Direkt zum Inhalt
Polen stellt sich gegen Menschenrechte // IMAGO / newspix

Polen stellt sich gegen Menschenrechte LGBTI*-Rechte einmal mehr in Gefahr

ms - 11.03.2022 - 10:35 Uhr
Loading audio player...

Das polnische Verfassungsgericht hat jetzt in einem weiteren Urteil die Europäische Menschenrechtskonvention für, in weiten Teilen unvereinbar mit der Verfassung Polens erklärt. Demnach sei der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte mit Sitz in Straßburg nicht dazu befugt, die internen Verfahren der polnischen Justiz zu überprüfen und gegebenenfalls zu beanstanden.

Im Detail beziehen sich die Richter in Warschau dabei auf die landesspezifischen Zuständigkeiten und auf die eigenmächtigen Ernennungen und Absetzungen von Richtern und Staatsanwälten. Der höchste Gerichtshof Europas hatte Polen immer wieder wegen seiner umstrittenen Justizreform verurteilt, die im Grunde die wichtige Trennung zwischen Leglislative und Judikative in einer Demokratie komplett ausgehöhlt hatte.

Vereinfacht ausgedrückt hat die polnische Regierung damit die komplette Befugnis über höchstrichterliche und eigentlich unabhängige Urteile erlangt – ein Fakt, der gerade für die Menschenrechte von Minderheiten wie der LGBTI*-Community kein gutes Vorzeichen ist. Die strikte Trennung der einzelnen Organe einer Demokratie gehört zu den Grundpfeilern, die Rechtsstaatlichkeit und Freiheit für die Bevölkerung garantieren. Die Europäische Union hat auf diese erneute Eskalation noch nicht reagiert, aktuell ist der Ukraine-Krieg das nach wie vor bestimmende Thema.

Es könnte sich dabei um einen geschickten Schachzug Polens handeln, sich ausgerechnet jetzt abermals  gegen die allgemein verabschiedeten Menschenrechte in der Europäischen Union zu stellen, denn das Europäische Parlament kann aktuell höchstwahrscheinlich nicht mit der gebotenen Härte darauf reagieren, da mit Blick auf Russland die europäischen Länder demonstrativ Einigkeit zeigen wollen und müssen.

Leidtragende könnten im Speziellen Minderheiten sein, die der polnischen Regierung ein Dorn im Auge sind, allen voran die LGBTI*-Community. Zuletzt stand bereits ein Gesetzentwurf kurz vor dem Abschluss, der die Zensur an allen polnischen Schulen eingeführt hätte, wobei ein besonderes Augenmerk auf dem Verbot von LGBTI*-Themen lag.

Queere Lebenswelten sollten aus dem Unterricht unter massiver Strafandrohung komplett verschwinden und Lehrer hätten sich ihre Lehrpläne von einem neu geplanten Ministerium eigens absegnen lassen müssen. Überraschend hatte der polnische Präsident Andrzej Duda den fertigen Gesetzentwurf in letzter Instanz vorläufig beiseitegelegt, allerdings nur, um kritische Stimmen aus der Opposition und der Bevölkerung zum Schweigen zu bringen, um so parteiübergreifend neue Gesetze mit Bezug auf den Ukraine-Krieg durchsetzen zu können. Duda wollte Einigkeit demonstrieren, was ihm auch gelang.

Der queerfeindliche Gesetzentwurf ist dabei noch nicht ganz vom Tisch, der Präsident selbst äußerte sich in weiten Teilen wohlwollend darüber und betonte ferner:

 

„Dieser Gesetzentwurf enthält eine Reihe von Lösungen, die ich befürworte und von denen ich glaube, dass sie eingeführt werden sollten. Ich habe aber beschlossen, dieses Gesetz erst später zur erneuten Prüfung vorzulegen. Verschieben wir das auf später!“

 

Wann genau dieses „später“ sein wird, ließ Duda offen. Die nun erneut erfolgte Eskalation von Seiten der Richter in Warschau gegenüber den grundsätzlichen Menschenrechten in Europa lässt allerdings vermuten, dass sich die stark negative Gesinnung gegenüber LGBTI*-Menschen in Polen und die Versuche, eigenmächtig und abseits der internationalen Grundrechte Politik betreiben zu können, nicht grundsätzlich geändert haben.   

Anzeige
ANZEIGE
ANZEIGE
ANZEIGE
ANZEIGE
ANZEIGE
ANZEIGE
ANZEIGE
ANZEIGE

Auch Interessant

Opfer mit Böller angegriffen

Verdächtige 16 und 18 Jahre alt

Vor zwei Monaten kam es im Hamburger Stadtpark zu einem schwulenfeindlichen Angriff. Zwei Brüder wurden nun als Hauptverdächtige festgenommen.
Bilanz ESC 2025

Mehrwert für die Schweiz

Die Schweiz zieht ein positives Fazit über den ESC 2025 in Basel: Die Kassen klingelten und das Image hat sich deutlich verbessert.
Schwules Paar überfahren

Homophober Angriff in London

Mordprozess in London: Am Weihnachtsabend 2024 raste ein 30-Jähriger in eine Menschenmenge, darunter ein schwules Paar. Ein Mann starb dabei.
Lügen vor Millionenpublikum

Anti-LGBTIQ+-Rhetorik von rechts

In der „Tucker Carlson Show“ mit dem rechten Aktivisten Milo Yiannopoulos entlud sich wieder einmal eine Welle LGBTIQ+-feindlicher Rhetorik.
Lynchversuch an Universität

Student in Uganda angegriffen

Eine Gruppe homophober Studenten versuchte an der größten Universität in Uganda einen Kommilitonen zu ermorden. Jetzt hat der Fall erste Konsequenzen.
Neue Vorwürfe in England

Homophobie unter Polizisten

Erneut steht die britische Polizei in der Kritik: Verschleppte sie die Aufklärung von Raubüberfällen auf Schwule aufgrund von Homophobie?
Italiens neue Zensur

Verbotspläne schreiten voran

"Gott, Vaterland und Familie“: Nur Sexualkunde und LGBTIQ+ soll es an vielen Schulen Italiens bald nicht mehr geben, beschlossen die Parlamentarier.
Jugend unter Druck

Psychische Probleme stark vertreten

Viele queere Jugendliche haben Zukunftsängste, neuerdings auch mit Blick auf die Spaltung der Gesellschaft. Details offenbart eine neue Studie.