Diskriminierung erlaubt! US-Dienstleister können künftig Homosexuelle ausschließen!
Seit Wochen war es befürchtet worden, nun haben die Richter am Obersten Gerichtshof der USA es tatsächlich wahr gemacht: Sie gaben der Klage einer Web-Designerin nach, die aus Glaubensgründen und als Wahrung der persönlichen Meinungsfreiheit keine Homepage für Schwule und Lesben gestalten will – ein rein hypothetischer Fall, denn nachgefragt hatte bis heute kein einziger Homosexueller bei ihr.
Ein hypothetischer Fall mit Sprengkraft
Mit sechs zu drei Stimmen entschied das Gericht, dass der US-Bundesstaat Colorado mit seinem Anti-Diskriminierungsgesetz gegen die Meinungsfreiheit der Grafikdesignerin verstoßen würde. Alle sechs konservativen Richter votierten dafür, einer darunter ist Neil Gorsuch, der erklärte, man würde mit dem Anti-Diskriminierungsgesetz ansonsten Menschen dazu zwingen, sich für etwas einzusetzen, an das sie nicht glauben.
Konkret ging es der Web-Designerin Lorie Smith aus Denver um den rein hypothetischen Fall, sie müsse für ein homosexuelles Ehepaar eine Hochzeitsseite gestalten – das wolle sie vorsorglich bereits rechtlich verhindern, denn Homosexualität widerspreche ihren christlichen Überzeugungen und verletze ihr Recht auf freie Meinungsäußerung.
Eine „völlig falsche“ Entscheidung
Ein gefährliches und fatales Urteil, wie die demokratische Richterin Sonia Sotomayor festhält: „Heute gewährt der Gerichtshof zum ersten Mal in seiner Geschichte einem für die Öffentlichkeit zugänglichen Geschäft das verfassungsmäßige Recht, sich zu weigern, Mitglieder einer geschützten Gruppe zu bedienen. Ein der Öffentlichkeit zugängliches Geschäft versucht, schwulen und lesbischen Kunden die volle und gleichberechtigte Inanspruchnahme seiner Dienstleistungen aufgrund der religiösen Überzeugung der Inhaberin zu verweigern, die gleichgeschlechtliche Ehen für 'falsch' hält. Die Entscheidung des Gerichts ist falsch. Völlig falsch. Unsere Verfassung enthält kein Recht, einer missliebigen Gruppe den Dienst zu verweigern!“
Dabei warfen die drei unterlegenden Richter auch die Frage auf, welche Art von Diskriminierung künftig dann demnächst auch zulässig wäre? Kommt nach der sexuellen Orientierung vielleicht die Rasse? Oder Menschen mit Behinderung?
Gezielte rechtliche Angriffe auf Homosexuelle
Es ist zum zweiten Mal, dass sich das Oberste US-Gericht mit einem solchen Fall beschäftigte – bereits 2018 entschieden die Richter zugunsten des Bäckers Jack Philips, ebenso aus Colorado, der sich geweigert hatte, eine Hochzeitstorte für ein homosexuelles Paar anzufertigen. Damals allerdings entschied das Gericht explizit in einem Einzelfall, der keine Allgemeingültigkeit hatte, deswegen kam es nun zu einem zweiten, ähnlich gelagerten Fall.
Die Web-Designerin streitet seit 2016 gerichtlich in dieser Sache und unterlag in unteren Instanzen. Die jüngste Entscheidung könnte jetzt allerdings Konsequenzen für weite Teile Amerikas haben. Für Unternehmen, die kreative oder künstlerische Dienstleistungen anbieten, könnte dies im Bedarfsfall zum Präzedenzfall werden, wenn sie Schwule und Lesben ausgrenzen wollen.
Ein trauriger Tag für Schwule und Lesben
Kelley Robinson, die Präsidentin der Human Rights Campaign, spricht so auch von einem „gefährlichen Rückschritt“, den die Richter jetzt vollzogen hätten: „Das ist ein zutiefst beunruhigender Riss in unserem Fortschritt und sollte uns alle alarmieren. Diese Entscheidung bestätigt einmal mehr, wie radikal und unnahbar dieses Gericht inzwischen ist, vor allem wenn 80 Prozent der Amerikaner robuste und LGBTI*-inkludierende Anti-Diskriminierungsgesetze unterstützen. Wir dürfen das nicht auf die leichte Schulter nehmen, dieser Fall wurde von der Anti-LGBTI*-Organisation Alliance for Defending Freedom finanziert, um eine neue Lizenz zur Diskriminierung von LGBTI*-Menschen zu schaffen. Auch wenn unsere Gegner behaupten, dies sei ein großer Sieg, erlaubt dieses Urteil keine uneingeschränkte Anwendung von Diskriminierung.“
Bei der Wohnungssuche, im Job oder im Bankenwesen bestehe nach wie vor ein Anti-Diskriminierungsschutz, so Robinson weiter – die Frage ist nur, wie lange noch? Robinson abschließend: „Heute ist ein trauriger Tag im amerikanischen Verfassungsrecht und im Leben von LGBT-Menschen.“