Lieber Zuhause statt unterwegs Party und Feierlaune?! Junge LGBTI*-Menschen bleiben lieber zuhause
Rausgehen, Party, Feiern und Tanzen bis in die Morgenstunden – so ist sie, die junge Generation Z. Oder vielleicht doch nicht? Keine andere Generation vor ihr definiert sich weltweit so stark mit der LGBTI*-Community, in Deutschland sagen 22 Prozent der Jugendlichen und jungen Heranwachsenden, dass sie homosexuell oder queer sind (Ipsos Studie). Und offenbar sind sie zudem die erste Generation, die ihre Freizeit lieber zuhause im Bett verbringt als unterwegs in der Szene.
Ein Leben lieber zuhause
Ein Forschungsteam aus den USA hat sich mit dieser Entwicklung genauer befasst – zuerst stand die These im Raum, dass durch die Corona-Pandemie das Ausgehverhalten der jungen Menschen stark reduziert war. Das stimmte auch im Grundsatz, weswegen für die Untersuchung gar nicht erst Daten von 2020 herangezogen wurden, also dem ersten Jahr von Covid inklusive seiner Lockdowns. Das Erstaunliche: Auch lange nach dem Ende der Virus-Pandemie setzte sich der Zuhause-Trend weiter durch.
Seit 2019 haben junge Menschen täglich etwa eine Stunde weniger mit Aktivitäten außer Haus verbracht als zuvor, so die Autoren der Studie, Brian D. Taylor, Samuel Speroni und Eric A. Morris von den Universitäten in Clemson und Los Angeles. Konkret untersucht wurde das Verhalten von Amerikanern ab 17 Jahren, die Daten stammen aus der jährlich erhobenen Datensammlung American Time Use Survey (ATUS).
Der Trend, es sich lieber zuhause bequem zu machen, hat Corona demnach zwar verstärkt, aber nicht angestoßen – und die Entwicklung setzt sich weiter fort. Seit 2003 wurde immer stärker beobachtet, wie junge Menschen lieber mehr zuhause bleiben als unterwegs zu sein. Bereits jetzt verbringt die Gen-Z fast genauso viel Zeit zuhause wie im Corona-Jahr 2020, als sie zwangsweise immer wieder darin eingesperrt gewesen ist.
My Home Is My Castle?
Wie es zu dieser möglichen Entwicklung gekommen ist, mag laut den Forschern an vielen Gründen liegen. Home Office zeigte so beispielsweise im Berufsleben auf, wie einfach in der digitalen Welt das Arbeiten auch dauerhaft von zuhause funktionieren kann. Sportlich aktive Menschen neigen zudem in den letzten Jahren immer mehr dazu, ihren sportlichen Aktivitäten ebenso mehr zuhause nachzugehen – vom Home-Trainer bis zu Online-Yoga-Kursen. Auch die Schlafenszeit hat in den letzten Jahren durchschnittlich deutlich zugenommen.
Die wirtschaftliche Lage hat es zudem für viele Menschen immer schwieriger gemacht, einfach mal mit Freunden wegzugehen oder Urlaube zu planen – auch das kann dazu beigetragen haben. Natürlich lässt sich auch ohne ein finanzielles Aufkommen rausgehen, beispielsweise in die Natur. Aber der Drang nach dem Motto „My Home Is My Castle“ scheint sich vorzusetzen. Lieber einigeln und es sich zuhause schön machen.
Weniger reale Treffen
Ein großer Faktor dürfte dabei auch das Thema Stress sein. Eine zweite Studie aus Deutschland untermauert sowohl den Zuhause-Trend wie auch weitere Hintergründe. Die Forscher der jährlichen Studie Freizeit-Monitor halten dazu fest, dass in der Gen-Z Treffen mit Freunden wie auch dem Partner seltener werden.
„Während die technologischen Möglichkeiten zur Vernetzung immer umfassenden werden, nehmen persönliche Begegnungen und gemeinsame Aktivitäten im realen Leben ab.“ Immer mehr wollen auch deswegen lieber zuhause bleiben, um sich vom Stress im Alltag zu erholen. Gerade bei LGBTI*-Menschen dürften dabei weitere Stressfaktoren wie steigende Hass-Kriminalität und Online- wie Offline-Mobbing mit hineinspielen.
Zudem ist die Versorgungslage noch immer dürftig, rund 30 Prozent der jungen Homosexuellen haben laut der Jugendorganisation Lambda in ihrem Wohnumfeld oder ihrer Heimatstadt keinerlei Treffpunkt-Möglichkeiten zu anderen Gleichgesinnten – so verbringen junge LGBTI*-Menschen auch im Schnitt zehn Stunden täglich online beziehungsweise vor Bildschirmen, vier Stunden mehr als gleichaltrige Heterosexuelle. Wichtiger als Ausgehen ist laut der Studie so für viele inzwischen Ausschlafen, entspannende Tätigkeiten wie ein Buch lesen oder Filme anschauen oder auch Online-Gaming geworden.
Umdenken für die Zukunft
Auf lange Sicht, so die US-Forscher wieder, werde die Entwicklung weitreichende Folgen für die gesamte Gesellschaft haben – das betreffe eine Stadtplanung ebenso wie Fragen zur Mobilität oder dem Verkehrsaufkommen sowie dem Ausbau von Lieferdiensten aller Art.
Zusätzlich plädiert der Hauptautor der Studie, Morris, Professor für Stadt- und Regionalplanung an der Clemson Universität, für bessere und attraktivere Angebote, die doch noch verstärkt zum Rausgehen animieren. Junge Homosexuelle und queere Menschen würden sich zudem vielleicht öfter raus trauen, wenn sie nicht immer mehr Angst davor haben müssten, Opfer eines Angriffs zu werden.