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Zensur in Großbritannien
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Zensur in Großbritannien Konservative Schulleiter, Lehrer und Eltern wollen LGBTI*-Themen aus den Schulbibliotheken verbannen

ms - 23.08.2024 - 10:45 Uhr

Kaum zu glauben aber wahr: Nach den USA werden jetzt auch in Großbritannien immer öfter Bücher mit LGBTI*-Themen aus den Schulbibliotheken verbannt. In mehr als zwei Dutzend Büchereien im Land verschwanden in den letzten Monaten zahlreiche Werke. 

Zensurversuche in jeder zweiten Schule

Eine Umfrage von Index on Censorship in Zusammenarbeit mit dem Chartered Institute of Library ergab, dass eine Mehrheit von 53 Prozent der Bibliotheken-Betreiber von konservativen Schulleitern, Lehrern und Eltern inzwischen aufgefordert wurden, Bücher mit homosexuellen und queeren Aspekten zu entfernen. Befragt wurden 53 große Schulbüchereien im Land. Zu den beanstandeten Titeln gehören sowohl Romane wie auch Sach- und Aufklärungsbücher. 

Alison Tarrant, Geschäftsführerin der School Library Association (SLA), erklärte dazu jetzt gegenüber dem britischen Guardian: „Zensur ist definitiv etwas, über das einige unserer Mitglieder sehr besorgt sind. Es scheint so etwas wie einen ´Trend´ zur Zensur von Büchern zu geben, die von queeren Autoren geschrieben wurden oder in denen queere Charaktere vorkommen.“ Dazu zeichne sich inzwischen ab, dass immer mehr Betreiber der Bibliotheken dazu übergehen, LGBTI*-Bücher gar nicht mehr erst in das Sortiment aufzunehmen, um möglichen Komplikationen bereits im Vorfeld aus dem Weg zu gehen. Tarrant geht davon aus, dass die Buchzensur im Vereinigten Königreich durch die USA beeinflusst wurde.

Hilfestellung für Büchereien

Schulbibliotheken müssten klare Richtlinien erarbeiten, anhand welcher Kriterien überhaupt eine Buchzensur gestattet ist und wie generell mit dieser Art von Beschwerden künftig umgegangen werden soll – daran könnte sich dann landesweit orientiert werden. Anderenfalls würden Schulleiter und Büchereibetreiber oft allein gelassen, sodass sie sich immer öfter offenbar für den Weg des geringsten Widerstandes entscheiden.  

Tarrant betont dabei eindringlich: „Wenn ein Schüler mehr über Sex oder Sexualität wissen will, wäre es mir viel lieber, wenn er in die Schulbibliothek ginge und die dortigen Ressourcen erforscht, als wenn er ins Internet geht und schaut, was dort zu dem Thema zu finden ist. Online finden Schüler selten Informationen, die mit einem pädagogischen Hintergrund geschrieben wurden.“

Angebote wichtig für LGBTI*-Schüler

Gerade für LGBTI*-Schüler sei eine altersgerechte Literatur sehr wichtig, so Tarrant weiter: „Wenn LGBTI*-Bücher in Bibliotheken nicht offen einsehbar sind, ist das Ausgrenzung auf subtilere Weise.“ Und ein Sprecher der queeren Organisation Stonewall ergänzt: „Es ist besorgniserregend zu sehen, dass LGBTI*-Bücher aus den Schulbibliotheken entfernt werden, da wir wissen, dass es für viele Schüler sehr wichtig und aufbauend ist, sich in Büchern und Medien widergespiegelt zu sehen. Wenn LGBTI*-Jugendliche daran gehindert werden, sich in inklusiven Ressourcen und Büchern in der Schule wiederzufinden, schämen sie sich oft und haben das Bedürfnis, sich zu verstecken.“

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