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Jugendliche schrieb: "Lasst LGBTQ-Menschen in Ruhe"

Polnische Aktivistin verhaftet Polizei fragt Priester, wie sie gegen Aktivistin vorgehen sollen

ms - 28.09.2022 - 15:00 Uhr
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Einmal mehr zeigt Polen, dass die Regierung und Teile der Bevölkerung nach wie vor sehr negativ gegenüber Schwulen, Lesben und queeren Menschen eingestellt sind. Der jüngste Zwischenfall ereignete sich in Toruń, eine von zwei Hauptstädten der polnischen Region Kujawien-Pommern. Die 17-jährige lesbische Aktivistin Malwina Chmara empörte sich über eine homophobe Demonstration am Markplatz der Stadt mit rund 200.000 Einwohnern. Menschen hielte Transparente in die Höhe, auf denen sie gegen die Rechte von Homosexuellen hetzten und diese mit Pädophilen gleichsetzten. Schlussendlich platzte der jungen Frau offensichtlich der Kragen – wütend schrieb sie mit Kreide auf den Bürgersteig vor die Kirche: "Lasst LGBTQ-Menschen in Ruhe!"

Das reichte offensichtlich aus, um sich den Zorn der örtlichen Polizei zuzuziehen. Zunächst versuchte die Aktivistin aus Bydgoszcz noch, als Gegenstimme sozusagen auch die Namen jener Priester auf den Bürgersteig zu schreiben, die tatsächlich der Pädophilie in Polen beschuldigt werden. Die Polizeibeamten waren jedoch schnell zur Stelle, setzten Chmara für eine halbe Stunde fest und beratschlagten sich währenddessen offensichtlich mit den Priestern der Kirche vor Ort, was nun mit der Aktivistin zu machen sei. Schließlich wurde Chmara festgenommen und abgeführt. Die Aktivistin dazu: "Ich war nicht aggressiv, ich habe nicht versucht, der Polizei zu entkommen, und die Beamten legten mir Handschellen an und zerrten mich zum Auto. Ich blieb während der gesamten Dauer der Festnahme in Handschellen.“ Passanten filmten die Szene – auf dem Video ist zu sehen, wie vier Polizisten zuerst die Jugendliche umringten und auf den Bürgersteig drückten, bevor sie sie rabiat ins Polizeiauto zerrten. 

Die junge Frau stellte das Video anschließend via Facebook online, um anderen LGBTI*-Aktivisten Mut zu machen und klarzustellen, dass nur aktiver Widerstand in Polen tatsächlich etwas verändern könne: "Wenn wir jemals wollen, dass etwas passiert, müssen wir rebellieren. Und natürlich wird die Polizei versuchen, das zu verhindern. Ich habe noch nie von einer großen sozialen Veränderung gehört, die mit voller Zustimmung der Gesellschaft, der Polizei und der Regierung stattgefunden hat. Ich glaube, dass wir eine andere Welt schaffen können, wenn wir uns mobilisieren und uns für einen systemischen Wandel einsetzen, jeder mit seinen eigenen Mitteln. Wir sind unaufhaltsam. Eine andere Welt ist möglich." Der Aufschrei über das rücksichtslose Verhalten der Polizei ist groß. Mehrere polnische Politiker verurteilten die Vorgehensweise scharf, beispielsweise die linke Abgeordnete Joanna Scheuring-Wielgus, die an den Polizeichef von Toruń gewandt, fragte: "Herr Kommissar, schützen die Polizisten von Toruń die Bürger oder die Kirche? Sollten die Polizeibeamten von Toruń den Pfarrer konsultieren, oder sollten sie sich vielleicht auf die Sicherheit der Bürger konzentrieren? Haben die Beamten aus Toruń nicht die persönliche Würde von Malwina verletzt, indem sie ihr Handschellen angelegt haben?"

Der prominente polnische LGBTI*-Aktivist Bart Staszewski erklärte indes gegenüber PinkNews: "Das räuberische Verhalten der Polizei ist ein Zeichen dafür, wie sehr sich Polen unter der Herrschaft der rechten Regierung verändert hat. Die Polizei verteidigt die Bürger nicht, sondern stellt sich gegen sie. Wie man sieht, braucht man kein russisches oder ungarisches homophobes Gesetz, um die Bürger einzuschüchtern." Positiv an solchen Vorfällen sei allerdings, dass sich immer mehr, vor allem junge Polen mit der LGBTI*-Community solidarisieren würden: "Wir haben ein sichtbares Wachstum der Unterstützung unter Jugendlichen und Erwachsenen für LGBT-Rechte in Polen, trotz der homophoben Agenda der Regierung gegen uns!“ Der 17-jährigen Polin droht aufgrund des “Anbringens von Aufschriften oder Zeichnungen an einem öffentlichen Ort ohne die Zustimmung des Verwalters dieses Ortes" eine Geldstrafe.

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