Homo-Ehe in Tschechien? Setzt das tschechische Parlament ein Zeichen gegen die Anti-LGBTI*-Propaganda aus Russland?
Es ist ein durchaus mutiges Vorgehen, dass eine Gruppe von Abgeordneten diese Woche angegangen ist – sie haben heute ins tschechische Parlament einen Gesetzentwurf eingebracht, der die gleichgeschlechtliche Ehe in der Republik einführen soll. Sollte das Gesetz tatsächlich verabschiedet werden, wäre Tschechien der erste postkommunistische Staat, der die Gleichstellung der Ehe ermöglicht.
Kritik kam dabei sehr schnell von einigen anderen Abgeordneten auf, die erklärten, dass inmitten des Ukraine-Krieges ein solches Vorhaben nicht wichtig sei und nur eine unnötige Ablenkung darstelle. Befürworter argumentierten dagegen, dass die Gleichstellung gerade jetzt im Schatten der russischen Angriffe wichtiger denn je sei und ein starkes Signal hin zur europäischen Wertegemeinschaft darstellen würde. Es wäre die „Chance für Tschechien, sich von den populistisch-konservativen Werten abzugrenzen“, so die Befürworter der Homo-Ehe.
Der Ausgang einer möglichen Abstimmung ist tatsächlich offen, denn zuletzt hatten sich mehrere hochrangige Regierungsvertreter für die Ehe für Homosexuelle ausgesprochen, zudem belegten jüngste Umfragen, dass auch eine Mehrheit der tschechischen Bevölkerung (67 %) für die Einführung der gleichgeschlechtlichen Ehe ist – in der jungen Generation sprechen sich sogar mehr als 80 Prozent dafür aus. Der vorgelegte Gesetzentwurf ist nicht der erste Versuch, die Tschechische Republik dazu zu bewegen, könnte aber jetzt durchaus erstmals von Erfolg gekrönt sein. In Mittel- und Osteuropa gehört das Land in puncto LGBTI* zu den toleranten Vorreitern, bereits 2006 führte das Parlament so die eingetragene Partnerschaft für gleichgeschlechtliche Paare ein. Eine rechtliche Gleichstellung in allen Punkten ist diese zwar nicht, aber trotzdem ein starker erster Schritt im Angesicht des Gegenwindes anderer Länder in der Region.
"Die Gesellschaft ist schon lange dafür", erklärt Olga Richterova, Abgeordnete der Piratenpartei und Mitbegründerin des Gesetzentwurfs, "aber die Politik hinkt hinterher.“ Die Koalition der Willigen kommt zusammen nur auf rund ein Viertel der Sitze im Parlament – für die Verabschiedung des neuen Gesetzes bedarf es also Stimmen aus der politisch konservativen Mitte des Parlaments, die zusammen mehr als die Hälfte der Sitze halten. Strikt dagegen sind die Christdemokraten und die rechtsextreme Partei, die ebenso rund ein Viertel der Sitze im Parlament innehaben. Wie sich die Politiker im Mittelfeld schlussendlich entscheiden werden, ist offen – die Meinungen gehen auch hier auseinander. Unterstützung für das Vorhaben kommt auch von Seiten der Europäischen Union. Tschechien wird ab 01. Juli die EU-Ratspräsidentschaft für ein halbes Jahr leiten und mehrere EU-Politiker ermutigten deswegen das Land, dass dies genau der richtige Zeitpunkt sei, ein starkes Signal für die Menschenrechte von Schwulen und Lesben auszusenden.
Remy Bonny, Exekutivdirektor der NGO Forbidden Colours und LGBTI*-Aktivist, bekräftigte, dass ein russischer Angriff auf LGBTI*-Personen „immer auch ein Angriff auf die europäische Demokratie“ sei und ein Schweigen Tschechiens in dieser Frage gleichbedeutend mit der „Unterstützung von Putins Werten und seinem Anti-EU-Krieg" sei. Und die tschechische Parlamentspräsidentin und Mitbefürworterin des Gesetzes, Marketa Pekarova Adamova, erklärte: "Homosexualität ist keine Option, aber Toleranz gegenüber dem Anderssein schon. Diese Ehen werden niemandem schaden, sondern vielen helfen. Deshalb hat dieses Gesetz meine volle Unterstützung!"