Direkt zum Inhalt
Sexuelle Orientierung
Rubrik

Sexuelle Orientierung Haben wir veraltete Vorstellungen vom klassischen Coming-Out?

ms - 05.09.2023 - 11:00 Uhr

Jeder fünfzehnte Brite hat innerhalb der letzten sechs Jahre seine sexuelle Orientierung neu definiert beziehungsweise sich geoutet – zu diesem Schluss kommt eine neue Studie aus Großbritannien. Damit haben rund sieben Prozent der britischen Bevölkerung zuletzt ihr persönliche sexuelle Definition angepasst – bemerkenswert dabei: Auch bei Menschen über 65 Jahren findet öfters als vermutet ein Coming-Out statt. Die britischen Forscher stellen daher die Frage auf, ob die klassischen Vorstellungen über das Coming-Out vielleicht inzwischen veraltet sind.

Langzeitstudie zum Thema sexuelle Orientierung

Ziel der Untersuchung war es, herauszufinden, wie „fließend“ die sexuelle Orientierung beziehungsweise die „sexuelle Identität“ sei, so der Hauptautor der Studie, Prof. Yang Hu von der Universität Lancaster. Fast 23.000 Personen wurden von Forschern der Universität anhand von Daten aus der britischen Haushalts-Längsschnittstudie innerhalb von sechs Jahren zweimal befragt. Das Ergebnis: Rund 6,6 Prozent der Briten hatten in diesem Zeitraum ihr Coming-Out beziehungsweise definierten ihre sexuelle Orientierung neu.  

Outing vor allem in der Jugend oder im Alter

Der Blick ins Detail hält dabei einige Überraschungen bereit: Zu einer persönlichen neuen Definition der sexuellen Orientierung komme es demnach vor allem bei jungen Menschen zwischen 16 und 24 Jahren (7,9%) sowie bei älteren Erwachsenen ab 65 Jahren (7,4%); bei den 25- bis 64-Jährigen liegt die Quote zwischen fünf und gut sechs Prozent.

Die Studie geht nicht auf die Gründe für die Veränderungen ein, aber Hu stellt die Hypothese auf, dass Menschen in der Mitte des Lebens ihre sexuelle Orientierung aufgrund des Drucks des Arbeitsumfelds und anderer sozialer Institutionen möglicherweise weniger häufig ändern. Aus einem ähnlichen Grund finde auch häufiger ein Wechsel bei Frauen als bei Männern statt, vermutet Hu weiter und spricht von „starren Normen in Bezug auf die eigene Männlichkeit“.

Coming-Out in jeder Lebensphase

Nicole Denier von der University of Alberta in Kanada und Mitverfasserin des Berichts erklärte, dass sich ihrer Auffassung nach die „sexuelle Identität“ im Laufe des Lebens nicht stabilisiere. „Diese Annahme hat dazu geführt, dass sich viele Forschungsarbeiten auf die Adoleszenz als kritische Phase der Entwicklung der sexuellen Identität konzentriert haben. Unsere Ergebnisse deuten jedoch darauf hin, dass Veränderungen der sexuellen Identität bei älteren Menschen und über die gesamte Lebensspanne hinweg ein ebenso lohnendes Forschungsthema darstellen.“  Und ihre Kollegin Ibtisam Ahmed, Leiterin der Abteilung Politik und Forschung, ergänzt dazu: „Diese Studie zeigt deutlich, dass ein Coming-Out in jeder Lebensphase möglich ist und auch stattfindet.“

ANZEIGE
ANZEIGE
ANZEIGE
ANZEIGE

Auch Interessant

Ein Land ohne Menschenrechte

LGBTIQ+ in Pakistan

Die Lage in Pakistan verschlimmert sich weiter, besonders für Schwule und trans* Menschen. Queere Verbände fordern nun mehr internationalen Einsatz.
Attacken in der U-Bahn

Massive Gewalt gegen LGBTIQ+

Alarm in New York: Die Angriffe in der U-Bahn auf LGBTIQ+-Menschen nehmen in letzter Zeit massiv zu – was kann dagegen getan werden?
Schwule Muskeln

Worauf legen Gays viel Wert?

Gibt es sowas wie schwule Muskeln? Spielt die sexuelle Orientierung eine Rolle beim Training? Eine neue Studie
Was sein Kurs für LGBTIQ+ bedeutet

Ist Spahn Brückenbauer oder Spalter?

Jens Spahn, CDU-Politiker und ehemaliger Bundesgesundheitsminister, steht kurz davor, neuer Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion zu werden
Hass und Diskriminierung

Zukunft in Großbritannien ungewiss

Die britische Konservative Partei plant, die polizeiliche Erfassung sogenannter „Non-Crime Hate Incidents“ (NCHIs) stark einzuschränken.
Offener Krieg gegen LGBTIQ+

Georgien am Abgrund

Die Regierung in Georgien geht immer radikaler und rabiater gegen die Community vor - doch nun formiert sich verstärkt Widerstand.
Späte Versöhnung

Das allererste Schwulengefängnis

In Australien gab es 30 Jahre lang das weltweit erste Gefängnis für Schwule. Nun wurde die Einrichtung als dunkles Kulturerbe des Landes anerkannt.