Ein Jahr Proteste LGBTI* und Frauen im Einsatz für Menschenrechte
Heute vor genau einem Jahr wurde Jina Mahsa Amini in Teheran von der iranischen Sittenpolizei am frühen Abend verschleppt und inhaftiert – ihr angebliches Verbrechen war das Tragen von „unislamischer Kleidung“. Auf einem ihrer letzten Bilder ist zu sehen, wie eine einzelne Haarsträhne aus ihrem schwarzen Kopftuch herausschaut. In Polizeigewahrsam schlugen die Beamten mit Schlagstöcken auf die junge Frau ein, die eine Woche später ihren 23. Geburtstag gefeiert hätte. Amini erlitt ein Schädel-Hirn-Trauma, wurde noch am gleichen Abend ins Krankenhaus eingeliefert, schon bei der Ankunft war sie medizinisch tot. Nach zweieinhalb Tagen im Koma wurde sie dann auch offiziell für tot erklärt.
Homosexuelle Hand in Hand mit Frauen
Seitdem protestieren tausende Frauen gegen das menschenverachtende Mullah-Regime, immer mehr schlossen sich inzwischen auch andere unterdrückte Gruppen den Protesten an, darunter auch die Gay-Community des Landes. Auch Schwulen und Lesben droht im Land der Tod, seit der Machtergreifung des Regimes vor rund 40 Jahren sollen über 6.000 homosexuelle Männer im Iran von staatlicher Seite ermordet worden sein.
Grabschändung bei den Opfern
Amnesty International zieht jetzt ein Jahr nach Beginn der Proteste eine bittere Bilanz – hunderte weitere Personen seien von den iranischen Sicherheitskräften rechtswidrig getötet worden. Inzwischen setzten die iranischen Behörden offenbar alles daran, die Familien der Getöteten weiter zu schikanieren und einzuschüchtern, um ihre Stimmen und Forderungen nach Rechenschaftspflicht zu unterdrücken. Es kommt erneut zu willkürlichen Festnahmen oder auch verwüsteten Grabstätten der ermordeten Menschen.
Amnesty International fordert für diese Familien die Möglichkeit, diesen traurigen Jahrestag ohne Repressalien begehen zu können. „Niemand ist bisher für diese brutale Unterdrückung zur Verantwortung gezogen worden. Amnesty International ist der Ansicht, dass die grausamen Methoden, die die Behörden gegen trauernde Familien einsetzen, gegen das im Völkerrecht verankerte absolute Verbot von Folter und anderer grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe verstoßen“, so Amnesty International weiter.
Grausamkeit kennt keine Grenzen
Diana Eltahawy, stellvertretende Direktorin für die Region Naher Osten und Nordafrika bei Amnesty International, stellt dabei zudem fest: „Die Grausamkeit der iranischen Behörden kennt keine Grenzen. Sie versuchen kaltblütig, ihre Verbrechen zu verschleiern, und sorgen dadurch bei den betroffenen Familien für noch mehr Leid und Schmerz, indem sie deren Forderungen nach Wahrheit, Gerechtigkeit und Wiedergutmachung unterdrücken und sie sogar daran hindern, auf den Gräbern der Getöteten Blumen zu pflanzen. Die internationale Gemeinschaft muss den Familien der Getöteten beistehen, indem sie die iranischen Behörden über diplomatische Wege und öffentlich dazu anhält, die Rechte auf Meinungs-, Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit im Land zu respektieren. Die Familien sind vor willkürlicher Inhaftierung, Bedrohung und anderen Vergeltungsmaßnahmen zu schützen.“
Willkürliche Verhaftungen
Außerdem fordert die Menschenrechtsorganisation abermals, dass der Iran auch all jene Personen freilassen müsse, die willkürlich und unrechtmäßig verhaftet worden sind – laut LGBTI*-Aktivisten dürften darunter auch mehrere hundert homosexuelle Männer sein. Amnesty International hat viele Verletzungen von grundsätzlichen Menschenrechten im Iran festgehalten und dokumentiert, inklusive konkreter Beweise für Folter und Mord. International ist bis heute keine entsprechend ausreichende Reaktion erfolgt. Auch die Familie von Jina Mahsa Amini selbst wird bis heute angegriffen, immer wieder wird auch das Grab der 22-jährigen Frau geschändet.
„Angesichts der systematischen Straflosigkeit im Iran fordert Amnesty International alle Staaten auf, unter dem Weltrechtsprinzip Haftbefehle für iranische Staatsbedienstete auszustellen, die begründeterweise der strafrechtlichen Verantwortung für völkerrechtliche Verbrechen während und nach den Protesten verdächtigt werden – dies gilt auch für Personen in Führungspositionen", so Eltahawy von Amnesty International abschließend.