Kritik an der WHO Expertengremium zu queeren Gesundheitsaspekten sei einseitig, so die UN-Sonderberichterstatterin Alsalem
Die UN-Sonderberichterstatterin für Gewalt gegen Frauen und Mädchen, Reem Alsalem, hat der Weltgesundheitsorganisation (WHO) jetzt vorgeworfen, bei der Entwicklung neuer Leitlinien für Trans-Menschen einen einseitigen, pro-medizinischen Ansatz für die Versorgung zu verfolgen.
Erhebliche Interessenskonflikte?
Die WHO hat Ende letzten Jahres 21 Experten eingeladen, an der Formulierung von neuen Leitlinien bei der Versorgung von Trans-Menschen mitzuwirken. Die Zusammensetzung des Ausschusses löste allerdings nach Angaben des britischen Guardian bei einer Reihe von Frauenrechts- und LGBTI*-Organisationen Besorgnis aus, da sie auf eine mangelnde Meinungsvielfalt schließen lassen könne – nun hat sich auch Alsalem in den sich entwickelnden Streit eingeklinkt und erklärte, dass die einseitige Auswahl von Experten „erhebliche unkontrollierte Interessenskonflikte“ enthalte.
Experten wurden nicht eingeladen
Konkret kritisiert die UN-Fachexpertin für Frauen: „Interessenvertreter, deren Ansichten sich von denen der Transgender-Aktivistenorganisationen unterscheiden, wurden offenbar nicht eingeladen. Zu diesen Interessengruppen gehören Experten von europäischen Gesundheitsbehörden, die bei der Entwicklung eines evidenzbasierten und folglich vorsichtigen Ansatzes für Geschlechtsumwandlungen bei Jugendlichen – zum Beispiel England, Schweden und Finnland – die Führung übernommen haben.“
Die derzeitigen Ausschussmitglieder indes würden durchwegs nur „starke, einseitige Ansichten zugunsten der Förderung der hormonellen Geschlechtsumwandlung und der rechtlichen Anerkennung des selbstbestimmten Geschlechts“ vertreten. Ihr Resümee: „Kein einziges Ausschussmitglied scheint eine Stimme der Vorsicht für die medizinische Behandlung von Jugendlichen mit Geschlechtsdysphorie oder den Schutz von reinen Frauenräumen zu vertreten.“
Alsalem sagte weiter, es sei ein „bedeutendes Versäumnis“, dass dem Ausschuss keine Vertreter angehörten, die tatsächliche Experten für die Entwicklung von Jugendlichen seien, da „die überwiegende Mehrheit der Personen, die weltweit geschlechtsspezifische Dienste in Anspruch nehmen, heute Jugendliche und junge Erwachsene sind, die noch nie mit geschlechtsspezifischen Problemen konfrontiert waren.“
Kritik auch von Kliniken
Kritik kommt auch vom Clinical Advisory Network on Sex and Gender, ein Netzwerk von Kliniken vor allem im Vereinigten Königreich und in Irland, das sich mit der Debatte über Geschlecht und Gender im Gesundheitswesen befasst: „Es gibt keine soliden randomisierten, kontrollierten Studien, die geschlechtsangleichende medizinische und chirurgische Eingriffe unterstützen, und daher gibt es auch keine Studien, die uns etwas über die Wirksamkeit dieser Eingriffe bei Kindern oder Erwachsenen sagen.“
Laut dem Guardian haben sich weitere Organisationen darüber beschwert, dass die WHO die Positionen von Trans-Aktivisten zu übernehmen scheint, obwohl diese in vielen Ländern immer noch Gegenstand von Diskussionen seien.
WHO schweigt zur Kritik
Die WHO ging bisher nicht explizit auf die Kritik ein, erklärte aber, dass die neuen Leitlinien „eine Anleitung für Maßnahmen im Gesundheitssektor bieten, die darauf abzielen, den Zugang zu und die Inanspruchnahme von qualitativ hochwertigen und respektvollen Gesundheitsdiensten durch transsexuelle und geschlechtsspezifische Menschen zu verbessern.“
Die Leitlinien sollen sich dabei auf fünf Bereiche konzentrieren, darunter auch die „Bereitstellung geschlechtsspezifischer Versorgung, einschließlich Hormone“ sowie „gesundheitspolitische Maßnahmen, die eine geschlechtsspezifische Versorgung unterstützen, sowie die rechtliche Anerkennung der selbstbestimmten Geschlechtsidentität.“ Der Ausschuss soll im Februar am WHO-Hauptsitz in Genf zusammentreten, um die vorgeschlagenen Leitlinien zu prüfen.