Stellungnahme New York Times Chefredakteur Kahn will auch weiterhin sachlich und kritisch über queere Themen berichten
Mit eindringlichen Worten wehrt sich die New York Times jetzt gegen Vorwürfe von queeren US-Organisationen, die dem renommierten Medienunternehmen vorgeworfen hatten, falsch und hetzerisch über Trans-Personen zu berichten. Besonders ärgerlich für die Times dabei ist, dass sich auch einige ehemalige sowie aktive Mitarbeiter des Hauses den Protesten angeschlossen hatten. In einem Memo an alle Mitarbeiter mahnte Chefredakteur Joe Kahn jetzt zur Besonnenheit und stellte dabei aber auch den hohen journalistischen Standard der Times heraus.
Hohe Standards für Times-Journalisten
Konkret sagte Kahn in seiner Nachricht: „Es ist nicht ungewöhnlich, dass externe Gruppen unsere Berichterstattung kritisieren oder Anhänger um sich scharen, die versuchen, unseren Journalismus zu beeinflussen. In diesem Fall haben sich jedoch Mitglieder unserer Belegschaft und Mitarbeiter der Times den Bemühungen angeschlossen. Ihr Protestbrief enthielt direkte Angriffe auf mehrere unserer Kollegen und nannte sie namentlich. Die Teilnahme an einer solchen Kampagne verstößt gegen den Wortlaut und den Geist unserer Ethikrichtlinien. Wir begrüßen und tolerieren nicht die Teilnahme von Times-Journalisten an Protesten, die von Interessengruppen organisiert werden, oder Angriffe auf Kollegen in sozialen Medien und anderen öffentlichen Foren. Wir haben auch eine klare Richtlinie, die es Times-Journalisten verbietet, den Journalismus eines anderen öffentlich anzugreifen oder ihre Unterstützung für solche Angriffe zu signalisieren."
Kritische Berichterstattung unerwünscht?
Federführend hatte die LGBTI*-Organisation GLAAD sowie weitere queere Aktivistengruppen aus den USA in einem öffentlichen Statement erklärt, dass die New York Times ihre Berichterstattung über Trans-Menschen sofort ändern müsse. So dürften keine kritischen Artikel mehr veröffentlicht werden, auch nicht zu umstrittenen Themen wie beispielsweise der Vergabe von Pubertätsblockern. Zudem solle unterbunden werden, dass vor allem die Wissenschaftsredaktion in Artikeln Fragen stellt, wenn es beispielsweise um die medizinische Behandlung von Trans-Menschen geht. Das ist aus Sicht der queeren Vereine eine falsche Berichterstattung, die zur “Verunglimpfung und Entmenschlichung“ führen würde.
In einzelnen Fällen verlangt GLAAD auch eine Änderung von Berichten, selbst wenn die Quellen dafür nicht belegt sind – die Times habe sozusagen auf Zuruf Texte zu ändern. Künftig habe die New York Times zudem nur noch auf „Trans-Quellen, Trans-Menschen und Organisationen, die mit Trans-Menschen arbeiten“ zu hören und solle auch mehrere Trans-Redakteure einstellen, denn selbst homosexuelle Times-Mitarbeiter seien für eine korrekte Berichterstattung beim Thema Transsexualität unzureichend, so GLAAD in dem Protestbrief weiter: „Es ist klar, dass die gleichgeschlechtlichen Autoren und Redakteure der Times – unabhängig von ihrer sexuellen Orientierung oder ihrer Zugehörigkeit zur Queer-Community – einfach nicht in der Lage sind, über transsexuelle Menschen und Themen korrekt zu berichten. Also lasst Trans-Menschen das tun.“

Monatelange Drohungen gegen Times-Journalisten
Times-Chefredakteur Kahn erklärt dazu in seinem Memo: „Unsere Berichterstattung über Transgender-Themen, einschließlich der angegriffenen Artikel, ist wichtig, ausführlich und sensibel geschrieben. Die Journalisten, die diese Geschichten produziert haben, haben dennoch monatelang Angriffe, Belästigungen und Drohungen ertragen. Der Brief ignoriert auch das starke Engagement der Times, über alle Aspekte von Transgender-Themen zu berichten, einschließlich der Lebenserfahrungen von Transgender-Menschen und der Vorurteile und Gewalt gegen sie in unserer Gesellschaft. Eine vollständige Liste unserer Berichterstattung kann jederzeit eingesehen werden, und eine Überprüfung zeigt, dass die Behauptungen dieser Gruppe nachweislich falsch sind.“
Zu dem strittigen Thema bezüglich Quellen erläuterte Kahn außerdem: „Die redaktionellen Richtlinien der Zeitung verlangen von den Reportern, dass sie bei der Pflege ihrer Quellen eine professionelle Distanz wahren, die frei von jedem Anflug von Voreingenommenheit ist, und dass sie sich bewusst sind, dass persönliche Beziehungen zu Nachrichtenquellen in tatsächliche oder scheinbare Bevorzugung ausarten können.“
Times begrüßt Debatten und stärkt ihre Autoren
Schlussendlich bekräftigt Chefredakteur Kahn, dass die New York Times an ihrer kritischen Berichterstattung festhalten werde, auch bei den Debatten rund um die Trans-Politik: „Wir sind uns bewusst, dass dies schwierige Themen sind, die viele Kollegen persönlich betreffen, darunter auch einige Kollegen, die selbst Transgender sind. Wir haben Diskussionen, Kritik und Debatten über unsere Berichterstattung begrüßt und werden dies auch weiterhin tun. Selbst wenn wir nicht einer Meinung sind, stärkt konstruktive Kritik von Kollegen, denen das Thema am Herzen liegt, die respektvoll und über die richtigen Kanäle geäußert wird, unsere Berichterstattung. Wir leben in einer Zeit, in der Journalisten regelmäßig unter Beschuss geraten, weil sie solide und wichtige Arbeit leisten. Wir sind verpflichtet, sie zu schützen und zu unterstützen. Ihre Arbeit zeichnet diese Institution aus und macht uns stolz.“