Ablehnung von Homosexualität 30 Prozent der jungen geflüchteten Migranten lehnen Schwule und Lesben ab, rund 70 Prozent von ihnen stellen die Religion vor den Staat
Wie stehen junge Migranten in Deutschland zur Demokratie und zu Menschenrechten in der Bundesrepublik? In einer neuen Studie der Ruhr-Universität Bochum wurden in einem Zeitraum von zwei Jahren rund 440 Jugendliche mit und ohne Migrationshintergrund an sechs Berufskollegs im Ruhrgebiet befragt, wie sie zu grundsätzlichen Themen und Werten in Deutschland stehen, dabei zeigten sich einige Widersprüche.
Ablehnung von Schwulen und Lesben
Während der Großteil von ihnen (80-85%) sich grundsätzlich zwar für die Werte der Demokratie ausspricht, sind die Zustimmungswerte bei Menschenrechten für Homosexuelle deutlich differenzierter: „Etwa 30 Prozent der befragten Geflüchteten, die ja eigentlich ein positives Bild von der Demokratie haben, lehnen die Gleichstellung von Schwulen, Lesben und queeren Menschen ab. Unter den Befragten ohne Migrationshintergrund und unter MigrantInnen ohne Fluchterfahrung liegt die Ablehnung nur bei zehn Prozent. Es gibt da also einige Widersprüche zum Bekenntnis zum Grundgesetz“, so Rassismus-Forscher Karim Fereidooni von der Ruhr-Uni Bochum im Interview mit der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung, kurz WAZ.
Religion sei wichtiger als der Staat
Fast die Hälfte plädiert auch für die Einführung der Todesstrafe in Deutschland, etwa 50 Prozent der befragten jugendlichen Migranten erklärten zudem, es sei wichtiger, die Religion zu befolgen als die Gesetze des Staates. Schüler ohne Migrationshintergrund sind nur zu 20 Prozent dieser Ansicht, allein nur unter den geflüchteten Migranten sind es sogar 70 Prozent.
„Das ist in der Tat alarmierend, weil das an den Grundfesten unserer Demokratie rüttelt, nämlich an der Trennung von Religion und Staat. Umso wichtiger ist, dass Schule ein demokratischer Schutz- und Lernraum ist. Häufig ist die Schule sogar der einzige Ort, um undemokratische Einstellungen zu korrigieren. Leider haben Lehrkräfte kaum Zeit für diese Korrektur“, sagt Rassismus-Experte Fereidooni, der die Studie zusammen mit der Sozialwissenschaftlerin Nora Pösl durchgeführt hat.
Widersprüche bei Menschenrechten
Befragt danach, wie es zusammenpassen könne, dass einerseits das Grundgesetz in bestimmten Aspekten mehrheitlich wertgeschätzt und an anderen Stellen offenbar für obsolet erklärt werden kann, erklärt Forschungsleiter Fereidooni weiter: „Menschen picken sich häufig das heraus, was ihnen gefällt und was ihnen nützt. Daher finde die meisten Befragten das Grundgesetz gut, einige pflegen dennoch weiter autoritäre und menschenfeindliche Einstellungen. Nur weil jemand geflüchtet ist oder diskriminiert wurde, ist er nicht automatisch gegen Sexismus oder Queer-Feindlichkeit.“
Lehrkräfte müssten mehr Haltung zeigen
Die Frage sei nun mit Blick auf Homosexuelle, wie man die 30 Prozent der Migranten in Deutschland „an Bord holen“ kann, so Fereidooni. Er plädiert erneut dafür, auch dieses Thema stärker in der Schule in den Fokus zu nehmen und so beispielsweise auch den Kampf für die gleichen Rechte von Schwulen und Lesben verstärkt im Unterricht einzubeziehen. „Mein Plädoyer ist: Bildet Lehrkräfte so aus, dass sie wissen, wie sie auf Menschenfeindlichkeit reagieren müssen. Häufig glauben Lehrkräfte, sie müssten sich neutral verhalten. Das hat aber Grenzen: Bei menschenfeindlichen Äußerungen müssen Lehrkräfte unbedingt Haltung zeigen“, so Fereidooni überdies weiter.