Selbstbestimmungsgesetz LSVD erhofft sich erneute Überarbeitung des Gesetzentwurfes
Nach wie vor spaltet der Streit um das geplante Selbstbestimmungsgesetz auch die LGBTI*-Community – nun fordert der Lesben- und Schwulenverband Deutschland (LSVD) zusammen mit rund 350 Personen aus der LGBTI*-Community Nachbesserungen und spricht von einer „klirrenden Ohrfeige“, die der aktuelle Gesetzesentwurf für Trans-Menschen sei – der Entwurf „schockiere“ dabei.
LSVD spricht von Misstrauensparagrafen
„Statt ihre Lebensrealitäten voll zu berücksichtigen, werden Vorurteile, Hass und Hetze im aktuellen Gesetzesentwurf zementiert“, so der LSVD in seinem Schreiben, das sich direkt an die Ampel-Koalition wendet. Im weiteren Verlauf spricht der Verein von einem „Misstrauensparagrafen“ und spielt dabei unter anderem auf die Regelung an, dass vor einem Personenstandswechsel die Daten der Person an mehrere Behörden in Deutschland zur Kontrolle weitergereicht werden. Das Innenministerium sowie vor allem das Bundeskriminalamt hatten darauf bestanden, damit Kriminelle sich nicht durch einen juristischen Geschlechtswechsel via Sprachakt der Verfolgung entziehen können.
Offene Fragen im Gesetzentwurf
Im Mai hatten zahlreiche Fachverbände die Chance genutzt, sich schriftlich zum Gesetzentwurf zu äußern, rund 50 Vereine sprachen sich dafür aus, etwa 30 Verbände übten starke Kritik, darunter auch mehrere schwul-lesbische Vereine. Nebst einem dann sehr vereinfachten Geschlechtswechsel bereits für Kinder und Jugendliche bemängeln die Kritiker auch die noch immer nicht klare gesetzliche Aufarbeitung bei der Frage nach Schutzräumen für Frauen und Mädchen – auch Befürworter sehen hier Nachholbedarf, denn noch immer ist nicht einwandfrei geklärt, wie und ob beispielsweise ein Sauna-Betreiber eine Trans-Frau den Zutritt ablehnen darf oder eben nicht. Greift hier das Anti-Diskriminierungsgesetz oder doch das Hausrecht? Ebenso auf Widerstand bei den Befürwortern stößt eine Wartezeit von drei Monaten, bevor ein Personenstandswechsel möglich ist.
Streitpunkt Kinder und Jugendliche
Der LSVD bekräftigt, dass von dem Expertenwissen im Kabinettsentwurf nichts berücksichtigt worden wäre. „Das ist ein unhaltbarer Zustand! Nach wie vor finden sich im Entwurf Formulierungen, die trans*, intergeschlechtlichen und nicht-binären Menschen gegenüber Misstrauen ausdrücken. Statt ihre Lebensrealitäten zu berücksichtigen, wird weiter Vorurteilen Raum gegeben.“
Kritiker bemängeln den Gesetzentwurf ebenso als mangelhaft, allerdings aus konträr anderen Gründen. Sie finden beispielsweise gerade mit Blick auf Jugendliche und Kinder es für falsch, dass alle bisher verpflichtenden psychologischen Beratungen oder Gutachten ersatzlos gestrichen werden. Mit Zustimmung ihrer Eltern können Kinder künftig in jedem Alter einen juristischen Geschlechtswechsel vollziehen, ab dem 14. Lebensjahr auch eigenständig, notfalls über das Familiengericht, wenn die Eltern dies nicht befürworten. Eltern drohen dabei künftig Konsequenzen, die je nach Fall bis hin zum (zeitweiligen) Entzug des Sorgerechts führen können. Der LSVD und die Erstunterzeichner fordern eine Selbstbestimmung von Jugendlichen ab 14 Jahren ganz ohne Einbeziehung der Eltern.
Richtlinien im Sport
Der LSVD kritisiert auch, dass im Bereich Sport die Regeln unabhängig vom Geschlechtseintrag festgelegt werden können – immer mehr internationale Sportverbände haben sich inzwischen weltweit dagegen ausgesprochen, dass beispielsweise Trans-Frauen bei Frauen-Wettkämpfen antreten dürfen. Die Einschätzung stützt sich auf mehrere Gutachten, die die körperliche Überlegenheit in diversen Bereichen von Trans-Frauen gegenüber biologischen Frauen belegen. Der LSVD bekräftigt, dass eine solche Regelung nicht erforderlich sei und Risiken der Diskriminierung mit sich bringe.
Selbstbestimmung für abgelehnte Asylbewerber
Ebenso Kritik übt der Verband an der Regelung, dass es im Umfeld eines Verteidigungsfalles nicht möglich ist, sein Geschlecht von männlich in weiblich ändern zu lassen. Außerdem wünscht sich der LSVD auch eine Selbstbestimmung für abgelehnte Asylbewerber und Personen ohne deutsche Staatsangehörigkeit oder einen Wohnsitz in Deutschland. Beim Offenbarungsverbot möchte der LSVD auch, dass die vermeintlichen Lücken geschlossen werden – diese sehen ein Ordnungsgeld von bis zu 10.000 Euro hauptsächlich dann vor, wenn bewusst ein Zwangs-Outing einer Trans-Person vorliegt.