Angst in der Schule 82 Prozent der amerikanischen LGBTI*-Schüler leben in Furcht
Es ist eine nationale Krise – anders lassen sich die neusten Zahlen des Jahresberichtes des Gay, Lesbian & Straight Education Networks (GLSEN) mit Blick auf die Situation von LGBTI*-Jugendlichen an amerikanischen Schulen im ganzen Land nicht zusammenfassen. 82 Prozent aller LGBTI*-Schüler haben sich im vergangenen Jahr unsicher gefühlt und leben, teilweise permanent, in Angst. Unabhängig davon, wie die Zwischenwahlen in wenigen Tagen in den USA ausgehen werden, belegen die Zahlen so eindrucksvoll, dass eine ganze Generation junger Homosexueller und queerer Menschen bereits jetzt Opfer des US-Kulturkampfes geworden ist.
Zwei Kernaspekte für die dramatische Lage sind laut GLSEN die massiv gestiegenen, diskriminierenden Angriffe und Äußerungen von gleichaltrigen Mitschülern sowie auch die Tatsache, dass der Zugang zu sachlichen Informationen rund um LGBTI* an immer mehr Schulen zensiert oder ganz verboten worden ist, wie beispielsweise in Florida. Aus immer mehr Bibliotheken verschwinden oftmals auf Druck von konservativen, religiösen Eltern auch über Nacht sämtliche Coming-Out-Bücher oder sonstiges Informationsmaterial rund um LGBTI* und sexuelle Orientierung. Weniger als die Hälfte der Schüler mit Internetzugang gaben an, auch online in der Schule überhaupt noch auf LGBTI*-bezogene Informationen zugreifen zu können. Bei vier von fünf Schülern sind alle LGBTI*-Inhalte auch aus den Schulbüchern und Materialien verschwunden.
GLSEN befragte dabei wie jedes Jahr Schüler im Alter von 13 bis 21 Jahren. Der GLSEN-Bericht legt dabei auch offen, dass das landesweite Lernumfeld gegenüber LGBTI*-Schülern zunehmend immer öfter feindlich eingestellt ist. Fast 80 Prozent gaben so auch an, dass sie außerschulische Veranstaltungen oder Aktivitäten inzwischen meiden, weil sie sich unsicher oder unwohl fühlen. Beinahe jeder dritte LGBTI*-Schüler (32 %) hat aus Angst vor Angriffen auch bereits an mindestens einem Tag die Schule geschwänzt – 11 Prozent von ihnen fehlen aufgrund dessen sogar immer häufiger in der Schule. Unbegründet scheint diese Angst nicht zu sein, mehr als 75 Prozent der LGBTI*-Schüler wurden im vergangenen Jahr aufgrund ihrer sexuellen Orientierung verbal beschimpft und angegriffen, 31 Prozent von ihnen erlebte sogar körperliche Gewalt. Mehr als die Hälfte von ihnen wurde sexuell belästigt oder angegriffen, ganze 12 Prozent wurden sogar mit einer Waffe geschlagen und verletzt.
Aktuell sind über 300 Gesetzesvorhaben bundesweit auf dem Tisch, die das Leben von LGBTI*-Menschen allgemein und speziell von homosexuellen und queeren Schülern beschneiden sollen, 17 jener homophoben Gesetze sind im vergangenen Jahr bereits in den einzelnen Bundesstaaten in Kraft getreten. Die Human Rights Campaign bezeichnet 2021 daher inzwischen als das schlimmste Jahr in der modernen Geschichte der "staatlichen legislativen Angriffe" auf die LGBTI*-Community. GLSEN bestärkt im Bericht eindringlich, dass "die Schüler uns mehr denn je brauchen". Es sei elementar wichtig und notwendig, ein sicheres und positives Lernumfeld für alle Schüler zu schaffen. Möglichkeiten zur Verbesserung der Lage wäre ein Zugang zu LGBTI*-Informationen sowie verbesserte Antidiskriminierungsrichtlinien zum Schutz von LGBTI*-Schülern. "Die Einführung dieser Maßnahmen kann uns in eine Zukunft führen, in der alle Schüler die Möglichkeit haben, zu lernen und in der Schule erfolgreich zu sein, unabhängig von ihrer sexuellen Orientierung, ihrer Geschlechtsidentität oder ihrem Geschlechtsausdruck. Vor allem angesichts des Rückgangs der LGBTI*-Unterstützung in Schulen, den wir im diesjährigen Bericht festgestellt haben, ist es unerlässlich, dass alle, die sich für sichere und positive Schulen für alle Schüler engagieren, ihre Bemühungen in den Bereichen Politik, Interessenvertretung und Unterrichtspraxis intensivieren. Die Schule sollte ein Ort sein, an dem sich jedes Kind sicher fühlt“, so GLSEN in dem Bericht abschließend.