Scharfe Kritik an Uganda National wie international herrscht Entsetzen über den Entschluss des Verfassungsgerichts zum homophoben Gesetz
Breites Entsetzen und Fassungslosigkeit über das gestrige Urteil des Verfassungsgerichts in Uganda – die Richter entschieden, dass das Anti-Homosexuellen-Gesetz verfassungskonform ist. Damit dürfen Homosexuelle in Uganda weiterhin mit hohen Haftstrafen bis hin zur Todesstrafe verurteilt werden.
Auswärtiges Amt mahnt Verpflichtungen an
Das Auswärtige Amt erklärte dazu: „Uganda ist mit der Unterzeichnung internationaler Menschenrechtsabkommen wie dem UN-Zivilpakt und vor allem der Afrikanischen Charta der Menschenrechte und der Rechte der Völker verbindliche menschenrechtliche Verpflichtungen eingegangen. Das Gesetz stellt eine Verletzung dieser grundlegenden und allgemeinen Menschenrechte von queeren Personen dar. Unsere Überzeugung ist klar: Jede Person hat das Recht zu lieben, wen sie will. Dass das Gesetz nun nach dem Urteil des Obersten Gerichts in Kraft bleibt, ist sehr besorgniserregend. Besonders, da auch weiterhin die Todesstrafe verhängt werden kann – eine Form der Strafe die Deutschland und seine europäischen Partner unter allen Umständen ablehnen. Deutschland wird sich gegenüber der ugandischen Regierung und mit der Zivilgesellschaft in Uganda auch weiterhin für die Würde und Menschenrechte eines jeden Einzelnen unabhängig von seinem Geschlecht und seiner sexuellen Orientierung einsetzen.“
Systematische Auslöschung
Der Lesben- und Schwulenverband LSVD+ sowie das Bündnis Queere Nothilfe Uganda zeigten sich ebenso fassungslos über das gestrige Urteil: „Das sogenannte Anti-Homosexualitäts-Gesetz in Uganda verfolgt nur ein Ziel: LSBTIQ* zu kriminalisieren und durch staatliche Verfolgung systematisch auszulöschen. Deshalb sprechen wir heute erneut unsere tiefe Solidarität mit LSBTIQ* in Uganda aus und fordern dasselbe von der Politik. Ein anders lautendes Urteil hätte ein deutliches Signal gegen die zunehmende Diskriminierung und Verfolgung Homosexueller in ganz Afrika sein können, so in Ghana, wo die Gesetzgeber*innen im Februar ebenfalls ein Anti-Homosexuellen-Gesetz verabschiedet haben“, so Philipp Braun aus dem Bundesvorstand.
Stephan Jäkel vom Bündnis Queere Nothilfe Uganda ergänzt: „Die Hoffnung, dass das Gericht das menschenfeindliche Gesetz kippt, hat sich leider nicht erfüllt. Wir fordern daher auf nationaler, auf europäischer und internationaler Ebene, die Menschen in Uganda zu unterstützen und Sanktionen gegen die Drahtzieher*innen des Gesetzes zu erlassen.“
Das Bündnis fordert die Bundesregierung in diesem Zusammenhang abermals auch dazu auf, zügig humanitäre Visa für ugandische LGBTI*-Menschenrechtsaktivisten auszustellen. Zusätzlich bekräftigt das Bündnis die Umsetzung von Sanktionen und die Rücknahme von Visa für alle Parlamentsmitglieder, Regierungsangehörige und religiöse Führer, die das Gesetz unterstützt haben. Die Bundesregierung und die EU müssten außerdem endlich und zügig allen religiösen Organisationen, die in Uganda zur Verfolgung und Tötung von Homosexuellen aufrufen, die finanzielle Förderung entziehen. Eine Antwort seitens der Ampel-Regierung steht nach wie vor aus.
