Zweifel junger Schwuler Von Männlichkeitsanforderungen und Körpernormen
Körperkult und besondere Anforderungen und Vorstellungen an das Bild von Männlichkeit – bis heute müssen sich vor allem gerade auch junge Schwule damit herumschlagen. Und der Druck wächst, wie Sozialpädagoge und Dozent Lucas Deiner bestätigt.
Der Druck des schwulen Körperkults
Im Rahmen der Männer-Akademie im Schwulen Kommunikationszentrum Sub in München will Deiner nicht nur über Männlichkeitsideale aufklären, die junge Homosexuelle zunehmend unter Druck setzen, sondern auch Wege aus dem jugendlichen Karussell im Kopf anbieten.
„Die Lebensphase der Adoleszenz ist eine besondere Herausforderung. Junge Menschen festigen die Beziehung zu ihrem Selbst, verschiedenen sozialen Kontexten sowie zum eigenen Begehren und Körper. Dabei müssen sich schwule Jugendliche und junge Männer stets auch mit schwulen Männlichkeitsanforderungen und Körpernormen auseinandersetzen. Das erzeugt bei vielen eine eigene Qualität von Druck“, so der Experte.
Deiner trifft in seiner Arbeit als Sozialpädagoge bei der LGBTI*-Jugendorganisation diversity München oft auf junge Schwule mit solchen Problemen. „Dieser Druck kann am ehesten als Anpassungsdruck beschrieben werden, insbesondere auf der Ebene von Körperformung und männlicher Performance.“
Schwule Kommunikation online
Insbesondere beim Online-Dating erlebten die Betroffenen sehr schnell, was es scheinbar heißt, „schwul“ zu sein. Hier lernen junge Schwule laut Deiner eine „schwule Art der Kommunikation“: knapp, wirtschaftlich, oberflächlich. Alles wird aufs Sexuelle verkürzt. Zu einem gesunden Selbstbewusstsein trage dies nicht unbedingt bei. Und immer mehr kommen dabei erneut klassische Fragen und Unsicherheiten auf: Bin ich genug? Kann ich mithalten?
Und die Jugendlichen selbst? Deiner hat im Rahmen seiner Masterarbeit viele Interviews mit jungen schwulen Männern zu diesem Thema geführt: „Viele wünschen sich demnach dezidiert entsexualisierte Räume, wo es um sie als ganze Person geht und nicht um sie als schwulen Sexualpartner.“
Die reale Community als Gegenentwurf
Hilfe und einen Gegenpol könne hier insbesondere die nicht-kommerzielle Schwulenszene mit ihren Organisationen, Vereinen und Gruppen anbieten und so ein besonderes Empowerment ermöglichen, betont Deiner weiter. „Einmal, indem sie sich mit schwulen Männern und deren Körperbild abseits stereotyper Ästhetik und sexueller Performance auseinandersetze und zum anderen, indem sie die Vielfalt von Männerkörpern und Männlichkeiten zur Darstellung bringt. Damit kann sie Normen brechen.“
Der Sozialpädagoge wünscht sich, dass die Gay-Community mehr zu einem Ort von vielschichtigen Verbindungen wird. „Mein Anliegen wäre, dass am Ende klar ist, warum eine Beschäftigung mit dem schwulen männlichen Körper lohnend ist, genauso wie ein aufmerksamer Blick in die Szeneräume, die wir schaffen. Sie sollten inklusiv sein, um Schutzräume für alle schwulen Männer zu schaffen“, so Deiner.
Beim Vortrag im Sub wird Deiner detailliert auf die Thematik eingehen – begleitet wird der Abend von der Ausstellung von Alexander Deeg „Boudoir II“, der Schwerpunkt liegt auf „Normalität“, gezeigt werden „normale“ schwule Männer. Die Männer-Akademie im Münchner Sub gibt es seit 2013 mit dem Ziel, spezifische Anliegen von Männern mehr in den Fokus zu rücken, um die sich oftmals viel zu wenig gekümmert wird.
10. Dezember / 19:30 Uhr / Sub München