Der Pride wird unsichtbar Einen CSD ganz zu verbieten, ist auch in Ungarn schwierig – doch wie wäre es, ihn verschwinden zu lassen?
Erst vor wenigen Tagen bekundete Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán (61), dass er weitere rechtliche Schritte gegen die Rechte der LGBTIQ+-Community einleiten will, darunter auch eine Verfassungsänderung und ein Verbot von Pride-Demonstrationen im Land. Die Ankündigung schlug hohe Wellen und Orbán sah sich mit der Tatsache konfrontiert, dass das ungarische Grundgesetz die Versammlungs- und Meinungsfreiheit schützt – auch für Community-Veranstaltungen.
Der Pride wird versteckt
Das Problem für den 61-jährigen Staatenlenker: Ungarn soll auch weiterhin den Anschein der Demokratie wahren, ein striktes, verfassungswidriges Verbot wie in der Türkei oder Russland erscheint da offensichtlich schwierig. So erklärte Orbán deswegen nun, die größte CSD-Demonstration des Landes, der Budapest Pride, solle in diesem Jahr an einem „geschlossenen Ort“ stattfinden.
Der lebhaften Parade durch die Innenstadt entlang der Andrássy-Allee, wie in den Jahren zuvor, erteilte er eine Absage. Die pauschale Begründung einmal mehr: Das Vorgehen diene dem Schutz der Kinder. Konkret sei der Kinderschutz nur durchzusetzen, wenn der Pride in einem geschlossenen Raum wie einer Veranstaltungshalle stattfinde, wie Stabschef Gergely Gulyás ergänzte.
Taktischer Schachzug – und was nun?
In ersten Stellungnahmen erklärten Vertreter von queeren Verbänden, dass der Pride eine familienfreundliche Veranstaltung sei, es bestehe schlicht keinerlei Gefahr für Kinder. Zuvor hatte auch bereits das Organisationsteam des Budapest Pride klargestellt, dass die Regierung einmal mehr mit solchen Aktionen versuche, „Andersdenkende zum Schweigen zu bringen.“
Rémy Bonny, Geschäftsführer der europäischen LGBTIQ+-Organisation Forbidden Colours, verurteilte die Entscheidung als „einen schändlichen Versuch, die Sichtbarkeit von LGBTIQ+ auszulöschen.“ Und weiter: „Dies ist nicht nur ein Angriff auf Budapest Pride - es ist ein Angriff auf die Demokratie selbst. Wenn Ungarn mit dem Verbot der Pride davonkommt, was kommt dann als nächstes? Dies ist das neueste Kapitel in Orbáns autoritärem Spielbuch. Er benutzt LGBTQ+ Menschen als Sündenböcke, um seine Macht zu festigen, demokratische Institutionen zu untergraben und von der Korruption und dem wirtschaftlichen Missmanagement seiner Regierung abzulenken. Die Europäische Union muss mit konkreten Maßnahmen reagieren - bloße Worte der Besorgnis reichen nicht mehr aus.“
Ob und wie sich nun gegen Orbáns Weisung eines abgeschotteten Prides vorgehen lassen wird, bleibt fraglich – offiziell verbietet er die Demonstration nicht mehr und widerstößt damit höchstwahrscheinlich offiziell auch nicht mehr gegen die ungarische oder europäische Verfassung.