Neue Erkenntnisse bei HIV Bei der Risikobewertung einer HIV-Neuinfektion führt die WHO eine dritte Kategorie ein.
Die Weltgesundheitsorganisation WHO hat jetzt bei der zwölften Internationalen Aidskonferenz IAS im australischen Brisbane das Risiko einer HIV-Ansteckung in einigen Aspekten neu bewertet.
Konkret geht es dabei um die Viruslast bei Menschen mit HIV. Ist diese Viruslast bei weniger als 200 Viruskopien pro Milliliter Blut ist man für andere Sexualpartner nicht mehr ansteckend. Man spricht davon, dass das Virus nicht mehr nachweisbar ist. Liegt die Viruslast indes bei über 1.000 Kopien, besteht sehr wohl eine große Ansteckungsgefahr. Spannend für die Forscher war nun der Blick auf die Grauzone, in der die Viruslast zwischen 200 und unter 1.000 Viruskopien liegt – hier ist HIV durchaus nachweisbar, das Risiko einer Übertragung wurde von der WHO jetzt aber als „fast null oder vernachlässigbar“ eingestuft.
Gelbe Ampel bei der HIV-Diagnose
Dr. Lara Vojnov, Beraterin für Diagnostik im Globalen HIV-, Hepatitis- und STI-Programm der WHO, stellte dazu das neue Strategiepapier der WHO vor – dabei wurde die Formulierung mit Bedacht gewählt, um sie mit dem „Null-Risiko“ bei einer Viruslast unter 200 nicht gleichzusetzen. Die WHO hat dabei eine neue dritte Kategorie bei der HIV-Forschung und Prävention eingeführt.
Sozusagen die Farbe Gelb zwischen einer roten und grünen Ampel als besseren Wegweiser im Umgang mit HIV. Der Grund dafür ist die dringende Notwendigkeit, Viruslasttests als Standardbestandteil der HIV-Behandlung und -Pflege in allen Einkommensbereichen einzuführen. Noch vor Jahren galten Viruslasttests als eine Technologie, die für einkommensschwache Bevölkerungsschichten zu komplex und zu teuer war.
Neue Testverfahren – Hoffnung für die HIV-Behandlung
Die Folge: Oftmals wurden anstatt teurer regelmäßiger Tests nur die Symptome bei einem Menschen mit HIV als Grundlage für weitere Behandlungsentscheidungen herangezogen. Die neusten Studien legen dabei nahe, dass dieser Schritt oftmals zu verspäteten aber notwendigen Therapiewechseln führte, was schlussendlich zur Folge hatte, dass mehr Menschen bedingt durch AIDS starben.
Die inzwischen neu entwickelten Testverfahren indes können binnen Minuten die Viruslast feststellen (die sogenannten Point-of-Care-Tests), bei anderen neuen Testverfahren reicht sogar ein einziger Tropfen getrocknetes Blut aus. Damit erübrigen sich speziell gekühlte Lagerstätten für Blutproben und/oder der Versand per Post in spezialisierte Labore. Der einzige Nachteil dabei: Bei den neuen Testverfahren können nur genaue Zahlenwerte schnell ermittelt werden, wenn die Viruslast bei 1.000 Kopien oder höher liegt, darunter ist lediglich sichtbar, ob ein Test positiv oder negativ ausfällt, ohne dass er weiter quantifizierbar wäre.
Genauer Blick auf die Grauzone der Viruslast
Diese Grauzone agiere dabei wie eine gelbe Ampel, so die WHO – sie könne eine Warnung dafür sein, dass die Viruskopien ansteigen oder ein Indiz für Menschen mit gerade begonnener Therapie darstellen, dass die Zahlen fallen. Menschen, deren Viruslast in dieser Grauzone sind, sollten in drei Monaten einem erneuten Test unterzogen werden, so könne zeitnah auf die Entwicklung reagiert werden.
Dabei zeigte eine weitere Studie zudem auf, dass nur fünf Prozent der Menschen mit HIV sich überhaupt in dieser Grauzone befinden – entweder befindet sich die Viruslast über 1.000 oder unter 200. „Eine Viruslast im hohen Hunderterbereich ist oft vorübergehend, sie ist ´auf dem Weg nach unten´ wie bei Personen, die neu in die Therapie einsteigen, oder ´auf dem Weg nach oben´ wie bei Behandlungsversagen oder bei Adhärenz-Problemen, die zu einem Versagen führen könnten“, so die WHO.
Die neue Kategorisierung soll so sowohl im Bereich HIV-Prävention sowie auch bei der Behandlung selbst neue und schnellere Wege aufzeigen, um zielgerichteter handeln zu können. Untermauert wird das Vorgehen durch eine breit angelegte Untersuchungsreihe von insgesamt acht Studien, die jetzt auf der Konferenz vorgestellt worden sind.
Ansteckungsgefahr in der Viruslast-Grauzone
Vojnov von der WHO konnte dabei darlegen, dass eine Übertragung in dieser Grauzone äußert selten vorkommt. Bei der Untersuchung konnten die Daten von rund 4.800 Paaren herangezogen werden, bei rund 320 kam es zu einer HIV-Übertragung – nur in zwei Fällen lag die Viruslast des HIV-positiven Partners in dem Graubereich, in allen anderen Fällen fand eine Übertragung mit über 1.000 Viruskopien im Blut statt.
„Auf der Grundlage dieser Studien lässt sich also sagen, dass die Übertragung von einer Person mit einer Viruslast zwischen 600 und 1.000 sehr selten war und maximal 0,6 Prozent der beobachteten Übertragungen ausmachte; bei einer Viruslast unter 600 wurde keine Übertragung beobachtet“, so die WHO.
Das ist die wissenschaftliche Grundlage, auf der die neue Kategorisierung der WHO beruht. Vojnov betonte allerdings auch, dass die ursprüngliche Botschaft von U=U (Undetectable = Untransmittable oder „Unter der Nachweisgrenze = Unübertragbar“) unverändert bleibt, nämlich: „Menschen, die mit HIV leben und eine nicht nachweisbare Viruslast haben, haben kein Risiko, HIV auf ihre Sexualpartner zu übertragen.“