Studie über Intersexuelle 55 Prozent der intersexuellen LGBTI*-Jugendlichen denken über Selbstmord nach
Es sind erschreckende und dramatische Zahlen, die das Trevor Project jetzt veröffentlicht hat – die größte Jugendberatungsorganisation für LGBTI*-Menschen in den USA befragte Intersexuelle. Das traurige Ergebnis: Mehr als die Hälfte der intersexuellen LGBTI*-Jugendlichen (55%) gaben an, im vergangenen Jahr ernsthaft über Selbstmord nachgedacht zu haben.
Stigmatisierung und Scham
Dabei kämpfen jene Jugendlichen auch häufiger mit ihrer psychischen Gesundheit und erleben massive Probleme in der Art und Weise, wie sie von ihren Familien und Ärzten behandelt werden. Insgesamt spielten mehrere Faktoren in diese erschreckende Datenlage mit hinein, so der Hauptautor der Studie, Jonah DeChants. Darunter fällt eine „Kombination aus Stigmatisierung und unangebrachter Scham und Verlegenheit bei Einzelpersonen und auch bei Forschern.“
Und weiter: „Historisch gesehen wurden intersexuelle Identitäten leider sehr stark stigmatisiert. Ein Teil dieser Stigmatisierung kam von schlecht informierten, aber wohlmeinenden Familien und medizinischen Anbietern, die der Meinung waren, dass es für das betreffende Kind besser sei, seine intersexuelle Identität nicht zu kennen oder nicht mit anderen Menschen darüber zu sprechen, genau wie bei manch anderen LGBTI*-Identitäten, um ein 'normales Leben' zu führen.“
Dieses Stigma habe „wirklich dazu beigetragen, dass es an Mitteln für die Forschung mangelt, dass man nicht darüber nachdenkt, Menschen nach ihrem Intersex-Status zu fragen oder Geschlechtsunterschiede zu haben“, so DeChants weiter. Die neue Studie ist eine der umfangreichsten ihrer Art, befragt wurden rund 18.600 LGBTI*-Jugendliche, 256 von ihnen identifizieren sich sowohl als intersexuell wie auch als LGBTI*.
Konversionstherapien bei Intersexuellen
Von den intersexuellen Jugendlichen berichteten 13 Prozent, dass sie in irgendeiner Form einer Konversionstherapie unterzogen wurden, im Vergleich zu nur fünf Prozent ihrer LGBTI*-Altersgenossen. Dies sei besonders besorgniserregend, auch deswegen, weil 43 Prozent der intersexuellen Jugendlichen, die einer Konversionstherapie unterzogen wurden, von einem Selbstmordversuch im letzten Jahr berichteten, verglichen mit „nur“ 22 Prozent, die keine Konversionstherapie erlebt hatten, so DeChants. „Die Tatsache, dass diese Raten doppelt so hoch sind, zeigt wirklich, dass es einen schädlichen Zusammenhang zwischen diesen Erfahrungen speziell bei intersexuellen jungen Menschen gibt.“
Chirurgische Eingriffe bei Kleinkindern
17 Prozent der intersexuellen Jugendlichen gaben überdies an, einen chirurgischen Eingriff erlebt zu haben, bei dem ihre Anatomie oder ihre Fortpflanzungsorgane verändert wurden, um „normativen Erwartungen auf der Grundlage des binären Geschlechts zu entsprechen“. Das Durchschnittsalter für solche Eingriffe lag bei unter einem Jahr. Die Operationen erfolgten in so jungen Jahren somit auch ohne Einwilligung der Betroffenen. Laut DeChants wirkte sich auch dies nachteilig auf das spätere Leben der Befragten aus.
Aus Sicht des Studienleiters sei es besser, die Körper von intersexuellen LGBTI*-Jugendlichen in Ruhe zu lassen, bis diese eigenständig darüber entscheiden können, welche medizinischen Eingriffe sie durchführen lassen wollen. Zudem: „Man muss keinen Körper haben, der in die Geschlechtertrennung passt, um ein 'normales Leben' zu führen oder ein glücklicher und gesunder Erwachsener zu sein“, so DeChants.
Hier gibt es Hilfe
Die Berichterstattung über Suizid ist ein überaus sensibles Thema. Wir möchten es in KEINSTER Weise glorifizieren oder romantisieren. Viele Menschen, die durch Suizid sterben, leiden an einer psychischen Erkrankung. Wenn es dir nicht gut geht oder du daran denkst, dir das Leben zu nehmen, versuche mit anderen Menschen darüber zu sprechen. Das können Freunde oder Verwandte sein. Es gibt aber auch eine Vielzahl von Hilfsangeboten, bei denen du dich melden kannst. Die Telefonseelsorge ist anonym, kostenlos und rund um die Uhr erreichbar. Die Telefonnummern sind 0800/111 0 111 und 0800/111 0 222.
Mit Beratung steht dir auch der Coming Out Day Verein via Messenger oder E-Mail unter www.coming-out-day.de zur Seite. Weiterhin gibt es von der Telefonseelsorge das Angebot eines Hilfe-Chats. Außerdem gibt es die Möglichkeit einer E-Mail-Beratung. Die Anmeldung erfolgt – ebenfalls anonym und kostenlos – auf der Webseite. Informationen findest du unter: www.telefonseelsorge.de