Gefeiert von Zehntausenden Die Pride Parade in Tel Aviv ist die größte im Nahen Osten
Am Donnerstag nahmen mehr als 150.000 Menschen an der jährlichen Pride Parade in Tel Aviv teil. Es war die 25. Pride in der israelischen Küstenstadt, die unter LGBTI*-Personen als Oase der Toleranz gilt. Die Veranstaltung ist die größte ihrer Art im Nahen Osten. Das Event war die erste Pride Parade unter der neuen ultrarechten Regierung des Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu. Wegen des überaus heißen Wetters fanden Parade und Party dieses Jahr an getrennten Tagen statt.
Für LGBTI*-Rechte
Tel Avivs Bürgermeister Ron Huldai eröffnete die Parade mit den Worten: „Das Pride-Wochenende hat mit einer klaren Botschaft begonnen: Wir sind alle gleich, wir sind alle Menschen, und wir alle verdienen es, ohne Angst zu lieben, wen wir wollen.“ Außer Huldai durften wegen der politischen Spannungen dieses Jahr keine politisch Tätigen auf dem Event sprechen.
Die US-Botschaft sponserte zum ersten Mal einen Wagen. Botschafter Tom Nides behauptete gegenüber der Times of Israel, dass er neidisch gewesen sei auf den Wagen der Briten und deswegen einen US-Wagen veranlasste: „Ich will nie von den Briten übertrumpft werden“, scherzte er. In ernsterem Ton erklärte er anschließend: „Es geht tatsächlich darum, die Gemeinschaft zusammenzubringen. Es geht darum, unser Botschaftspersonal zusammenzubringen. Und es geht darum, unseren Respekt für die LGBTI*-Community und die Bedeutung der Demokratie hier in Israel zu zeigen.“
Ein großes Fest
Viele Teilnehmende waren dabei, weil sie sich von Stimmung mitreißen lassen wollten. So zum Beispiel die 26-jährige Elise Zhdanva, die sagte: „Es ist ein großes Fest und ich möchte heute dabei sein, um die LGBTI*-Gemeinschaft zu unterstützen.“ Die professionelle Drag-Queen Fluid Snow (32) aus Jaffa erklärte: „Das ist mir das Liebste auf der Welt. Ich darf in diesem Körper auftreten!“
Auch Menschen ohne israelische Staatsbürgerschaft nahmen an der Tel Aviv Pride teil. So zum Beispiel der 27-jährige Leon Müller aus Frankfurt und sein Freund. Sie reisten laut Stern „extra für die Pride“ nach Israel. „Wir haben viel darüber gehört, wir wollen die israelische Pride-Stimmung spüren“, erklärte er. „Wir lieben Tel Aviv, hier steigt die beste Party.“ Paul und sein Partner George reisten schon drei Mal zur Pride nach Israel.
Umstrittene Justizreform
Die israelische Regierung plant eine Justizreform, mit der die Befugnisse des Obersten Gerichts beschränkt werden soll. Israelische Minderheiten fürchten nun, dass bestehende Schutzmaßnahmen durch die Reform in Frage gestellt und letztlich beendet werden könnten. Das ist nicht unwahrscheinlich. Denn zur neuen Regierung gehören mehrere Personen, die sich in der Vergangenheit LGBTI*-feindlich äußerten. Und Koalitionspartner, die immer wieder gegen LGBTI*-Rechte stimmten.
Für die Demokratie
Seit 23 Wochen gibt es Proteste gegen die Justizreform in Israel. Auch bei der Pride-Parade war immer wieder der Ruf nach „Demokratie!“ zu hören. Tatsächlich nahmen einige Personen gezielt an der Veranstaltung teil, um gegen die innenpolitischen Lage zu protestieren. „Wir müssen zeigen, dass wir da sind, dass wir keine Angst haben und dass sie uns nicht wegsperren können“, erklärte beispielsweise die 22-jährige Studentin Yael Ben Yosef. „Wir werden weiter kämpfen, bis wir komplett gleichberechtigt sind.“
Der 38-jährige Omer Elad leitet das ortsansässige Gila Project zur Unterstützung von Trans-Personen. Er nimmt seit zwei Jahrzehnten mit seinen Eltern Tami und Shlomi an der Pride teil. Elad glaubt, dass die Teilnahme dieses Jahr besonders wichtig ist: „In der Knesset [dem israelischen Parlament] und in der Regierung gibt es Leute, die sich nicht schämen, transphobe und homophobe Dinge zu sagen und zu versuchen, unsere Existenz zu delegitimieren“, sagte er. „Für mich bedeutet es alles, hier zu sein und den Leuten zu zeigen, dass wir da sind.“
Elad nahm letzte Woche auch an der Pride Parade in Jerusalem teil. Dort ginge es „mehr um Koexistenz und Toleranz“. In Tel Aviv ginge es dagegen „darum, zu feiern und sich einen Platz im öffentlichen Raum zu erobern“. Außerdem sei das Wetter in Tel Aviv besser: In Jerusalem „trägst du keinen Tanga“.
Nicht ungefährlich
Trotz der feierlichen Stimmung erinnerten die stete Präsenz der Polizei und die Sicherheitskontrollen am Einlass des abgesperrten Geländes daran, dass in Israel eben nicht alles rosig ist. Die Maßnahmen verblüfften einige ausländische Teilnehmende: „Nun, das gibt es in den USA nicht“, wunderte sich ein Amerikaner über die Sicherheitskontrolle.
Terrorandrohungen und potenzielle Gewalt gegen LGBTI*-Personen sind in Israel keine Seltenheit. Erst kurz vor der Parade wurde ein bewaffneter Mann in der Nähe der Marsch-Route festgenommen. Außerdem wurde ein LGBTI*-Zentrum der Stadt mit rechtsextremem Graffiti besprüht.