Streit um Regenbogenflagge Progressive-Flagge ist keine erlaubte Beflaggung
Der Streit um die richtige Flagge als Zeichen für die LGBTI*-Community spitzt sich in diesen Tagen zu – Hintergrund ist die eigenmächtige Entscheidung des Bundesfamilienministeriums unter Ministerin Lisa Paus, vor dem Haus die sogenannte Progessive-Flagge zu hissen. Diese zeigt neben den klassischen sechs Farben des Regenbogens auch weitere Symbole wie Streifen in mehreren Farben, die in Dreiecksform aufgebracht sind, und dazu zusätzlich einen Punkt – so soll in besonderer Weise auf trans- und nicht-binäre Menschen hingewiesen werden. Während sich sowohl innerhalb wie außerhalb der Community seit längerem heftige Diskussionen daran entzünden, ob die neue Flagge gerade durch das Herausstellen einzelner Teile der Community nicht diskriminierend und ausgrenzend ist, ist der Fall hier klar: Das Bundesfamilienministerium handelt eigenmächtig und rechtswidrig.
Das stellte jetzt unmissverständlich das Bundesinnenministerium (BMI) fest. Erst seit diesem Jahr ist offiziell das Hissen der Regenbogenflagge an staatlichen Bundesgebäuden zu besonderen Anlässen genehmigt, dazu zählt aktuell auch der Pride-Monat in Berlin. Im Beschluss der Bundesregierung wird dabei allerdings explizit festgehalten, dass die Ausnahme-Genehmigung nur für die klassische, sechsfarbige Regenbogenflagge Gültigkeit hat. Das BMI hatte bereits im Vorfeld im April und ein zweites Mal extra nur für Bundesfamilienministerin Paus im Juni auf diesen Sachverhalt hingewiesen, doch beide Schreiben ignorierte das Bundesfamilienministerium anscheinend komplett. Nach einer Anfrage des Ex-Bild-Chefredakteurs Julian Reichelt gab das BMI dies jetzt bekannt.
Eine Sprecherin des Bundesfamilienministeriums erklärte die Zuwiderhandlung mit folgenden Worten: „Als Gleichstellungsministerium sind wir stolz, dieses Jahr die Progress-Regenbogenflagge zu hissen, um ein Zeichen besonderer Solidarität auch mit allen Trans- und Inter-Personen zu setzen. Damit drückt das Haus unmissverständlich aus, für alle queeren Menschen einzustehen.“ Die illegale Beflaggung mag wie eine Bagatelle klingen, bedeutet aber rein rechtlich, dass ein deutsches Ministerium eigenmächtig eine politische Flagge gehisst hat, die nach dem Beflaggungserlass der Deutschen Bundesregierung nicht erlaubt ist – grundsätzlich wäre auch so jede andere illegale Beflaggung damit denkbar. Noch bis Freitag soll die Progessive-Flagge vor dem Bundesfamilienministerium hängen, Rechtsfolgen zieht das rechtswidrige Verhalten aber laut dem BMI derzeit nicht nach sich.
Zuletzt hatte der App-Anbieter Romeo mit über zwei Millionen schwulen und bisexuellen Nutzern erklärt, an der klassischen Regenbogenflagge festhalten zu wollen (SCHWULISSIMO berichtete), weil sie alle Menschen in der LGBTI*-Community ohne Hervorhebung einzelner Gruppen schon immer inkludiert hat: „Wir befürchten, dass die neue Flagge zu einer Spaltung führt und es noch schwieriger wird, Fortschritte zu erzielen. Deshalb glauben wir nicht, dass die neue Flagge international akzeptiert werden wird. Damit würden wir unsere EINE einfache Flagge verlieren, die uns weltweit vereint.“ Auch erkannte das Romeo-Team einen sozialen Druck innerhalb der Community, nur noch die neue Flagge verwenden zu sollen. Zuspruch für die klassische Regenbogenflagge kam von den meisten Nutzern bei Romeo ebenso wie von mehreren LGBTI*-Organisationen und Vereinen wie beispielsweise auch der LGB Alliance, die gegenüber Buzzfeed erklärte: „Die Regenbogen-Flagge war und ist immer ein Symbol der Vielfalt. Die vermeintlich progressive Flagge dagegen ist identitär ausgerichtet, indem sie einzelne Gruppen hervorhebt und somit völlig konträr zur Aussage der ursprünglichen Regenbogen-Flagge ist, die nie einen Unterschied zwischen Menschen gemacht hat!“