200 Suizide in 10 Jahren Anstieg der Selbstmorde unter LGBTI*-Menschen
Eine erschreckende Studie wurde heute im Bundesstaat Victoria in Australien veröffentlicht – nach Auswertung der Faktenlage durch die Analyse des amtlichen Gerichtsmediziners des Coroner´s Court haben im Zeitraum zwischen 2012 und 2021 insgesamt 208 LGBTI*-Menschen Suizid begangen. Es ist das erste Mal, dass der Gerichtsmediziner, Richter John Cain, Daten über LGBTI*-Selbstmorde öffentlich zugänglich gemacht hat. Dabei stellte er weiter klar, dass es sich bei dieser Zahl mit großer Wahrscheinlichkeit um eine "Untererfassung" handele, sprich, es ist zu vermuten, dass die wahre Zahl der Todesfälle weit höher liegt.
Erfasst werden konnten so nur jene Fälle, in denen die Sexualität der Opfer dem Gericht oder der Polizei bekannt gewesen sei. Es wird vermutet, dass in vielen weiteren Fällen die Angehörigen nichts von den möglichen Motiven der Tat oder der Sexualität der Opfer wussten oder dies bewusst verdrängt haben. Am meisten Fälle waren 2021 während der Covid-19-Pandemie zu verzeichnen gewesen, so der Fachmann weiter. "LGBTI*-Personen haben ein höheres Suizidrisiko als die Allgemeinbevölkerung in Australien, und dieses Risiko könnte sich während der Coronavirus-Pandemie verstärkt haben, die vermutlich unverhältnismäßige Auswirkungen auf die psychische Gesundheit und das Wohlbefinden von LGBTI*-Personen hat", heißt es im Bericht weiter. Die Zahlen decken sich mit Erhebungen von deutschen LGBTI*-Organisationen wie beispielsweise anyway Köln, demnach bei LGBTI*-Menschen suizidale Gedanken und Depressionen seit Ausbruch der Pandemie um mehr als 60 Prozent in der Bundesrepublik zugenommen haben. Besonders davon betroffen sind junge LGBTI*-Menschen.
LGBTI*-Leben sichtbar machen!
Dies deckt sich auch mit der jetzt veröffentlichten Statistik aus Australien, über die Hälfte der Suizid-Fälle aus Victoria waren im Alter von 18 bis 34 Jahren. Anna Bernasochi, die Leiterin der Suizidprävention bei Switchboard Victoria, erklärte, dass die Veröffentlichung der Daten – eine Empfehlung der königlichen Kommission für psychische Gesundheit – der erste Schritt zu einem besseren Verständnis von Selbstmorden in der LGBTI*-Community sei: "Solange wir unser Leben nicht sichtbar machen, ist es sehr schwierig, sich für die Dienste und Initiativen zur Suizidprävention einzusetzen, die wir brauchen, um unsere Gemeinschaften zu schützen. Die Menschen haben 30 Jahre lang darauf hingearbeitet, dass diese Daten gesammelt werden... deshalb ist dies ein so wichtiger Moment."
Auch die Ministerin für Gleichstellung, Harriet Shing, die zugleich auch die erste offen lesbische Abgeordnete des viktorianischen Parlaments ist, sagte, es sei wichtig, nicht aus den Augen zu verlieren, dass jede Zahl in dem Bericht eine Person darstelle: "Sie sind die leeren Stühle am Esstisch, Menschen, die in unserem Leben und an unseren Arbeitsplätzen fehlen, Freunde, die wir verloren haben." Weiter bekräftigte Shing, dass die meisten Ursachen für die Suizide in der Ablehnung durch die Familie, Obdachlosigkeit, Belästigung, Mobbing und Gewalterfahrungen zu finden seien. "Das liegt nicht daran, wer wir sind. Es liegt an der Tatsache, dass es zwar viel Liebe, Unterstützung und Fürsorge in den Kreisen unserer Freunde, Arbeitskollegen oder Familien gibt, aber immer auch noch eine Menge Verunglimpfung und Stigmatisierung. Wenn wir uns das Sündenbock-Denken über LGBTI*-Menschen im Interesse einer Partei oder eines politischen Narrativs ansehen oder die postalische Umfrage zur Gleichstellung der Ehe, dann beeinträchtigen sie die Menschen, sie schaffen Traumata und sie verankern das Gefühl, 'anders' zu sein", so die Ministerin weiter. Shing hat erst diese Woche ein neues Zentrum für Suizidprävention und Nachsorge ins Leben gerufen, das zusammen mit Switchboard Victoria entwickelt wurde, um LGBTI*-Menschen in Victoria und ihre Angehörigen zu unterstützen.
Hier gibt es Hilfe
Die Berichterstattung über Suizid ist ein überaus sensibles Thema. Wir möchten es in KEINSTER Weise glorifizieren oder romantisieren. Viele Menschen die durch Suizid sterben, leiden an einer psychischen Erkrankung. Wenn es dir nicht gut geht oder du daran denkst, dir das Leben zu nehmen, versuche mit anderen Menschen darüber zu sprechen. Das können Freunde oder Verwandte sein. Es gibt aber auch eine Vielzahl von Hilfsangeboten, bei denen du dich melden kannst. Die Telefonseelsorge ist anonym, kostenlos und rund um die Uhr erreichbar. Die Telefonnummern sind 0800/111 0 111 und 0800/111 0 222.
Mit Beratung steht dir auch der Coming Out Verein via Messenger oder E-Mail unter www.coming-out-day.de zur Seite. Weiterhin gibt es von der Telefonseelsorge das Angebot eines Hilfe-Chats. Außerdem gibt es die Möglichkeit einer E-Mail-Beratung. Die Anmeldung erfolgt – ebenfalls anonym und kostenlos – auf der Webseite. Informationen findest du unter: www.telefonseelsorge.de