Impfung gegen HIV? Kann der menschliche Körper „Superantikörper“ gegen HIV entwickeln?
Vier neue Studien machen aktuell Hoffnung drauf, dass es nach gut vierzig Jahren der HIV-Forschung in der Zukunft einen Impfstoff gegen das Virus geben könnte. Im Interview mit der Welt-Zeitung zeigte sich auch Hendrik Streeck, Direktor des Instituts für Virologie am Universitätsklinikum Bonn, zuversichtlich.
Superantikörper gegen HIV?
„Einige hundert klinische Studien wurden bisher durchgeführt, ohne großen Erfolg“, so Streeck. Das große Problem dabei ist bis heute, dass sich das HI-Virus sehr schnell immer wieder verändert, sodass mögliche Antikörper nach einer Impfung unwirksam sind. Die neue Idee nun: Mehrere getaktete Impfungen hintereinander sollen das Immunsystem so stärken, dass „breit neutralisierende Antikörper“ entstehen können, die dann in der Lage sein könnten, eine große Bandbreite von HI-Virusstämmen abzufangen. Die Rede ist von „Superantikörpern“.
Gezielte Arbeit an den Antikörpern
Das Grundprinzip konnte bereits bei HIV-Patienten beobachtet werden, allerdings entwickelten diese erst Jahre nach der Infektion in der Breite schützende Antikörper. Das Ziel ist es daher nun, bereits vor einer Neu-Infektion die Antikörper eines Menschen so fit zu machen, dass diese HI-Viren einfangen werden. Offenbar können die sogenannten B-Zellen des Immunsystems, die zuständig sind für die Antikörper-Bildung, gezielt in ihrer weiteren Entwicklung bestimmt und zu unterschiedlichen Zeitpunkten bearbeitet und damit gelenkt werden. „Vorher hat man es dem Zufall überlassen, nun gibt man die Richtung der Antikörperentwicklung vor“, sagt Streeck.
Tierversuche geben Hoffnung
Aktuell zeigen diese vier neuen Studien auf, dass ein solcher Schritt möglich sein kann. Die Fachpublikationen wurden jetzt veröffentlicht. Alle vier Studien haben auch bereits Tierversuche beispielsweise an Rhesusaffen und Mäusen durchlaufen. Die Bildung der Breitband-Antikörper konnte dabei allerdings noch nicht vollständig, aber zumindest bereits teilweise im Tierversuch erreicht werden.
„Die Studien sind beispielhaft für die Fortschritte beim rationalen Design von HIV-Impfstoffen“, bekräftigen so auch die Virologen Rogier Sanders aus Amsterdam und John Moore aus New York. Allerdings halten alle Forscher auch fest: Bis tatsächlich eine Impfung für den Menschen final entwickelt werden kann, können noch Jahre oder sogar Jahrzehnte vergehen.
Fast 40 Millionen Menschen weltweit leben aktuell mit HIV, über eine Million stecken sich jährlich neu an, etwa 600.000 sterben jedes Jahr. In Deutschland haben sich zuletzt 2022 rund 1.900 Menschen neu mit HIV infiziert, in rund 1.000 Fällen sind davon schwule und bisexuelle Männer betroffen – bei dieser Gruppe stagnieren die Fallzahlen, bei heterosexuellen Menschen steigen die Neu-Infektionen indes wieder an.