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Frankie Goes to Hollywood
Rubrik

Frankie Goes to Hollywood Frontmann Holly Johnson wird mit einer Museumsausstellung und einer kleinen Tour geehrt

ms - 11.09.2024 - 15:15 Uhr

Die ehemalige schwule Kultband „Frankie Goes to Hollywood“ feiert in diesen Tagen ein besonderes 40-jähriges Jubiläum, Frontmann Holly Johnson wird zudem mit einer speziellen Museumsausstellung geehrt. Dem heute 64-jährigen schwulen Sänger und Texter ist dabei wichtig, auch das Thema HIV in den Fokus zu nehmen.  

Karriereende nach HIV-Prognose 

Das Stigma einer HIV-Infektion ist bis heute oftmals noch immer ein Problem für viele tauende schwuler Männer in Deutschland und weltweit. Zu Beginn der weltweiten Aidskrise waren die Erfahrungen mit Ausgrenzung und Mobbing dabei noch einmal größer, wie Johnson berichtete. Gegenüber der BBC erklärte der schwule Sänger, dass er von der Musikindustrie damals radikal abgewiesen worden ist, nachdem er 1993 in einem Interview seinen HIV-Status öffentlich gemacht hatte: „Es war ein bisschen wie ein Leben in der Wüste für etwa zehn Jahre lang. Die schwule Community unterstützte mich, ich hatte einige Auftritte in Clubs, aber größere Jobs waren zu dieser Zeit schwer zu bekommen. Ich wurde von der Musikindustrie sozusagen aussortiert.“

40 Jahre Relax

Das Museum in Liverpool nimmt sich jetzt Johnsons Lebensgeschichte an und beleuchtet dabei auch seinen Aufstieg und Fall als einer der ersten offen schwulen und offen HIV-positiven Künstler. Die Ausstellung markiert dabei auch den 40. Jahrestag der Veröffentlichung des Erfolgsalbums „Welcome to the Pleasuredome“, darauf finden sich bis heute die größten Hits der Band: „Two Tribes“, „The Power of Love“ und „Relax“ – in letzterem wurde sehr eindeutig das Hinauszögern einer Ejakulation besungen, unterstrichen durch Johnsons orgasmisches Knurren und Grunzen. 

Nach einem spektakulären und offen schwulen Auftritt bei Top of the Pops im Januar 1984 ging der Hitsong sofort durch die Decke. Die BBC stufte das Werk kurz darauf als obszön ein und verbot jede weitere Ausstrahlung – daraufhin landete „Relax“ fünf Wochen lang auf dem ersten Platz der Musikcharts und verkaufte sich allein in der ersten Woche über 250.000 Mal verkauft.  

Gefährliches Coming Out?

Zu Beginn seiner Karriere war dabei Homosexualität allein bereits ein Stigma, wie Johnson weiter berichtet: „Das Schwulsein wirkte in der Musikindustrie isolierend. Es gab eine Menge anderer schwuler Sänger, und allen wurde geraten, sich nicht zu outen. Es wurde als gefährlich angesehen, und es beeinträchtigte auch mancherorts das Profil meiner Band, beispielsweise in Mittelamerika.“ Nach dem Outing drehte sich in den Medien alles nur noch darum, was die Band für „schwule Dinge“ mache oder gesagt habe, es gab kein anderes Thema mehr. „Ich denke, das ist der Grund, warum die Pet Shop Boys in den 1980er Jahren im Verborgenen blieben.“

Das Musikmanagement hinter der Band habe dabei immer nur Geld im Blick gehabt, betont der 64-Jährige weiter: „Es war eine erstaunliche Zeit, aber es war auch eine Menge harter Arbeit und nicht so glamourös, wie man sich den Pop-Ruhm erträumt. Damals mussten wir uns fast zu Tode schuften. Das Motto lautete: Lasst sie uns melken, so lange es geht.“

Ein richtig guter Song

Die schwule Kulthymne „Relax“ ist bis heute dabei der Lieblingssong von Millionen schwuler Fans weltweit. Die Idee dazu kam Johnson auf dem Weg zum Probenraum in Liverpool, Johnsons Heimatstadt: „Es schwebte einfach plötzlich in meinem Kopf herum und ich begann es zu singen und steigerte mich immer weiter hinein. Irgendwann brach ich in Gelächter aus, während ich es sang, weil ich es richtig lustig fand. Ich habe nicht viel darüber nachgedacht, bis ich zur Probe kam und wieder anfing, es zu singen. Ich brauchte den Songtext nicht einmal aufschreiben. Er ist ganz einfach und ging mir nicht mehr aus dem Kopf, und das ist das Zeichen für einen guten Song.“

