Enttäuschende EU-Politik Viele LGBTI*-Initiativen wurden in der EU ausgebremst, so das Resümee von ILGA Europe
Die internationale LGBTI*-Organisation ILGA Europe zieht eine bittere Bilanz über die letzten knapp fünf Jahre LGBTI*-Politik in der Europäischen Union – zwar hätte es mehrere gute Initiativen gegeben, doch diese seien oftmals enttäuschend ausgefallen oder wurden extrem ausgebremst.
Stolpersteine bei LGBTI*-Gesetzen
Herzstück des Engagements für Homosexuelle und queere Menschen in Europa war ab 2020 die erste EU-Strategie zur Gleichstellung von LGBTI*-Personen. Die EU-Kommission unternahm dabei auch Schritte, um die länderübergreifende Anerkennung gleichgeschlechtlicher Eltern zu gewährleisten, und schlug vor, Hassverbrechen und Hassreden gegen LGBTI*-Personen in den Straftatbestand der EU aufzunehmen.
Ob und falls wie mit der Neuwahl des EU-Parlaments in diesem Sommer und einer damit verstärkten Anti-LGBTI*-Front unter den Abgeordneten diese LGBTI*-freundliche Politik in den nächsten Jahren überhaupt noch fortgesetzt wird, ist offen. Doch auch die bisherige Bilanz bleibt bereits ernüchternd. So sind beispielsweise die nationalen Behörden zwar verpflichtet, die in einem anderen Mitgliedsstaat rechtmäßig begründeten elterlichen Bindungen anzuerkennen, doch müssen gleichgeschlechtliche Eltern in der Praxis oft langwierige und teure Verfahren vor den nationalen Behörden durchlaufen.
Eine EU-weite Vereinfachung scheitert an der vorgeschriebenen Einstimmigkeit aller Mitgliedsstaaten im Europäischen Rat. Einer von vielen „Stolpersteinen“ in der EU, die dazu beitragen, dass Gesetze für LGBTI* oftmals verpuffen oder kaum Wirkung erzielen können.
Angriffe auf LGBTI* nimmt zu
„Die Verwendung von Anti-LGBTI*-Rhetorik und -Strategien durch die Rechtsextremen stellt eine weitere Herausforderung dar: LGBTI*-Personen stehen heute in einer Weise im Mittelpunkt belasteter politischer Debatten, wie sie es noch vor fünf Jahren nicht waren. Es hat eine deutliche Zunahme dessen gegeben, was wir als politische Homophobie oder Transphobie bezeichnen“, so Brian Finnegan, Direktor für Kommunikation bei ILGA Europe.
Dabei macht der internationalen Organisation eine Entwicklung besonders Sorgen – die Bedenken von LGBTI*-freundlichen Politikern: „Es handelt sich hierbei um Menschen, die zwar persönlich die Rechte von LGBTI* unterstützen, aber zögern, sich politisch zu engagieren, weil das Thema so umstritten ist. Noch vor fünf Jahren, während des Wahlkampfs zum Europäischen Parlament 2019, war die Unterstützung von LGBTI*-Rechten für viele politische Akteure eher eine Selbstverständlichkeit. Jetzt ist es schwieriger geworden, die Menschen mit ins Boot zu holen. Dies ist eine direkte Folge der Verbreitung hasserfüllter rechtsextremer Narrative in Europa, die sich gegen uns richten“, betont Finnegan weiter.
LGBTI*-Unterstützer in der Minderheit
Im Vorfeld der EU-Wahl hatte ILGA Europe die Kandidaten für das Parlament deswegen dazu aufgerufen, sich klar zu LGBTI* zu bekennen – schlussendlich schafften es 164 von ihnen ins EU-Parlament, sie stellen damit eine Minderheit von unter 30 Prozent, deutlich weniger als die Anti-LGBTI*-Front, die mindestens 35 Prozent der Abgeordneten hinter sich vereinen kann. Umso wichtiger sei es jetzt, die einzelnen LGBTI*-Communitys in den Ländern stärker zum mobilisieren, damit diese sich mit ganzer Kraft für eine bessere Politik in ihren europäischen Heimatländern einsetzen, so Finnegan abschließend.