Neue Klage gegen Grindr Ein schwuler US-Priester klagt auf 5,8 Millionen Euro Schadensersatz aufgrund eines Zwangsoutings, an dem Grindr schuld sein soll
Der schwule App-Anbieter Grindr wird einmal mehr verklagt, dieses Mal allerdings nicht von einer Datenschutzbehörde wie in Norwegen, sondern von einem Priester – dieser soll durch die Nutzung der App als homosexuell geoutet worden sein.
Millionenklage nach Outing
Der Fall selbst nahm seinen Anfang im Jahr 2017: Der oberste Administrator der römisch-katholischen Bischofskonferenz in den USA, Monsignore Jeffrey Burrill, lud sich die schwule Dating-App auf sein Smartphone. Rund vier Jahre später veröffentlichte die erzkonservative katholische Gruppe „Catholic Laity and Clergy for Renewal“ (CLCR), die sich für eine Erneuerung der Kirche einsetzt, die sensiblen Daten von Burrill und outete ihn damit gegenüber seinen Vorgesetzten als schwul.
Der Priester musste daraufhin schlussendlich von seinem Amt zurücktreten. Nun verklagt er Grindr auf umgerechnet rund 4,6 Millionen Euro Schadensersatz, weil das US-Unternehmen nicht klar kommuniziert habe, dass die personenbezogenen Daten an Dritte weitergegeben werden.
Legaler Einkauf sensibler Daten
Grindr wurde in Norwegen aufgrund dieser Herangehensweise bereits zu einer Strafzahlung von umgerechnet 5,8 Millionen Euro verurteilt. Der App-Anbieter hat demnach zwischen 2018 und 2020 sensible Daten von Nutzern an Werbefirmen verkauft. Die erzkonservative Gruppe CLCR aus dem US-Bundesstaat Colorado wiederum kaufte legal die Daten über schwule und bisexuelle Priester von verschiedenen App-Unternehmen, darunter maßgeblich Grindr, aber auch Scruff, Growl und Jack´d, wie die Washington Post berichtet. Durch die genauen Standortdaten konnten so Geistliche exakt als Nutzer identifiziert werden.
Anschließend leiteten die gläubigen Hardliner diese gesammelten Informationen an die übergeordneten verantwortlichen Bischöfe weiter. Ziel der Aktion sei es gewesen, der katholischen Kirche „zu helfen“, denn jene Apps seien nur dazu da, um „zwanglose und anonyme sexuelle Kontakte anzubahnen, ein Verhalten, das alle Beteiligten schädigt. Als Teil unserer Analysearbeit haben wir gelernt, dass einige Geistliche öffentlich Interesse an Handlungen gezeigt haben, die ihrem Keuschheitsversprechen zuwiderlaufen“, so CLCR. Die Bischöfe konnten daraufhin frei entscheiden, wie sie die Daten handhaben wollten. Im Fall von Burrill erreichten die Daten auch die konservative katholische Newsplattform The Pillar, die sie schlussendlich veröffentlichte.
Forderung nach besserem Datenschutz
Nebst dem finanziellen Schadensersatz fordert Burrill in seiner Klage vor dem Superior Court in Kalifornien auch eine gerichtliche Anordnung, die es Grindr künftig verbieten soll, Nutzer-Daten ohne ausdrückliche vorherige Ankündigung an Dritte weiterzugeben. Hätte er damals gewusst, dass seine Daten weitergegeben würden, hätte er die App niemals benutzt, so Burrill.
Rechtsanwalt Gregory Helmer erklärte dazu: „Wir wollen Antworten, damit wir andere Grindr-Nutzer warnen können.“ Und sein Kollege James Carr, der Burrill ebenso vertritt, fügte hinzu: „Unser Mandant ist öffentlich als schwul geoutet worden. Es ist verwerflich, dass einem diese Entscheidung aus der Hand genommen und in die Öffentlichkeit getragen wird.“
Nach seinem Rücktritt vom Amt bei der Bischofskonferenz ernannte Bischof William Callahan den schwulen Priester im Jahr 2022 zum Pfarr-Administrator einer kleinen Gemeinde in La Crosse, Wisconsin. Burrills Anwälte erklärten, ihr Mandant „versuche immer noch, wieder auf die Beine zu kommen“ und leide unter „Scham und Peinlichkeit“.
Grindr widerspricht Anschuldigungen
Eine Sprecherin von Grindr betonte indes, das US-Unternehmen beabsichtige, „energisch auf diese Anschuldigungen zu reagieren, die auf falschen Darstellungen von Praktiken in Bezug auf Nutzerdaten beruhen.“ Nebst der Klage in Norwegen steht das Unternehmen allerdings derzeit auch in Großbritannien aus denselben Gründen vor Gericht – Grindr soll sensible Daten von schwulen Nutzern weitergegeben haben, darunter auch den HIV-Status von Männern. Auch hier droht dem Unternehmen nach britischem Recht eine Millionenstrafe.
Kontrolle ist eine Illusion
Chris Hoofnagle, der Fakultätsleiter des Zentrums für Recht und Technologie der Universität von Kalifornien in Berkeley, erklärte zu dem Fall gegenüber der Washington Post: „Es gibt diese Illusion der Kontrolle, wenn Benutzer persönliche Informationen in Anwendungen eingeben. Die Realität indes ist, dass es eine unvorstellbare Anzahl von Sicherheitsverletzungen gibt, von denen wir nie etwas hören, weil sie nicht bekannt werden.“