Direkt zum Inhalt
Bulgarien und die EU
Rubrik

Bulgarien und die EU LGBTI Intergroup und Verbände fordern Einschreiten der EU-Kommission nach Verabschiedung des Anti-Homosexuellen-Gesetzes

ms - 13.08.2024 - 15:00 Uhr

Ende letzter Woche hat das Parlament in Bulgarien das neuste Anti-Homosexuellen-Gesetz in Europa erlassen – es ist nichts weniger als ein komplettes Sprechverbot von LGBTI*-Themen an allen Schulen. Der Widerstand dagegen nimmt seit Tagen zu, nun werden auch direkte Forderungen an die Europäische Union laut. 

Forderungen an EU-Kommission 

Die LGBTI Intergroup, die Interessenvertretung der LGBTI*-Community mit derzeit 157 Abgeordneten im EU-Parlament, hat sich nun direkt an die EU-Kommission und Präsidentin Ursula von der Leyen gewandt. Man sei sehr besorgt über die jüngsten Entwicklungen in Bulgarien und fordere die EU-Kommission dringend auf, die „notwendigen Schritte zu unternehmen und die Einhaltung der Europäischen Menschenrechtskonvention und des EU-Vertrags durch Bulgarien sicherzustellen.“ 

Dieser Forderung schlossen sich inzwischen weitere Verbände und Organisationen an, unter anderem auch die Gruppe des Sofia Pride: „Nach mehreren Wahlen in den letzten Jahren und einer weiteren Wahl, die im Herbst ansteht, sahen die politischen Parteien nun eine weitere Gelegenheit, die LGBTI*-Community ins Visier zu nehmen und öffentliche Aufmerksamkeit zu erlangen", so Simeon Vasilev von Sofia Pride. Die Gay-Community im Land schwankt mehr denn je zwischen einer Zunahme von brutalen Fällen von Hasskriminalität und direkten Angriffen einerseits und ersten rechtlichen Verbesserungen wie der Verabschiedung eines Anti-Diskriminierungsgesetzes andererseits. 

Homosexuelle als Sündenböcke

Wenn nun die LGBTI*-Community aus wahltaktischen Gründen wieder verstärkt in den Fokus von Konservativen rückt, bestehe die Gefahr, die Lage im Land massiv zu verschlechtern – Homosexuelle könnten so erneut zu Sündenböcken werden, wie auch Rémy Bonny, Direktor von Forbidden Colours, betont: „Das Anti-LGBTI*-Virus breitet sich aus, angeheizt von Kräften, die die demokratischen Werte der Gleichheit und Menschenwürde untergraben wollen. Von Ungarns drakonischen Gesetzen bis hin zu Bulgariens jüngstem Vorstoß, und angesichts der Tatsache, dass Russland seine Agenda in ganz Europa vorantreibt, ist die Bedrohung real, und sie wächst. Meine Kollegen aus Italien, Slowenien und Luxemburg haben in den letzten Wochen über ähnliche Versuche berichtet. Wir müssen jetzt mehr denn je zusammenstehen, um die Rechte von LGBTI*-Personen zu schützen und sicherzustellen, dass diese unterdrückerischen Ideologien nicht in anderen Ländern Fuß fassen.“

Gesetz des Hasses stoppen

Seit Ende letzter Woche schließen sich immer mehr Menschenrechtsverbände und LGBTI*-Organisationen unter dem Motto „Schule für alle“ der Forderung an, um das „Gesetz des Hasses“ zu stoppen. Konkret untersagt der Gesetzestext jede Form von „Propaganda, Förderung und Aufstachelung, die im Zusammenhang mit einer nicht-traditionellen sexuellen Orientierung oder einer nicht biologischen Geschlechtsidentität“ stehen. Das Verbot hat nicht nur direkt für alle Schule Konsequenzen, sondern gilt auch für alle Einrichtungen im Umfeld von Bildungseinrichtungen. 

Widerstand auch in Deutschland

Auch in Deutschland formiert sich seitdem immer breiterer Widerstand. Mikhail Tumasov aus dem Bundesvorstand des Lesben- und Schwulenverbands (LSVD): „Wir solidarisieren uns mit der LSBTIQ*-Gemeinschaft vor Ort und den Protesten. Wir können nur unterstreichen, dass Bulgarien nicht mit diesem Weg fortfahren darf. Das in Bulgarien verabschiedete sogenannte ´Anti-Propaganda-Gesetz´ folgt ganz klar dem russischen Vorbild, wo ein ähnliches Gesetz bereits 2013 eingeführt wurde. Seitdem wurde die LSBTIQ*-Community dort Schritt für Schritt immer weiter entrechtet. Das außergewöhnliche Schnellverfahren, in dem das Gesetz verabschiedet wurde, verdeutlicht nochmal das rigorose Vorgehen der bulgarischen Regierung. Jetzt müssen die deutsche Bundesregierung und Europäische Union klar dazu Stellung beziehen und deutlich machen: Ein ´Anti-Propaganda-Gesetz´ steht im eindeutigen Widerspruch zu den im Grundgesetz und der EU-Grundrechtecharta verbrieften Menschenrechten.“ Ähnlich wie im Fall Ungarns solle dabei auch in Bulgarien die Möglichkeit eines Vertragsverletzungsverfahren in Betracht gezogen werden. 

Auch Interessant

Kanzlerfrage bei der Union

Friedrich Merz wird Kanzlerkandidat

Friedrich Merz ist Kanzlerkandidat der Union. Mit dieser überraschenden Entscheidung traten er und CSU-Chef Söder heute vor die Presse.
Bidens Resümee

Der US-Präsident und die Community

Der scheidende US-Präsident Joe Biden zieht in einem historischen Interview ein erstes Fazit über seine Arbeit für die LGBTI*-Community.
Geschlechtsneutrale U-Boote

US-Marine erntet Shitstorm

Das erste geschlechtsneutrale Atom-U-Boot der USA wird zum neuen Hassobjekt im amerikanischen LGBTI*-Kulturkampf. Die US-Marine reagiert gelassen.
Pride im Kriegsgebiet

Fazit des Kharkiv Pride in der Ukraine

Rund 30km von der russischen Grenze mitten im Kriegsgebiet demonstrierten jetzt LGBTI*-Menschen beim Kharkiv Pride für mehr Akzeptanz in der Ukraine.
Angst vor der Geldstrafe?

Knickt die Brit-Band The 1975 ein?

Knickt The 1975 ein? Im Rechtsstreit um Schadensersatz nach einem schwulen Bühnenkuss in Malysia sagt die Brit-Band, man habe von nichts gewusst.
Regenbogenfahne im Müll

Ermittlungen gegen FPÖ-Politiker

Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen einen FPÖ-Politiker wegen des Verdachts der Verhetzung. Er hat eine Regenbogenfahne in den Müll geworfen.
Kein Regenbogen in Florida

Homophober Kurs wird immer radikaler

Der Anti-Homosexuellen-Kurs in Florida wird immer radikaler, scharfe Kritik kommt jetzt von LGBTI*-Verbänden und dem Stonewall Museum.
Selbstbestimmungsgesetz

Rund 15.000 Anmeldungen bisher

Rund 15.000 Menschen haben sich laut dem Spiegel bisher für eine Geschlechtsänderung ab 1.11. angemeldet. Frauenverbände indes bereiten Klagen vor.
Große Freude bei Jodie Foster

Emmy-Gewinn für "True Detective"

Große Freude bei Jodie Foster: Die lesbische Schauspierin gewann ihren ersten Emmy für ihre Rolle in "True Detective".