Ein Pride für alle Menschen Denken Pride-Teilnehmer und Veranstalter zu wenig an LGBTI*-Menschen mit Behinderung?
Einmal mehr gehen LGBTI*-Menschen zu Millionen in Deutschland und Europa während der Pride-Paraden in diesem Sommer auf die Straßen, um für mehr Gleichberechtigung, Akzeptanz und Inklusion zu demonstrieren. Doch wie groß wird Gleichberechtigung unter LGBTI*-;Menschen eigentlich selbst geschrieben? Oder anders gefragt: Wie sehr diskriminiert sich die Community untereinander?
Diskriminierung in der Community
Die Frage nach dem Verhalten der Community untereinander, existiert bereits seit Jahren, verstärkt durch das Aufkommen von schwulen Dating-Apps, deren User gerne einmal ganz direkt schreiben „Bitte keine Dicken, Tunten, Brillenträger und Bartträger“. Das Phänomen ist auch in der britischen Community nur allzu gut bekannt, moniert jetzt die Wohltätigkeitsorganisation Just Like Us (JLU), die sich verstärkt für junge LGBTI* Menschen zwischen 18 und 25 Jahren einsetzt. Es gibt dabei eine weitere Gruppe von Menschen, die in der queeren Community noch immer benachteiligt und diskriminiert wird kritisiert JLU-Botschafter Roan Mclean: Die Rede ist von behinderten Personen.
Prides für die Mehrheit der Minderheit
Mclean selbst ist Autist und sagt: „Pride-Veranstaltungen sind für die Mehrheit der Menschen gedacht, die nichtbehinderten und neurotypischen Menschen. Leider habe ich, wie viele von uns, eine versteckte Behinderung (…) Da ich schon an so vielen Veranstaltungen teilgenommen habe, bin ich ein Profi im Umgang mit meiner Behinderung bei der Pride. Ich weiß, wann die Umgebung zu viel für mich ist. Bei den meisten Pride-Veranstaltungen versuche ich, einen Behindertenausweis zu bekommen, der mir Zugang zu weniger überfüllten Bereichen verschafft, wo ich den Platz habe, den ich brauche, und ich habe immer mein 'Pride Survival Kit' dabei, das enthält einige Dinge, die mir helfen, meine Ängste abzubauen und eine Reizüberflutung zu vermeiden, beispielsweise Ohrenstöpsel.“
Schlechte Erfahrungen beim Berliner Pride
Trotz bester Vorbereitung erlebe er als Autist aber immer wieder, dass ein Pride auch zu anstrengend für ihn sein kann, gerade dann, wenn andere Community-Menschen nicht Rücksicht nehmen oder mitdenken: „Ich habe mich in Berlin an einen Laternenpfahl geklammert, um nicht benommen durch die Menge geschubst zu werden“, so Mclean weiter.
Immer wieder müsse er sich dann auch anhören, dass er doch mit seiner Behinderung einfach nicht an einem Pride teilnehmen solle – genau solche Aussagen sind dabei im Grundsatz eine Bankrotterklärung der gesamten Veranstaltung, die für Inklusion und Zusammenhalt wirbt. Hier gilt es laut Mclean mehr Mitzudenken, seitens der Besucher ebenso wie beim Organisations- und Sicherheitsteam.
Barrierefreiheit und unbefestigtes Gelände
Daneben erleben viele Menschen mit anderweitigen Behinderungen, beispielsweise bei körperlichen Beeinträchtigungen, dass auch in Sachen Barrierefreiheit noch Verbesserungspotenzial bei vielen Prides in Europa bestehe. Oftmals ändern sich auch kurzfristig noch Routen oder das Gelände selbst ist schwierig und/oder unbefestigt, das führe zu weiteren Problemen.
Trotzdem will Mclean nicht darauf verzichten, denn als queerer Mann sei der Pride besonders wichtig für ihn: „Ich liebe es, von anderen LGBTI*-Menschen umgeben zu sein und die Möglichkeit zu haben, zu feiern, indem man sich selbst ausdrückt, was man den Rest des Jahres oft nicht tun kann. Ich hoffe daher einfach, dass alle Pride-Veranstaltungen zugänglicher werden, damit alle LGBTI*-Menschen mit Behinderungen die Freude erleben können, die ich und so viele andere haben.“