Sexuelle Orientierung Haben wir veraltete Vorstellungen vom klassischen Coming-Out?
Jeder fünfzehnte Brite hat innerhalb der letzten sechs Jahre seine sexuelle Orientierung neu definiert beziehungsweise sich geoutet – zu diesem Schluss kommt eine neue Studie aus Großbritannien. Damit haben rund sieben Prozent der britischen Bevölkerung zuletzt ihr persönliche sexuelle Definition angepasst – bemerkenswert dabei: Auch bei Menschen über 65 Jahren findet öfters als vermutet ein Coming-Out statt. Die britischen Forscher stellen daher die Frage auf, ob die klassischen Vorstellungen über das Coming-Out vielleicht inzwischen veraltet sind.
Langzeitstudie zum Thema sexuelle Orientierung
Ziel der Untersuchung war es, herauszufinden, wie „fließend“ die sexuelle Orientierung beziehungsweise die „sexuelle Identität“ sei, so der Hauptautor der Studie, Prof. Yang Hu von der Universität Lancaster. Fast 23.000 Personen wurden von Forschern der Universität anhand von Daten aus der britischen Haushalts-Längsschnittstudie innerhalb von sechs Jahren zweimal befragt. Das Ergebnis: Rund 6,6 Prozent der Briten hatten in diesem Zeitraum ihr Coming-Out beziehungsweise definierten ihre sexuelle Orientierung neu.
Outing vor allem in der Jugend oder im Alter
Der Blick ins Detail hält dabei einige Überraschungen bereit: Zu einer persönlichen neuen Definition der sexuellen Orientierung komme es demnach vor allem bei jungen Menschen zwischen 16 und 24 Jahren (7,9%) sowie bei älteren Erwachsenen ab 65 Jahren (7,4%); bei den 25- bis 64-Jährigen liegt die Quote zwischen fünf und gut sechs Prozent.
Die Studie geht nicht auf die Gründe für die Veränderungen ein, aber Hu stellt die Hypothese auf, dass Menschen in der Mitte des Lebens ihre sexuelle Orientierung aufgrund des Drucks des Arbeitsumfelds und anderer sozialer Institutionen möglicherweise weniger häufig ändern. Aus einem ähnlichen Grund finde auch häufiger ein Wechsel bei Frauen als bei Männern statt, vermutet Hu weiter und spricht von „starren Normen in Bezug auf die eigene Männlichkeit“.
Coming-Out in jeder Lebensphase
Nicole Denier von der University of Alberta in Kanada und Mitverfasserin des Berichts erklärte, dass sich ihrer Auffassung nach die „sexuelle Identität“ im Laufe des Lebens nicht stabilisiere. „Diese Annahme hat dazu geführt, dass sich viele Forschungsarbeiten auf die Adoleszenz als kritische Phase der Entwicklung der sexuellen Identität konzentriert haben. Unsere Ergebnisse deuten jedoch darauf hin, dass Veränderungen der sexuellen Identität bei älteren Menschen und über die gesamte Lebensspanne hinweg ein ebenso lohnendes Forschungsthema darstellen.“ Und ihre Kollegin Ibtisam Ahmed, Leiterin der Abteilung Politik und Forschung, ergänzt dazu: „Diese Studie zeigt deutlich, dass ein Coming-Out in jeder Lebensphase möglich ist und auch stattfindet.“