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Mpox in Russland
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Mpox in Russland Das homophobe Dogma der Regierung sieht vor, dass Affenpocken keine Gefahr sein dürfen

ms - 20.08.2024 - 11:00 Uhr

Vor einer guten Woche hat die Weltgesundheitsorganisation WHO aufgrund einer neuen Affenpocken-Variante (Mpox) die globale Notlage ausgerufen, die EU-Gesundheitsbehörde ECDC warnte kurz darauf vor einer möglichen neuen Mpox-Welle in Europa, nachdem ein erster Fall mit der neuen Mutation in Schweden registriert worden war - in Russland hingegen erklärten die zuständigen Behörden jetzt, das Virus stelle für das Land aufgrund seiner „traditionellen Werte“ kein Risiko dar. 

Die Mär von der Schwulenseuche

Anna Popowa, die Leiterin der russischen Verbraucherschutzbehörde, betonte so, dass deswegen in Russland keine Gefahr einer Ausbreitung von Mpox bestehe, weil bei der letzten Pandemie 2022 beinahe ausnahmslos schwule Männer betroffen gewesen seien und ausgelebte Homosexualität im Land eben nicht mit jenen „traditionellen Werten“ übereinstimmen würde. Seit der Verschärfung des Anti-Homosexuellen-Gesetzes und der Einstufung der LGBT-Bewegung als Terror-Organisation ist Homosexualität in Russland de facto verboten – ob das allerdings das Virus weiß, darf bezweifelt werden. 

Noch dazu stimmt die Mär von der „neuen Schwulenkrankheit“ von Popowa auch schlicht faktisch nicht, grundsätzlich können sich alle Menschen mit Mpox infizieren. In Afrika grassiert in immer mehr Ländern die neue Variante, die deutlich ansteckender ist und einen schweren Krankheitsverlauf zur Folge hat, mehrere hundert Menschen sind daran bereits in diesem Jahr verstorben – besonders betroffen sind Kinder und Menschen mit HIV. 

Russlands gefährliche Realitätsverweigerung 

Letzteres könnte daher gerade für Russland zu einem besonderen Problem werden, denn in Putins Reich leben über 1,1 Million Menschen mit HIV. Die Dunkelziffer dürfte noch einmal höher liegen, viele Russen lassen sich inzwischen gar nicht mehr testen oder selbst mit einem positiven HIV-Status behandeln aus Angst davor, als homosexuell abgestempelt zu werden und deswegen Repressalien befürchten zu müssen. Da kann eine neue, deutlich ansteckendere Variante der Affenpocken mit einer Sterberate von fünf Prozent und einer besonderen Gefährdung für HIV-positive Personen zu einem Problem werden. 

Homophobes Dogma verbietet Mpox-Infektion

Popowa indes erklärte weiter in Anspielung auf homosexuellen Sex, dass das „Verhalten“ bestimmter Menschen und Netzwerke die Übertragung erleichtere. „Wenn man bedenkt, wie Mpox verbreitet wird, bin ich mir absolut sicher, dass wir in Russland mit seinen traditionellen Werten diese Krankheit, die eine epidemische Krankheit ist, nicht zu fürchten brauchen“, so die Leiterin der russischen Verbraucherschutzbehörde weiter. 

Offiziell habe es in ganz Russland in den letzten zwei Jahren angeblich nur drei Mpox-Fälle gegeben, zuletzt sei das Virus bei einem Mann im Juli dieses Jahres aufgetreten, der von einer Reise aus Portugal zurückgekehrt war. Man habe die betreffende Person isoliert und die Infektion eingedämmt. In welchem Ausmaß die Pandemie in Russland seit 2022 tatsächlich grassierte, lässt sich also nur schätzen – weltweit erkrankten in den letzten zwei Jahren fast 100.000 Menschen daran. Die Ignoranz Russlands birgt dabei zusätzlich die Gefahr in sich, dass die Missachtung der tatsächlichen Mpox-Lage auf andere Regierungen in Osteuropa übergreift, wie das beim Thema HIV bereits heute Fakt ist.   

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