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Rücktrittsforderung nach Flaggenskandal

Rücktrittsforderung nach Flaggenskandal Ist die CDU auf verzweifelten Stimmenfang bei der AfD?

ms - 29.07.2022 - 16:00 Uhr
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Der LGBTI*-Dachverband QueerNet Rheinland-Pfalz hat jetzt mit energischen Worten den Rücktritt des Mainzer CDU-Kreisvorsitzenden Thomas Gerster gefordert. Der Lokalpolitiker hatte Ende Juli einen Tweet auf Twitter abgesetzt, in dem er das Hissen der Regenbogenfahne einem Vergleich mit dem Naziregime unterzog: „Man hat schon einmal schwarz-rot-gold durch andere Farben ersetzt. Auch damals war das Ziel die Durchsetzung einer eigenen Weltanschauung. Spoiler: Es ging nicht gut.“ Nach den ersten digitalen Empörungswellen werden jetzt ganz offen und massiv Rücktrittsforderungen laut. 

QueerNet Rheinland-Pfalz hält dazu fest: „Offensichtlich wird dabei, dass er das Hissen der Regenbogenfahne, welches als Symbol für Vielfalt und Chancengleichheit aller sexuellen und geschlechtlichen Identitäten steht, als Ideologie versteht, die es scheinbar wie die Naziideologie zu verhindern gilt. Mit einer solch skandalösen Aussage über das Hissen einer Regenbogenfahne, hat Thomas Gerster wirklich jede Schallgrenze demokratischen Denkens überschritten“, so Diana Gläßer, Sprecherin von QueerNet RLP. Ihre Kollege Joachim Schulte ergänzt dazu: „Dieser Tweet zeigt, wo sich Thomas Gerster im Geschichtsunterricht befunden haben muss. Scheinbar auf dem Pausenhof. Hier wird nicht nur die Geschichte der systematischen Verfolgung, Unterdrückung und Vernichtung homosexueller Menschen geleugnet. Nein! Hier wird der offensive Einsatz für Vielfalt sogar mit einem diktatorischen Regime der Verfolgung und Vernichtung bestimmter Menschen-Gruppen gleichgesetzt. Eine derartige Geschichtsleugnung und Opfer-Täter Umkehr ist einem Politiker einer demokratischen Partei in unserem Land nicht würdig. Sie trifft Menschen in der LGBTI*-Community besonders hart, denn das Leid der Verfolgung homosexueller Menschen in der Nazi-Zeit und darüber hinaus in der Bundesrepublik Deutschland bis 1994, ist bis heute nicht gänzlich  aufgearbeitet.“

Warum der Lokalpolitiker so leichtfertig seine Worte gepostet hat, lässt sich indes nur spekulieren. Gerster selbst entschuldigte sich einen Tag später via Twitter und erklärte, dass er „keinesfalls Gefühle der Menschen der LGBTI*-Community verletzen wollte“. So einfach will QueerNet Rheinland-Pfalz den Lokalpolitiker allerdings nicht davonkommen lassen. Diana Gläßer weiter: „Dieser Tweet zeigt nicht nur die Geschichtsvergessenheit von Thomas Gerster, es sagt auch sehr viel über die Persönlichkeit des Menschen und Politikers aus. Neben einer queerfeindlichen Einstellung von Thomas Gerster, ist die CDU scheinbar systematisch auf Stimmenfang bei der AfD. Dass dort Wähler mit offen queerfeindlichen und antidemokratischen Denkweisen verortet sind, gehört scheinbar nun auch ins Parteiprogramm der CDU. Bereits vor einem halben Jahr ätzte die CDU-Politikerin Julia Klöckner in einem Tweet zum Queer-Wein gegen queere Menschen. Wir können es uns nur als pure Verzweiflung erklären, die bei der CDU herrschen muss, um mit solchen verbalen Tiefschlägen in die Öffentlichkeit zu gehen.“

Gerster betonte anderweitig, dass er mit seinen Worten nur das Hissen der Regenbogenfahne vor einem staatlichen Gebäude kritisieren wollte. Da es keine gesetzliche Definition dafür gibt, empfinde er dies als gefährlichen Schritt, so Gerster weiter. Zudem seien seine Ausführungen via Twitter privater Natur gewesen. Auch hier widerspricht Gläßer vom Dachverband ausdrücklich: „Politiker sind Personen der Öffentlichkeit. Ihre Arbeit als Politiker verrichten sie mit ihrer gesamten Persönlichkeit. Dieser Tweet zeigt die Abgründe einer Persönlichkeit eines christdemokratischen Politikers. Aus diesem Grund ist er als Politiker einer demokratischen Partei völlig ungeeignet. Wir fordern die CDU auf, ein Parteiausschlussverfahren anzustreben und fordern seinen Rücktritt. Dann kann er tatsächlich als Privatperson solche Meinungsäußerungen tweeten.“ Eine offizielle Stellungnahme von Seiten der Landes- oder Bundes-CDU gab es noch nicht.

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