Definition einer Frau Das Oberste Gericht Großbritanniens verhandelt über die Frage, was genau eine Frau ist
Es ist der Höhepunkt im Rechtsstreit um die Frage, was genau ist eine Frau? Welche Definition soll in Gesetzestextes angewandt werden? Zählt die Biologie oder die reine Selbstdefinition? Die Richter des Obersten Gerichtshofs in London befassen sich mit dem Fall, dessen Urteil wegweisend sein dürfte.
Streit um zwei Gesetze
Seit dieser Woche laufen die Anhörungen, zunächst von Anwälten der Frauenvereinigung „For Women Scotland“. Anwalt Aidan O'Neill KC plädierte dabei „für den gesunden Menschenverstand“ und forderte die fünf Richter auf, „die Fakten der biologischen Realität anzuerkennen und nicht die Fantasien der juristischen Fiktion“. Anschließend haben heute Vertreter der schottischen Regierung ihre Gegenargumente vortragen, sie bekräftigten dabei die Korrektheit der zwei Gesetze, die dem Streitfall zugrunde liegen.
Konkret geht es dabei um das Gesetz zur Anerkennung des Geschlechts von 2004 (GRA) sowie um das Gleichstellungsgesetz von 2010, das den rechtlichen Schutz vor Diskriminierung für bestimmte Gruppen festlegt – dabei wurde unter „Geschlecht“ die „sexueller Ausrichtung“ sowie auch die „Geschlechtsidentität“ als geschütztes Merkmal aufgenommen. Seitdem wird heftig in Schottland darüber gestritten, wie und ob diese beiden Gesetze überhaupt zusammenpassen. Unklar ist dabei juristisch die Frage, was konkret gemeint ist, wenn im Gleichstellungsgesetz von „Geschlecht“ die Rede ist.
Unklarheit bei Behörden und Polizei
Inzwischen haben auch zahlreiche öffentliche Einrichtungen ihre Kritik und Frustration darüber geäußert, dass es keine Klarheit bei der Auslegung der Gesetze gibt, darunter beispielsweise die Rape-Crisis-Einrichtungen, Anlaufstellen für misshandelte und vergewaltigte Frauen. Auch die schottische Polizei hat die Unklarheiten der Gesetzgebung im Umgang mit Trans-Personen inzwischen scharf kritisiert. Weiter befeuert wurde die Debatte zuletzt durch die geplante Einführung eines Selbstbestimmungsgesetzes, was schlussendlich am Veto Englands scheiterte.
Jahrelanger komplexer Rechtsstreit
Die schottische Politik scheint zuletzt immer mehr zu versuchen, der Streitdebatte ganz aus dem Weg zu gehen – zuletzt hatten die Abgeordneten 2018 den Gender Representation on Public Boards Act verabschiedet. Kernziel war es hier eigentlich, mehr Frauen in öffentliche Ämter zu bringen. Im Gesetzestext wurde dann allerdings eine „Frau“ als Person definiert, die „als Frau lebt“. Auch hier kam es zu Klagen, schlussendlich musste die schottische Regierung den Gesetzestext ändern. Die Richter hatten damals geurteilt, die Definition „vermische und verwechsele“ hier zwei „getrennte und unterschiedliche geschützte Merkmale miteinander.“
Die Regierung änderte die Leitlinien des Gesetzes auch daraufhin, verwies aber nun auf das Gleichstellungsgesetz und das GRA, was erneut die Frage der Definition auslagerte. Abermals klagten Frauen- sowie schwul-lesbische Interessenverbände dagegen, erlitten hier nun aber eine Niederlage. Die Richterin Lady Haldane entschied so im Dezember 2022, dass die Definition des Geschlechts nicht auf das biologische oder das Geburtsgeschlecht beschränkt ist, sondern auch Personen einschließt, die im Besitz einer Bescheinigung über die Anerkennung des Geschlechts sind. Deswegen kommen die beiden Gesetze und die Frage der Definition nun final vor das höchste Gericht im Vereinigten Königreich.
Hoffnung auf juristische Klarheit
Erhofft wird, dass das Urteil des Obersten Gerichts endlich Klarheit für alle Behörden, Einrichtungen und die Polizei schafft. Das Urteil dürfte auch weitreichende Folgen für den Betrieb von geschlechtsspezifischen Räumen und Dienstleistungen haben und darauf, wie Maßnahmen zur Bekämpfung von Diskriminierung in Zukunft funktionieren werden.
Betroffen davon werden natürlich auch so oder so alle Frauen sowie Trans-Menschen sein – laut der jüngsten Volkszählung gibt es in Schottland knapp 20.000 Personen, die transsexuell sind. Das entspricht weniger als 0,5 Prozent der erwachsenen Bevölkerung. Wann die fünf Richter des Supreme Courts unter Leitung des Gerichtspräsidenten Lord Reed ein Urteil fällen werden, ist unklar.