HIV-Politik in Deutschland Fachärzte betonen „fatale Fehlentwicklung“
Zum Welt-Aids-Tag am 1. Dezember kritisiert die Deutsche Arbeitsgemeinschaft ambulant tätiger Ärztinnen und Ärzte für Infektionskrankheiten und HIV-Medizin (dagnä) den aktuellen Umgang mit dem Thema HIV in Deutschland und spricht von einem „schwindenden Engagement zur HIV-Bekämpfung in der deutschen Gesundheitspolitik.“ Dagnä-Geschäftsführer Dorian Doumit betonte dabei eine „fatale Fehlentwicklung“.
Deutschland im Rückwärtsgang
Im Besonderen kritisierte die Organisation dabei den Beschluss der Bundesregierung, die deutschen Mittel für den Globalen Fonds zur Bekämpfung von HIV um knapp 25 Prozent zu kürzen und darüber hinaus die mangelnde Förderung des medizinischen Nachwuchses. Außerdem spricht die dagnä von einem „zunehmenden Desinteresse im Bundesministerium für Gesundheit (BMG) für die Themen HIV und Aids“ sowie von einer „diskriminierenden Praxis der meisten privaten Krankenversicherungen“ PrEP-Nutzer als „unversicherbares Risko“ einzustufen. Vorstandsmitglied Markus Bickel findet dazu klare Worte: „Aus unserer Sicht stellt das eine nicht tragbare Diskriminierung dar – hier werden Menschen abgestraft, die eine sinnvolle präventive Maßnahme nutzen, um Ihre Gesundheit zu schützen.“ Dabei verweist der Verein auch auf die jüngsten Zahlen des Robert Koch-Instituts (RKI), das zuletzt einen Anstieg der HIV-Neuinfektionen dokumentierte.
„Das darf in einem Land mit so exzellenten HIV-Versorgungsstrukturen wie Deutschland nicht passieren. Die seit Jahren zu beobachtende Zunahme neuer HIV-Infektionen hätte schon lange zu einer Verstärkung gesundheitspolitischer Maßnahmen führen müssen – doch bei der HIV-Eindämmung scheint es, als bewegten sich Bund und Länder mit Volltempo im Rückwärtsgang“, so Doumit weiter. Mit Blick auf das Ziel, HIV bis 2030 zu beenden, wie es die Agenda der Vereinten Nationen ist, betonte der dagnä-Geschäftsführer weiter: „Von diesen strategischen Bemühungen hören wir aus dem Bundesministerium für Gesundheit kaum noch etwas.“
Spielt HIV in der Regierung keine Rolle mehr?
Vorstandsmitglied Bickel bekräftigte zudem weiter, dass die Kürzung von finanziellen Mitteln beim Globalen Fonds schwerwiegende Konsequenzen habe: „Es gibt realistische Hochrechnungen, dass diese Einschnitte Millionen neue HIV-Infektionen auf der Welt zur Folge haben können. Das wird zunächst jene Länder am schwersten treffen, die jetzt schon am meisten mit HIV zu kämpfen haben – doch es ist klar, dass das Problem damit zeitverzögert auch in Deutschland massiver wird.“ Dazu komme, dass die Versorgung bundesweit mit HIV-Fachärzten in den nächsten Jahren immer schwieriger werde.
Doumit hält so abschließend fest: „Die Beispiele nähren unsere Vermutung, dass der Themenkreis HIV und Aids im Bundesministerium für Gesundheit (BMG) aktuell keine Rolle spielt – aus unserer Sicht eine fatale Fehlentwicklung.“ Die dagnä ist mit ihrer Einschätzung der Lage nicht allein, andere Fachorganisationen wie die Deutsche Aids-Gesellschaft (DAIG) oder die Deutsche Aids-Stiftung (DAS) haben sich in einem Positionspapier dieser Einschätzung angeschlossen.