Eine besondere Ehrung 

Die Ausstellung in Liverpool ist dabei mehr als nur eine Ehrung der Band und seines Frontmannes, sondern versteht sich als Teil eines Projekts, dass das Erbe der LGBTI*-Community dokumentieren will. In Zusammenarbeit mit der Organisation Sahir für sexuelle Gesundheit wurde Johnsons Archiv durchforstet – zu sehen sind nun viele Gegenstände aus seiner Karriere, darunter Kostüme, Erinnerungsstücke, persönliche Audioaufnahmen von HIV-positiven Menschen und Gemälde des Sängers selbst. „Die Möglichkeit, diese Ausstellung mitzugestalten, war für mich wie ein Gewinn im Lotto. Als Teenager waren Musik und Kunst meine Leidenschaft. Alles, was mich jemals angezogen hat, habe ich durch eine queere Linse betrachtet und dabei unsere kontroverse Zukunft mit einbezogen, in der wir jetzt leben.“

Frankie, Freddie, Elton und George

Frankie Goes to Hollywood schrieb aber auch anderweitig Geschichte – vier der zehn meistverkauften Singles aller Zeiten in Großbritannien wurden von schwulen Männern geschrieben und gesungen: George Michael (Last Christmas); Freddie Mercury (Bohemian Rhapsody); Elton John (Candle in the Wind) und eben Holly Johnson mit „Relax“. Bis heute ist der Song auf Platz 6 der erfolgreichsten britischen Singles aller Zeiten in der Geschichte der Insel. 

„Ich fühle mich ziemlich eingeschüchtert, dass ich mich in solch illustrer Gesellschaft befinde. Ich habe Freddie oft in Clubs gesehen, aber ich war viel zu schüchtern, um ihn anzusprechen. Elton John lud mich einmal zum Abendessen ein und George Michael war auch da, aber es hat nicht gefunkt zwischen uns. Sie waren solche Megastars und ich fühlte mich nie so, als wäre ich in der gleichen Liga.“

Reminiszenz an Tom of Finland 

Zu seinem musikalischen Einfluss beim Hit „Relax“ betont Johnson weiter: „Tom of Finland war ein großer Einfluss. Man erzählte uns immer von der 'Zwielichtigen Welt der Homosexuellen', in der jeder einsam und unglücklich sei, aber er zeigte schwule Männer in einem anderen Licht  - glücklich, erfüllt und mit viel Spaß.“ Tausende schwule Männer erlebten mit der Band so auch ihr ganz eigenes Coming-Out: „Ich bekomme immer noch Nachrichten, in denen es heißt: 'Ich habe in einer Kleinstadt gelebt, und Sie waren für mich eine große Bestätigung meines Andersseins und meiner Sexualität'“, so Johnson weiter gegenüber der BBC. 

Er selbst wusste schon früh, dass er schwul war und schminkte sich bereits im Alter von 14 Jahren zusammen mit seinem Freund Honey Heath, sehr zum Unmut seines Vaters und seiner Mitschüler: „Wir wurden jedes Mal, wenn wir in die Schule kamen, verprügelt und bespuckt. Die Beschimpfungen waren körperlich und verbal, und das täglich. Also haben wir oft geschwänzt.“

Wunder der Wissenschaft

Und sein Leben mit HIV? Mit 31 Jahren sagte man ihm, er habe noch maximal zwei Jahre zu leben. „Enge Freunde und Mitbewohner starben etwa zur gleichen Zeit, als ich die Diagnose erhielt, und ich war überzeugt, dass ich der Nächste bin. Es ist ein Wunder der modernen Wissenschaft, dass ich immer noch hier bin.“ Durch Kombinationstherapien wurde Aids von einer tödlichen Seuche zu einer beherrschbaren Krankheit und rettete so auch Johnsons Leben. Auch deswegen wird im Juni 2025 der 40. Jahrestag von Frankies Debütalbum mit einer sechstägigen Tournee gefeiert, die ihn unter anderem in die Royal Albert Hall nach London führen wird. Die Museumsausstellung von Johnson wird am 14. September 2024 eröffnet und kann bis Ende Juli 2025 in Liverpool besucht werden. 

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