Preis der Freiheit ist der Tod
Auch international sorgt die Entscheidung des Verfassungsgerichts für Entsetzen. Edward Mutebi, Gründer der queeren Organisation Let‘s Walk Uganda, sagte: „Das Verfassungsgericht kippte zwar einzelne Paragrafen, in denen alle Bürger*innen unter Strafandrohung verpflichtet wurden, homosexuelle Handlungen und Personen zu melden. Dies nimmt jedoch nur die Allgemeinbevölkerung aus der Schusslinie. Queere Menschen stehen weiter im Fadenkreuz.“ Sein Kollege, der ugandische Aktivist Steven Kabuye, ergänzte, dass die Gay-Community damit „weiter in die Dunkelheit gedrängt wird. Der Preis der Freiheit für einen gewöhnlichen LGBTI*-Ugander ist der Tod.“
Leanne MacMillan, globale Direktorin für Kampagnen und Menschenrechte bei der LGBTI*-Organisation Stonewall, sagte: „Es ist zutiefst beunruhigend, dass das ugandische Gericht eine schreckliche Anti-LGBTQ+-Gesetzgebung bestätigt hat, die LGBTQ+-Ugandern grundlegende Menschenrechte verweigert. Wir sind solidarisch mit denjenigen, die in Uganda für ihre Rechte und ihre Würde kämpfen, während die Gerichte sie im Stich gelassen haben. Wenn wir in einer Welt leben wollen, in der LGBTQ+-Menschen frei sind, sich selbst zu sein, müssen wir alle jetzt dafür kämpfen.“
Weitere juristische Schritte?
Die Geschäftsführerin von Outright International, Maria Sjödin, kommentierte die Entscheidung so: „LGBTI*-Menschen in Uganda verdienen vollen Schutz und gleiche Rechte vor dem Gesetz, und die teilweise Ungültigerklärung des Gesetzes ist nicht genug. Die Entscheidung des Verfassungsgerichts, die queere Menschen zur Bürgerschaft zweiter Klasse degradiert, darf nicht das letzte Wort sein. Es ist nun Aufgabe des ugandischen Parlaments, dieses Gesetz aufzuheben. Die Behörden müssen in einen sinnvollen Dialog mit LGBTI*-Organisationen und -Aktivisten treten und auf die Schaffung einer integrativen Gesellschaft hinarbeiten, die die Rechte aller Menschen in Uganda respektiert und wahrt.“ Inhaltlich pflichtet dem auch der ugandische Menschenrechtsanwalt Nicholas Opiyo bei, der erklärte, man berate derzeit über mögliche weitere juristische Schritte.
Mehr Einsatz gegen Hass gefordert
Der britische Außenminister und ehemalige Premierminister des Vereinigten Königreichs, David Cameron, schrieb: „Das ugandische Anti-Homosexualitätsgesetz hat die Gewalt und Diskriminierung gegen LGBT+ Menschen verstärkt. Ich bin zutiefst besorgt darüber, dass Uganda die Menschenrechte weiter zurückschraubt. Das Vereinigte Königreich wird sich weiterhin für eine Welt einsetzen, in der Menschen frei von Verfolgung sind, unabhängig von ihrer Sexualität.“
Sein Kollege, der Sondergesandte des Premierministers Rishi Sunak für LGBTI*-Rechte, Nick Herbert, erklärte: „Es ist äußerst enttäuschend, dass das ugandische Verfassungsgericht das Anti-Homosexualitätsgesetz im Wesentlichen aufrechterhalten hat. Dieses entsetzliche Gesetz sieht die Todesstrafe für Wiederholungstäter vor und hat zu einem Anstieg von Diskriminierung und Gewalt gegen LGBT+ Menschen geführt. Wir müssen uns gegen diesen Hass wehren.“
Angriffe auf Homosexuelle nehmen zu
Die Zahlen geben Herbert dabei recht: Seit dem Inkrafttreten des Anti-Homosexuellen-Gesetzes im Sommer 2023 sind gewaltvolle Übergriffe gegenüber Schwulen und Lesben auf offener Straße, Razzien in Privatwohnungen, Kündigungen von Wohnungen und Arbeitsplätzen sowie Schulabbrüche im Land an der Tagesordnung. Viele Homosexuelle versuchten bereits, aus Uganda in Nachbarländer fliehen.
Seit der Verabschiedung des Gesetzes ist auch die Zahl der Hassverbrechen gegen Homosexuelle in Uganda rapide angestiegen, wie ein Bericht des Ausschusses der Koalition Convening for Equality (CFE) belegt. Demnach wurden offiziell in den ersten drei Monaten nach dem Inkrafttreten des Gesetzes seit dem Mai 2023 insgesamt 306 Übergriffe und Rechtsverletzungen gegenüber Homosexuellen dokumentiert, die Dunkelziffer wird dabei als deutlich höher eingestuft.