailliert die sexuelle Gewalt, die LGBTI*-Demonstranten sowie auch Journalisten und Frauen beim Generalstreik 2021 in Kolumbien erlitten haben – ausgeübt worden waren die Taten dabei von der Nationalpolizei und der polizeilichen Spezialeinheit ESMAD. Amnesty International legt dazu eine Vielzahl von Beweisen vor.

Sexualisierte Gewalt gegen LGBTI*-Demonstranten

Dokumentiert sind so 28 Fälle von Gewalt gegenüber LGBTI*-Menschen in sieben Städten – die Palette der Angriffe reicht dabei von sexistischer, frauenfeindlicher und beleidigender Sprache bis hin zu sexualisierter Gewalt, die laut Amnesty International eine Form von Folter darstellen kann. Agnes Callamard, internationale Generalsekretärin von Amnesty International, dazu: "Geschlechtsspezifische Gewalt und insbesondere sexualisierte Gewalt haben eine schmerzhafte Geschichte im Zusammenhang mit dem bewaffneten Konflikt in Kolumbien - eine Geschichte, die die Behörden noch nicht überwunden haben. Während des Generalstreiks im Jahr 2021 erreichten uns Hunderte von Berichten über geschlechtsspezifische Gewalt, in denen psychische Gewalt, Diskriminierung, Drohungen, ungewollte Berührungen, sexuelle Belästigung, erzwungene Nacktheit, Folter und sexualisierte Gewalt beschrieben wurden. Nachdem wir 28 dieser Vorfälle eingehend dokumentiert haben, ist klar, dass geschlechtsspezifische Gewalt ein Repressionsmittel war, das die Nationalpolizei einsetzte, um diejenigen zu bestrafen, die es wagten, ihre Meinung zu äußern und zu protestieren."

Triggerpunkt LGBTI*

Dabei zeigen die dokumentierten Fälle in den Städten Cali, Palmira, Popayán, Soledad, Tunja, Manizales sowie in der Hauptstadt Bogotá auf, dass gerade die Zugehörigkeit zur LGBTI*-Community ein besonderer Triggerpunkt für die Gewalt ausübenden Polizeibeamten gewesen sein dürfte. Vor allem die Lebensweise von Homosexuellen wie aber auch von Trans-Menschen passen mit dem gelebten Machismo in Kolumbien nach wie vor nicht überein, wie die Menschenrechtsorganisation weiter bestätigt. Immer wieder käme es gerade gegenüber diesen Gruppen zu Stigmatisierung und auch Gewalt. Zu besonders schweren Fällen von Gewalt kam es dabei im Rahmen der Auflösung der Proteste sowie bei der anschließenden Festnahme von Demonstranten.

Kein Platz für Homosexualität

Dabei hält Amnesty International weiter fest: „Gemein ist in all diesen Fällen die Absicht, mit der die Gewalt ausgeübt wurde: Die Täter wollten die Protestierenden dafür bestrafen, dass sie die gesellschaftlichen Geschlechternormen in Frage stellten und in Straßenprotesten ihr Recht auf friedliche Versammlungsfreiheit ausübten.“ Zudem liegen der Organisation auch Informationen vor, demnach auch die Generalstaatsanwaltschaft Beschwerden von Überlebenden dieser Gewalt gar nicht oder nur sehr unzureichend nachgegangen ist. Mehrere Überlebende sagten zudem aus, dass sie sich aus Angst und Misstrauen bereits im Vorfeld gegen eine Anzeige bei der Generalstaatsanwaltschaft entschieden hätten. 

Forderung nach Aufklärung

"Als oberster Leiter der Nationalpolizei muss Präsident Gustavo Petro eine Anordnung erlassen, die alle Formen von sexualisierter und geschlechtsspezifischer Gewalt verurteilt und deren Beendigung fordert. Jede Beschwerde im Rahmen des Generalstreiks von 2021 muss untersucht werden, und die Verantwortlichen müssen zur Rechenschaft gezogen werden. Die kolumbianischen Behörden müssen auch die Ursachen dieser Gewalt angehen und mit Frauen und Mitgliedern der LGBTI*-Community zusammenarbeiten, um wirksame Maßnahmen zu entwickeln und zu verabschieden, die ein Leben frei von institutioneller Diskriminierung und geschlechtsspezifischer Gewalt garantieren. Dies ist das absolute Minimum, um den Weg für Gerechtigkeit und Rechenschaftspflicht zu ebnen", so Callamard weiter.

Die Lage in Kolumbien für LGBTI*-Menschen

Amnesty International hat bereits mehrfach auf massive Menschenrechtsverletzungen gegen die LGBTI*-Community in Kolumbien hingewiesen und dabei auch Fälle von Folter und Misshandlung dokumentiert. Auch die Vereinten Nationen hatten die Ausschreitungen während des Generalstreiks verurteilt – mindestens 56 Menschen sollen dabei getötet worden sein.

Die generelle Lage für Homosexuelle und queere Menschen in Kolumbien ist sehr unterschiedlich, während es in einigen Großstädten eine kleine schwul-lesbische Szene gibt, ist Homosexualität im ländlichen Raum noch stark tabuisiert. Auf Druck des Verfassungsgerichts ist es seit 2013 homosexuellen Menschen erlaubt, zu heiraten.

ANZEIGE
ANZEIGE
ANZEIGE
ANZEIGE

Auch Interessant

Weniger schwul sein!

Berufsalltag in Großbritannien

"Bitte sei weniger schwul!" In Großbritannien sind solche Forderungen im Berufsleben für viele schwule Führungskräfte bitterer Alltag, so eine Studie.
Verbotene Bücher

Warnung der National Library Week

Besucher der US-National Library Week und Fachleute der US-Buchszene befrüchten weitere Radikalisierung im Kampf gegen LGBTIQ+-Werke.
Neue Richtlinien nach Skandal

Sexualunterricht in Österreich

Neue Regeln beim Sexualkundeunterricht an Österreichs Schulen. Zuvor hatten Anbieter erklärt, Homosexualität sei ein „heilbares Identitätsproblem."
Einsatz gegen Hasskriminalität

STOP the HATE in Schleswig-Holstein

Die Landespolizei und das queeres Polizei-Netzwerk in Schleswig-Holstein wollen jetzt gemeinsam gegen LGBTIQ+-Hasskriminalität vorgehen.
Dunkle Zeiten in der Slowakei

Neue Gesetze gegen LGBTIQ+

Dunkle Zeiten in der Slowakei: Regierungschef Robert Fico plant eine Verfassungsänderung, um in mehreren Punkten LGBTIQ+ zu attackieren.
Dunkle Wolken über Georgien

Pride Symbole werden verboten

Neuer Angriff auf die Community in Georgien: Jetzt sollen auch Pride Symbole verboten werden. Russland lässt grüßen.
Suizidrisiko in der Community

Erschütternde Zahlen aus England

Dramatische Daten aus England: Homo- und Bisexuelle in England haben ein deutlich höheres Selbstmord-Risiko als Heterosexuelle.
Streit um Pronomen

US-Luftwaffe widerspricht Trump

Sturm im Wasserglas? Die US-Luftwaffe legt sich jetzt mit Präsident Donald Trump im Streit um ein Verbot von Wunsch-Pronomen für queere Menschen an.
Damien Stone ist tot

Adultstar stirbt mit 32 Jahren

Damien Stone ist tot! Der beliebte Adultstar aus den USA verstarb mit nur 32 Jahren - nach Angaben seiner Familie aufgrund massiver Herzprobleme.