Kulturkampf um LGBTI* in Australien Christliche Lobbygruppen bedrängen die Parteien in Down Under
Nicht nur in Amerika spielt sich derzeit ein landesweiter Kulturkampf zwischen reaktionären und modernen Kräften um die Frage der Akzeptanz von queeren Menschen ab, auch in Australien ist der Machtpoker in vollem Gang. Auf der einen Seite stehen dabei christliche Lobbyverbände und Kirchen, die im Namen der Religion Sonderrechte abseits der allgemeinen Rechtslage einfordern, um LGBTI*-Menschen diskriminieren zu dürfen. Auf der anderen Seite befinden sich liberale und moderne Kräfte, die den Staat weiter und vor allem allumfassend säkularisieren wollen. Ein Ausgang dieses Kulturkrieges auf dem Rücken der queeren Community ist indes noch völlig ungewiss.
Im Zentrum des Konflikts befindet sich aktuell ein Gesetzesvorhaben, das nach dem Willen der christlichen Verbände unverändert verabschiedet werden soll. Der sogenannte „Religious Discrimination Bill“ hat die Religionsfreiheit im Sinn - Menschen mit unterschiedlichen Glaubensrichtungen sollen vor Diskriminierung geschützt werden. Das Problem dabei ist, dass das neue Gesetz Religionsgemeinschaften die rechtliche Legitimation erteilen würde, queere Menschen massiv zu diskriminieren. Beispielsweise könnten christliche Schulen im Namen ihres Glaubens homosexuelle Lehrer entlassen oder queere Schüler aus der Schule werfen. Christliche Kindergärten dürften alleinerziehenden Müttern erklären, dass ihr Lebensstil ohne einen Ehemann eine „Sünde“ sei. HIV-Patienten dürfte von gläubigen Pflegern künftig ungestraft vermittelt werden, dass ihre Erkrankung eben eine „Strafe Gottes“ sei.
Das neue Gesetz würde de facto den Antidiskriminierungsschutz für queere Menschen außer Kraft setzen. Als das Gesetz im Februar verabschiedet werden sollte, fügten deswegen fünf mutige Abgeordnete der konservativen Liberal Party einen Texteinschub der Labor-Partei in den Gesetzestext hinzu, der explizit LGBTI*-Menschen vor dieser Diskriminierung schützen sollte. Das Vorhaben scheiterte und die Gräben zwischen den Fronten vertiefen sich seitdem von Woche zu Woche immer mehr.
Australiens Premierminister Scott Morrison, ein konservativer Hardliner in puncto LGBTI*, legte den Gesetzentwurf jetzt auf Eis und erklärte, dass die gegnerische Labor-Partei die vorgeschlagenen Änderungen nur als „trojanisches Pferd“ habe nutzen wollen. Der Frage, ob er das Gesetz in der nächsten Legislaturperiode abermals einbringen wolle, wich Morrison aus.
Bei dem Gesetzesvorhaben geht es allerdings nicht nur um die Macht der Kirchen, sondern auch um ganz weltliche Aspekte – es geht um Geld. Rund 60 Millionen Dollar steckt Australien allein in das Seelsorgeprogramm an den Schulen. Nach einer Idee der Labour-Partei soll Schulen künftig die Möglichkeit gegeben werden, eigenständig zu entscheiden, ob sie einen religiösen oder weltlichen Seelsorger einstellen wollen. Die christlichen Kirchen sind verständlicherweise gegen diesen Vorschlag. Seit Februar nun üben die christlichen Lobbygruppen massiv Druck auf beide Parteien aus, mit dem Ziel, das Gesetzesvorhaben doch noch in seiner ursprünglichen Form umzusetzen. Besonders für Premierminister Morrison ist dies eine heikle Situation, der Hardliner konnte bisher auf die Stimmen der queerfeindlichen Kirchengemeinden bauen. Die politische Revolte von Mitgliedern seiner eigenen Partei stellt dabei seit Jahrzehnten eine der größten Umwälzungen in der Politik Australiens dar.
Für LGBTI*-Menschen geht es sprichwörtlich um alles – wenn das Gesetz in seiner ursprünglichen Form tatsächlich unterzeichnet wird, haben queere Menschen keine rechtliche Handhabe mehr, gegen offene Diskriminierung an Schulen, Universitäten und sonstigen Einrichtungen unter christlicher Führung vorzugehen – sie werden zu Freiwild. Wie ernst es die christlichen Schulen damit meinen, zeigten immer wieder jüngste Fälle, in denen Bildungseinrichtungen bereits versucht hatten, queere Schüler und Lehrer zu entfernen und LGBTI*-Themen gänzlich aus dem Unterrichtsstoff zu streichen. So wäre es künftig auch vollkommen legitim, wenn eine Bildungseinrichtung wie das inzwischen berüchtigte Citipointe Christian College bei Brisbane von den 1.700 Schülern und ihren Eltern verlangt, eine Erklärung zu unterschreiben, in der sie Homosexualität im Namen Gottes verdammen.