Bulgarien und die EU LGBTI Intergroup und Verbände fordern Einschreiten der EU-Kommission nach Verabschiedung des Anti-Homosexuellen-Gesetzes
Ende letzter Woche hat das Parlament in Bulgarien das neuste Anti-Homosexuellen-Gesetz in Europa erlassen – es ist nichts weniger als ein komplettes Sprechverbot von LGBTI*-Themen an allen Schulen. Der Widerstand dagegen nimmt seit Tagen zu, nun werden auch direkte Forderungen an die Europäische Union laut.
Forderungen an EU-Kommission
Die LGBTI Intergroup, die Interessenvertretung der LGBTI*-Community mit derzeit 157 Abgeordneten im EU-Parlament, hat sich nun direkt an die EU-Kommission und Präsidentin Ursula von der Leyen gewandt. Man sei sehr besorgt über die jüngsten Entwicklungen in Bulgarien und fordere die EU-Kommission dringend auf, die „notwendigen Schritte zu unternehmen und die Einhaltung der Europäischen Menschenrechtskonvention und des EU-Vertrags durch Bulgarien sicherzustellen.“
Dieser Forderung schlossen sich inzwischen weitere Verbände und Organisationen an, unter anderem auch die Gruppe des Sofia Pride: „Nach mehreren Wahlen in den letzten Jahren und einer weiteren Wahl, die im Herbst ansteht, sahen die politischen Parteien nun eine weitere Gelegenheit, die LGBTI*-Community ins Visier zu nehmen und öffentliche Aufmerksamkeit zu erlangen", so Simeon Vasilev von Sofia Pride. Die Gay-Community im Land schwankt mehr denn je zwischen einer Zunahme von brutalen Fällen von Hasskriminalität und direkten Angriffen einerseits und ersten rechtlichen Verbesserungen wie der Verabschiedung eines Anti-Diskriminierungsgesetzes andererseits.
Homosexuelle als Sündenböcke
Wenn nun die LGBTI*-Community aus wahltaktischen Gründen wieder verstärkt in den Fokus von Konservativen rückt, bestehe die Gefahr, die Lage im Land massiv zu verschlechtern – Homosexuelle könnten so erneut zu Sündenböcken werden, wie auch Rémy Bonny, Direktor von Forbidden Colours, betont: „Das Anti-LGBTI*-Virus breitet sich aus, angeheizt von Kräften, die die demokratischen Werte der Gleichheit und Menschenwürde untergraben wollen. Von Ungarns drakonischen Gesetzen bis hin zu Bulgariens jüngstem Vorstoß, und angesichts der Tatsache, dass Russland seine Agenda in ganz Europa vorantreibt, ist die Bedrohung real, und sie wächst. Meine Kollegen aus Italien, Slowenien und Luxemburg haben in den letzten Wochen über ähnliche Versuche berichtet. Wir müssen jetzt mehr denn je zusammenstehen, um die Rechte von LGBTI*-Personen zu schützen und sicherzustellen, dass diese unterdrückerischen Ideologien nicht in anderen Ländern Fuß fassen.“
Gesetz des Hasses stoppen
Seit Ende letzter Woche schließen sich immer mehr Menschenrechtsverbände und LGBTI*-Organisationen unter dem Motto „Schule für alle“ der Forderung an, um das „Gesetz des Hasses“ zu stoppen. Konkret untersagt der Gesetzestext jede Form von „Propaganda, Förderung und Aufstachelung, die im Zusammenhang mit einer nicht-traditionellen sexuellen Orientierung oder einer nicht biologischen Geschlechtsidentität“ stehen. Das Verbot hat nicht nur direkt für alle Schule Konsequenzen, sondern gilt auch für alle Einrichtungen im Umfeld von Bildungseinrichtungen.
Widerstand auch in Deutschland
Auch in Deutschland formiert sich seitdem immer breiterer Widerstand. Mikhail Tumasov aus dem Bundesvorstand des Lesben- und Schwulenverbands (LSVD): „Wir solidarisieren uns mit der LSBTIQ*-Gemeinschaft vor Ort und den Protesten. Wir können nur unterstreichen, dass Bulgarien nicht mit diesem Weg fortfahren darf. Das in Bulgarien verabschiedete sogenannte ´Anti-Propaganda-Gesetz´ folgt ganz klar dem russischen Vorbild, wo ein ähnliches Gesetz bereits 2013 eingeführt wurde. Seitdem wurde die LSBTIQ*-Community dort Schritt für Schritt immer weiter entrechtet. Das außergewöhnliche Schnellverfahren, in dem das Gesetz verabschiedet wurde, verdeutlicht nochmal das rigorose Vorgehen der bulgarischen Regierung. Jetzt müssen die deutsche Bundesregierung und Europäische Union klar dazu Stellung beziehen und deutlich machen: Ein ´Anti-Propaganda-Gesetz´ steht im eindeutigen Widerspruch zu den im Grundgesetz und der EU-Grundrechtecharta verbrieften Menschenrechten.“ Ähnlich wie im Fall Ungarns solle dabei auch in Bulgarien die Möglichkeit eines Vertragsverletzungsverfahren in Betracht gezogen werden.