Direkt zum Inhalt
Ein Pride für alle Menschen
Rubrik

Ein Pride für alle Menschen Denken Pride-Teilnehmer und Veranstalter zu wenig an LGBTI*-Menschen mit Behinderung?

ms - 02.08.2024 - 12:00 Uhr

Einmal mehr gehen LGBTI*-Menschen zu Millionen in Deutschland und Europa während der Pride-Paraden in diesem Sommer auf die Straßen, um für mehr Gleichberechtigung, Akzeptanz und Inklusion zu demonstrieren. Doch wie groß wird Gleichberechtigung unter LGBTI*-;Menschen eigentlich selbst geschrieben? Oder anders gefragt: Wie sehr diskriminiert sich die Community untereinander?

Diskriminierung in der Community

Die Frage nach dem Verhalten der Community untereinander, existiert bereits seit Jahren, verstärkt durch das Aufkommen von schwulen Dating-Apps, deren User gerne einmal ganz direkt schreiben „Bitte keine Dicken, Tunten, Brillenträger und Bartträger“. Das Phänomen ist auch in der britischen Community nur allzu gut bekannt, moniert jetzt die Wohltätigkeitsorganisation Just Like Us (JLU), die sich verstärkt für junge LGBTI* Menschen zwischen 18 und 25 Jahren einsetzt. Es gibt dabei eine weitere Gruppe von Menschen, die in der queeren Community noch immer benachteiligt und diskriminiert wird kritisiert JLU-Botschafter Roan Mclean: Die Rede ist von behinderten Personen. 

Prides für die Mehrheit der Minderheit 

Mclean selbst ist Autist und sagt: „Pride-Veranstaltungen sind für die Mehrheit der Menschen gedacht, die nichtbehinderten und neurotypischen Menschen. Leider habe ich, wie viele von uns, eine versteckte Behinderung (…) Da ich schon an so vielen Veranstaltungen teilgenommen habe, bin ich ein Profi im Umgang mit meiner Behinderung bei der Pride. Ich weiß, wann die Umgebung zu viel für mich ist. Bei den meisten Pride-Veranstaltungen versuche ich, einen Behindertenausweis zu bekommen, der mir Zugang zu weniger überfüllten Bereichen verschafft, wo ich den Platz habe, den ich brauche, und ich habe immer mein 'Pride Survival Kit' dabei, das enthält einige Dinge, die mir helfen, meine Ängste abzubauen und eine Reizüberflutung zu vermeiden, beispielsweise Ohrenstöpsel.“

Schlechte Erfahrungen beim Berliner Pride

Trotz bester Vorbereitung erlebe er als Autist aber immer wieder, dass ein Pride auch zu anstrengend für ihn sein kann, gerade dann, wenn andere Community-Menschen nicht Rücksicht nehmen oder mitdenken: „Ich habe mich in Berlin an einen Laternenpfahl geklammert, um nicht benommen durch die Menge geschubst zu werden“, so Mclean weiter. 

Immer wieder müsse er sich dann auch anhören, dass er doch mit seiner Behinderung einfach nicht an einem Pride teilnehmen solle – genau solche Aussagen sind dabei im Grundsatz eine Bankrotterklärung der gesamten Veranstaltung, die für Inklusion und Zusammenhalt wirbt. Hier gilt es laut Mclean mehr Mitzudenken, seitens der Besucher ebenso wie beim Organisations- und Sicherheitsteam. 

Barrierefreiheit und unbefestigtes Gelände

Daneben erleben viele Menschen mit anderweitigen Behinderungen, beispielsweise bei körperlichen Beeinträchtigungen, dass auch in Sachen Barrierefreiheit noch Verbesserungspotenzial bei vielen Prides in Europa bestehe. Oftmals ändern sich auch kurzfristig noch Routen oder das Gelände selbst ist schwierig und/oder unbefestigt, das führe zu weiteren Problemen. 

Trotzdem will Mclean nicht darauf verzichten, denn als queerer Mann sei der Pride besonders wichtig für ihn: „Ich liebe es, von anderen LGBTI*-Menschen umgeben zu sein und die Möglichkeit zu haben, zu feiern, indem man sich selbst ausdrückt, was man den Rest des Jahres oft nicht tun kann. Ich hoffe daher einfach, dass alle Pride-Veranstaltungen zugänglicher werden, damit alle LGBTI*-Menschen mit Behinderungen die Freude erleben können, die ich und so viele andere haben.“

ANZEIGE
ANZEIGE
ANZEIGE
ANZEIGE

Auch Interessant

Mahnung zur Migrationspolitik

Rechte von LGBTIQ+-Flüchtlingen

Amnesty International mahnt an, dass bei den schwarz-roten Koalitionsverhandlungen die Migrationspolitik überdacht werden muss, auch bei LGBTIQ+.
Grundgesetzänderung

Linke queer kritisiert Kai Wegner

Koalitionsverhandlungen zwischen Union und SPD: Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner (CDU) hofft auf eine Grundgesetzänderung für LGBTIQ+.
Chemsex-Notlage in London

Ärzte-Alarm: Jeden Tag ein Notfall

Die Chemsex-Lage in London ist außer Kontrolle, jeden Tag kommt es zu lebensgefährlichen Notfällen, warnen jetzt Gesundheitsexperten.
Tiefe Risse in der US-Politik

Das Schweigen der US-Demokraten

Tiefe Risse in den USA: Queere US-Verbände zeigen sich empört über zu wenig Einsatz für LGBTIQ+ seitens der Demokraten und verlieren das Vertrauen.
Aufruf zu Protesten

Zusammenhalt in Ungarn

Ungarns Präsident Victor Orbán will den Budapest Pride unterbinden – dagegen regt sich jetzt international Widerstand.
Peggy Parnass ist tot

Ikone der Schwulenbewegung

Peggy Parnass ist tot. Die Ikone der Schwulenbewegung starb im Alter von 97 Jahren in Hamburg.
Diskriminierung in den USA

Studie enthüllt dramatische Lage

Ablehnung, Mobbing, Hass: Diskriminierung ist inzwischen für jeden dritten LGBTIQ+-Amerikaner Alltag, so neuste Studiendaten.
Eurovision Song Contest

Song-Überarbeitung und Absage

Die Fan-Kritik zeigte Wirkung: Das ESC-Team hat den deutschen Beitrag „Baller“ von Abor & Tynna überarbeitet. An anderer Stelle gab es eine Absage.
Todesfall Roman Mercury

Todesursache sorgt für Bestürzung

Bestürzung im Todesfall Roman Mercury: Fans gehen davon aus, dass der 45-jährige Adult-Darsteller an „gebrochenem Herzen“ gestorben ist.