Direkt zum Inhalt
Rechte Bedrohung beim CSD

Rechte Bedrohung beim CSD! CSD Dessau-Roßlau erlebt Anfeindungen von verschiedenen Seiten

ms - 15.05.2023 - 10:00 Uhr
Loading audio player...

Über 110 Pride- und CSD-Veranstaltungen gehen in diesem Jahr deutschlandweit an den Start, darunter auch einige kleinere Events, die mit viel Mut und Tatkraft bunte Vielfalt in ihre Heimatregion bringen wollen. Einer davon ist der CSD in Dessau-Roßlau im Bundesland Sachsen-Anhalt. Nach einer jahrzehntelangen Pause gehen am kommenden Samstag zum zweiten Mal in der kreisfreien Stadt mit rund 80.000 Einwohnern schwule, lesbische und queere Menschen erneut auf die Straße, um für Ihre Rechte einzustehen.

In diesem Jahr nun wurde das Team des CSDs immer wieder von rechten Extremisten angefeindet und auch viele Plakate zerstört. Zudem entstand zuletzt der Eindruck, dass die Stadtverwaltung dem CSD bewusst Steine in den Weg legen will. SCHWULISSIMO fragte nach bei Dennés Deichsel, Presse-Beauftragter des CSD-Teams. 

Der CSD in Dessau-Roßlau hat vermehrt mit Angriffen seitens rechter Extremisten zu kämpfen, beispielsweise werden viele Plakate vom CSD an Laternen entfernt oder zerstört. Wie ist das allgemeine Klima hier?

Das allgemeine Klima ist schwierig, man merkt, dass besonders in Roßlau eine sehr starke, aktive rechte Szene am Werk ist. So kam es beispielsweise im vergangenen Jahr zu einer Flyer-Aktion vom sogenannten „Dritten Weg", welcher zu Störaktionen aufgerufen hat. Beim CSD selber kam es 2022 auf der Veranstaltung auch zu homophoben beziehungsweise queer-feindlichen Pöbeleien, welche aber sehr schnell von der Polizei unterbunden wurden.

Eine OECD-Studie hat im Frühjahr 2023 gezeigt, dass auch in Sachsen-Anhalt noch einiges getan werden muss in puncto Akzeptanz von LGBTI*-Menschen. Welche Probleme sind in Dessau-Roßlau besonders drängend? Und warum erleben LGBTI*-Menschen im Bundesland offenbar noch mehr Angriffe von rechter Seite als anderenorts?

Sachsen-Anhalt ist ein sehr ländlich geprägtes Bundesland. Sämtliche Präventions- und Aufklärungsangebote sowie Unterstützungsangebote für die LSBTIQ*-Community beschränkten sich in den letzten dreißig Jahren auf Magdeburg und Halle. Ein großes Problem sind auch die vor einigen Jahren geschaffenen Doppelstrukturen. So gibt es in Magdeburg und Halle jeweils eine halbe Landeskoordinierungsstelle, bei zwei unterschiedlichen, ortsansässigen, regionalen Trägern. Zudem findet im Prinzip keine Förderung queerer Strukturen im ländlichen Raum statt.

Was wünscht sich das Team des CSD Dessau-Roßlau von der Politik vor Ort – wie auch vielleicht auf Ländereben?

In erster Linie sind ernst gemeinte Unterstützungen für uns wichtig. Immer wieder müssen wir leider feststellen, dass gemachte Versprechungen nicht gehalten werden. Dazu zählt ebenfalls die fehlende, finanzielle Unterstützung für Projekte innerhalb von Dessau-Roßlau oder der Region. Der sogenannte Landesaktionsplan für Sachsen-Anhalt greift bei den Problemen im ländlichen Raum nicht. Strukturschwache Regionen haben andere Anforderungen an queere Unterstützung, als wie das bei Städten oberhalb von 100.000 Einwohnern der Fall ist. Durch das Fehlen von Safe-Spaces ist die Community in großen Teilen zudem dazu gezwungen, unter dem Radar zu leben und nicht entsprechend aufzufallen.

