Schweigen der Bundesregierung Amnesty International fordert schnelles Handeln in Afghanistan und spricht von einem Verbrechen gegen die Menschlichkeit.
Erst letzte Woche meldete sich das International Rescue Comittee, kurz IRC, mit einem flammenden Appell zu Wort und forderte von die deutsche Bundesregierung auf, ihren Versprechungen ähnlich Taten folgen zu lassen und den besonders gefährdeten Afghanen nach der Machtübernahme der Taliban vor zwei Jahren endlich zu helfen – darunter auch mehrere hundert homosexuelle Menschen sowie LGBTI*-Aktivisten, die im Land systematisch gejagt werden. Geraten sie in die Fänge der Taliban, werden sie inhaftiert, gefoltert und zumeist grausam hingerichtet.
Verbrechen gegen die Menschlichkeit
Nun schließt sich auch die Menschenrechtsorganisation Amnesty International diesen Forderungen an – nebst der dramatischen Lage für Homosexuelle prangert der Verein dabei auch die systematische Entrechtung von Frauen und Mädchen an; Amnesty International spricht inzwischen ganz offen von einem „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ und erklärt weiter: „Die Bundesregierung muss dringend eine schnelle, lückenlose Umsetzung des Bundesaufnahmeprogramms gewährleisten, damit Menschen, die durch die Taliban gefährdet sind, umgehend Schutz bekommen.“
Bundesregierung schweigt weiter
Ähnlich wie zuvor letzte Woche schweigt die Bundesregierung bis heute eisern auch jetzt zu allen Aufrufen – bereits mehrfach in den letzten Wochen und Monaten hatten auch bereits LGBTI*-Verbände wie der Lesben- und Schwulenverband Deutschland Alarm geschlagen. Das Auswärtige Amt sowie Außenministerin Annalena Baerbock schweigen trotzdem.
Amnesty International bekräftigt dabei, dass die letzten zwei Jahre auch deutlich gemacht hätten, dass man sich auf die Versprechungen der Taliban in puncto Menschenrechtslage nicht verlassen könne. „Zwei Jahre später zeigt sich deutlich: Das sind nichts als leere Versprechungen“, so Theresa Bergmann, Asien-Expertin bei Amnesty International in Deutschland.
Lage von Homosexuellen und Frauen
Auch NGOs in Deutschland bestätigen, dass die Lage sowohl für Homosexuelle wie auch für Frauen immer dramatischer wird – vor allem schwule Männer werden systematisch wie Freiwild gejagt und mit äußerster Brutalität abgeschlachtet. Frauen dürfen sich in der Öffentlichkeit nicht mehr ohne Begleitung eines ihnen nahestehenden Mannes aufhalten. Zugang zu Parks, Sporteinrichtungen und Cafés ist Frauen verboten worden.
Seit März 2022 dürfen Mädchen ab der siebten Klasse auch die Schule nicht mehr besuchen – das gilt in keinem anderen Land der Welt. Des Weiteren haben die Taliban in den vergangenen Monaten Frauen den Zugang zu Universitäten und die Arbeit für Nichtregierungsorganisationen sowie für die Vereinten Nationen verboten.
Folter und Hinrichtungen sind an der Tagesordnung
Die Taliban nehmen dabei allerdings nicht nur Frauen, Mädchen und Homosexuelle ins Visier, sondern auch Menschenrechtsverteidiger, Aktivisten, ehemalige Ortskräfte, Mitarbeiter der früheren Regierung oder Angehörige ethnischer und religiöser Minderheiten. „Willkürliche Verhaftungen, Verschwindenlassen, Folter und außergerichtliche Hinrichtungen sind seit zwei Jahren vielerorts an der Tagesordnung“, so Amnesty International weiter.
Versagen der Bundesregierung
Ein Jahr lang hatte die Bundesregierung gar nicht erst reagiert, dann entschied im Herbst letzten Jahres das Auswärtige Amt, künftig monatlich 1.000 Menschen aufnehmen zu wollen, darunter auch LGBTI*-Personen. Im März dieses Jahres hatte die Bundesregierung alle Visaverfahren für afghanische Staatsbürger dann allerdings wieder vorübergehend eingestellt. Auch das Bundesaufnahmeprogramm wurde ausgesetzt, weil vereinzelt NGOs offenbar ohne Überprüfung die Daten von ausreisewilligen Afghanen weitergegeben hatten, ohne die Bedürftigkeit tatsächlich zu prüfen. Seit Ende Juni läuft das Bundesaufnahmeprogramm wieder.
Doch mit dem im Oktober 2022 gestarteten Programm ist noch keine einzige gefährdete Person aus Afghanistan tatsächlich nach Deutschland gekommen, so Amnesty International. Bergmann dazu weiter: „Jeder zusätzliche Tag, an dem eine von den Taliban verfolgte Person auf die sichere Ausreise nach Deutschland warten muss, bedeutet für sie ein Risiko und kann sie im schlimmsten Fall das Leben kosten. Die Bundesregierung muss nun alles daransetzen, das Bundesaufnahmeprogramm endlich in die Praxis umzusetzen. Das bedeutet auch, die personellen Ressourcen in der Botschaft in Islamabad signifikant auszubauen.“ Wenig überraschend schweigt die Bundesregierung sowie Außenministerin Baerbock abermals bisher dazu.