Regenbogenfamilien im Fokus Diskriminierungen von Jugendämtern und Richtern
Die Hoffnungen in der Community sind nach wie vor groß, dass die schwarz-rote Regierung in dieser Legislaturperiode endlich eine Reform beim Abstammungsrecht auf den Weg bringt – ein enormer Schritt, insbesondere für lesbische Eltern und Regenbogenfamilien. Eine neue Befragung von Regenbogenfamilien in zwölf Bundesländern zeigt dabei erneut auf, wie wichtig das Vorhaben ist – und das der Status Quo vielerorts zur Zerreißprobe wird.
Mehrheitlich negative Erfahrungen
Der Landesverband LSVD+ Berlin-Brandenburg befragte homosexuelle und queere Eltern nach ihren Erfahrungen, über 80 Prozent von ihnen haben eine Stiefkindadoption bereits komplett vollzogen. Nach wie vor muss in Deutschland der nicht leibliche Elternteil eines Kindes dieses aufwendige und zumeist kostenintensive Verfahren durchlaufen. Ziel einer Reform ist es, dass bei lesbischen Paaren beide Frauen mit der Geburt des Kindes als Mütter anerkannt werden.
60 Prozent der befragten Familien mussten sechs bis zwölf Monate für eine Stiefkindadoption kämpfen, in jedem fünften Fall (21%) dauerte es sogar bis zu zwei Jahre. Mehr als zwei Drittel (68%) der Eltern fühlten sich weniger oder gar nicht wohl während des Prozesses. 60 Prozent der Regenbogeneltern mussten während der Stiefkindadoption auch negative Erfahrungen machen, zuallererst dabei bei Mitarbeitern von Jugendämtern (29%) aber auch bei Richtern (15%).
Vielerorts abwertende Kommentare
Soweit die nüchternen Fakten – deutlich noch trauriger wird die Sachlage mit Blick auf die persönlichen Schilderungen der Betroffenen. Immer wieder mussten sich viele von ihnen abwertende Kommentare oder grenzüberschreitende Fragen anhören, gepaart mit Unwissenheit über die Lebensrealität von homosexuellen Menschen. Sachbearbeiter bedauerten, dass das Kind „nie eine richtige Familie“ haben würde, andere waren sich sicher, das Kind werde einen Schaden davontragen mit zwei Müttern. Oder das Kind müsse in eine spezielle Kita für Jugendliche, die nicht „der Norm entsprechen“. Eine Richterin verglich eine Regenbogenfamilie mit Islamisten, die ja „auch nicht adoptieren dürften“.
In anderen Fällen mussten die Frauen erklären, ob sie davon ausgehen, dass sie wirklich dauerhaft lesbisch sein würden oder wie sie sexuell aufgeklärt worden wären. Eine Mutter wurde gefragt, ob sie wirklich ausschließen wolle, nicht doch lieber mit einem Mann zusammen zu kommen. Dazu kamen falsche Dokumente und Rechnungen, ewig aufgeschobene Hausbesuche oder auch eine Richterin, die eine Willensbekundung des Säuglings mittels Notar verlangte. Zum Glück allerdings mussten nicht alle Paare solche entwürdigenden Verfahren erleben, andere Familien berichteten auch von Empathie und einem professionellen Umgang im Behördenalltag. Insgesamt 40 Prozent aller Regenbogenfamilien machte keine negativen Erfahrungen.
Papiere, Dokumente, Zeugnisse
Während manche Behörden und Jugendämter dabei sachlich und professionell die wesentlichen Fakten abfragten, verlangen andere Einrichtungen deutlich mehr Unterlagen und Dokumente für eine Stiefkindadoption. Die Liste der einzureichenden Papiere ist lang und reicht unter anderem von Gesundheitszeugnissen, polizeilichen Führungszeugnissen, Einkommensnachweisen, Eheurkunden und ausführlichen Lebensberichten bis hin zu Schufa-Auskünften, Nachweise über Berufsausbildungen, Aufstellungen eines Haushaltsbudgets, Begründungen des Samenspenders oder eines Referenzberichtes einer dritten Person zur „Befähigung der Elternschaft“ sowie Stellungnahmen der Ex-Partner und Partnerinnen.
Unterschiedliche Samenspenden
Die Mehrheit der Kinder (40%) wurde durch eine private Samenspende gezeugt, in anderen Fällen (30%) wurde auf eine deutsche Samenbank oder eine Samenspende aus dem Ausland (25%) zurückgegriffen, dazu kamen zuletzt auch anonyme Samenspenden. Indes wächst der Druck auf die Bundesregierung, eine Reform beim Abstammungsrecht anzugehen – erst im Juni bestätigte ein Gericht in Baden-Württemberg erneut Handlungsbedarf. Mehrere Fachgerichte betreiben aktuell auch Normenkontrollverfahren, zusätzlich liegt dem Bundesverfassungsgericht eine Verfassungsbeschwerde einer betroffenen Familie vor. Zuletzt hatte sich Mitte Juli Bundesjustizministerin Stefanie Hubig (SPD) für eine Reform ausgesprochen. Inzwischen ein Drittel aller Adoptionen in Deutschland pro Jahr sind Stiefkindadoptionen bei lesbischen Paaren.