Der Stadtrat hat im März 2022 dem Verein 2.000,- Euro Finanzhilfe zugesprochen – angekommen ist das Geld laut eurer Aussage bis heute nicht. Auch ein Förderantrag beim Kulturausschuss im Januar 2023 blieb unbeantwortet. Warum mauern hier offensichtlich die Verantwortlichen?

Wir können den Prozess nicht nachvollziehen und er ist für uns auch nicht transparent. Der nachweislich postalische und digital übersendete Antrag wurde bis heute nicht beantwortet. Allgemein ist die Kommunikation mit der Verwaltung in Dessau-Roßlau sehr schwierig. Obwohl der CSD zum Beispiel seit dem vergangenen Jahr schon für den 20. Mai angemeldet war, kam es erst letzte Woche am 10. Mai wieder zu einer Drohung eines Mitarbeiters des Ordnungsamtes Dessau-Roßlau, dass die Veranstaltung nicht stattfinden könnte. Auch unser Partner, der sich seit Monaten darum bemüht, eine Abschlussparty nach dem CSD durchzuführen, steht immer noch ohne Genehmigung da. Immer wieder werden uns nicht nachvollziehbare Hürden und Anforderung auferlegt. Wir brauchen hier dringend die Unterstützung der regionalen Politik!

Dennés, besten Dank dir! Wir hoffen auf eine Besserung vor Ort und wünschen euch trotz alledem einen tollen CSD am kommenden Samstag!

Anzeige
ANZEIGE
ANZEIGE
ANZEIGE
ANZEIGE
ANZEIGE
ANZEIGE
ANZEIGE
ANZEIGE

Auch Interessant

Strafe, weil er CSD zuließ?

Anklage gegen Gergely Karácsony

Der Bürgermeister von Budapest sieht sich mit strafrechtlichen Ermittlungen konfrontiert, weil er die Pride-Parade im Juni 2025 ermöglicht hat.
Vorurteile im Kampf gegen HIV

Religiöser Hass in Uganda

Christliche Kirchen verhindern aus Homophobie in Uganda die Unterstützung von Menschen mit HIV, wie die jüngste UNAIDS-Studie belegt.
Rollback in Arlington

Ende bei Antidiskriminierungsschutz

Die erste Stadt in den USA, Arlington, hat jetzt die LGBTIQ+-Antidiskriminierungsgesetze aufgehoben. Eine Entwicklung mit landesweiter Signalwirkung.
Homosexuelle als Bedrohung

Neue Stigmata in Malaysia

Der größte islamische Jugendverein in Malaysia erklärte homosexuelle Menschen zur Bedrohung und fordert weitere Restriktionen gegen die Community.
Asyl für queere Flüchtlinge

Neues Zentrum in Amsterdam

In Amsterdam soll ein neues Asylzentrum nur für queere Flüchtlinge und alleinstehende Frauen entstehen.
Kontenlöschungen bei Meta

Queere Gruppen und Frauen betroffen

Meta steht massiv in der Kritik, zahlreiche Konten mit queeren Inhalten sowie zu Frauenrechten und Abtreibung gelöscht oder stark zensiert zu haben.
Neue Diskriminierung

Keine HIV-positiven US-Soldaten

Das US-Verteidigungsministerium will HIV-positive Soldaten entlassen. Ob das gelingt, ist derzeit Gegenstand einer juristischen Auseinandersetzung.
Klage gegen Erzbistum Köln

Vorwurf von sexuellem Missbrauch

Ein 70-jähriger Mann hat jetzt das Erzbistum Köln wegen mehrfachem sexuellen Missbrauch in seiner Jugend auf eine Million Euro Schmerzensgeld verklagt
Hassdelikt: Polizei ermittelt

Ein gezielter Tritt gegenLGBTIQ+

Ein Postbote in Belfast wurde entlassen, weil er einen Gartenwichtel in Regenbogenfarben samt Pride-Flagge mutwillig umstieß.