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180 Hinrichtungen

180 Hinrichtungen in 6 Monaten Amnesty International belegt: In Saudi-Arabien werden unliebsame Personen auch 2025 exekutiert, darunter vermutlich auch Homosexuelle

ms - 07.07.2025 - 11:00 Uhr
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Die internationale Menschenrechtsorganisation Amnesty International hat jetzt die neusten Daten zu Saudi-Arabien veröffentlicht: Bisher wurden in diesem Jahr bereits 180 Menschen im Königreich hingerichtet, so die offiziellen Zahlen. Allein im Juni gab es 46 Exekutionen. Wie viele Homosexuelle zu Opfern wurden, ist aktuell unklar

Scheinprozesse und schnelle Exekutionen

Regime-Kritiker wie auch vor allem Schwule werden im Emirat gerne aufgrund von vermeintlichen Drogendelikten angeklagt und zum Tode verurteilt. Rund zwei Drittel aller Exekutionen gehen darauf zurück. Die anderen Exekutionen richten sich gegen die schiitische Minderheit sowie auch gegen ausländische Staatsangehörige. In anderen Fällen wird der Vorwurf von „Terrorismus“ zum Todesurteil. Die genauen Hintergründe für die Hinrichtungen bleiben auch hier zumeist unklar, die betroffenen Personen werden in kurzen Scheinprozessen verurteilt. Amnesty betont dabei den Fakt, dass gemäß internationaler Menschenrechtsstandards Drogendelikte eigentlich weltweit nicht mit der Todesstrafe geahndet werden dürfen. 

Über 1.800 Hinrichtungen in 10 Jahren

„Der negative Trend setzt sich fort: Die Zahl der Exekutionen in Saudi-Arabien hat bereits 2024 mit 345 Hinrichtungen einen traurigen Höhepunkt erreicht. Der Bericht umfasst eine quantitative Analyse der gemeldeten Hinrichtungen über einen Zeitraum von mehr als zehn Jahren. Von Januar 2014 und bis Juni 2025 wurden 1.816 Menschen hingerichtet. Fast einem Drittel der Hingerichteten waren Drogendelikte zur Last gelegt worden. Von den 597 Personen, die während des untersuchten Zehnjahreszeitraums wegen Drogendelikten hingerichtet wurden, besaßen fast drei Viertel eine ausländische Staatsbürgerschaft.“ Dabei zeigten die Untersuchungen laut der Menschenrechtsorganisation auch klar auf, dass entgegen der Beteuerungen von Kronprinz Mohammed bin Salman, die Todesstrafe nicht eingeschränkt wurde, mehr noch, die Richter bekommen offenbar sogar immer mehr Ermessensspielraum, um Strafen zu verschärfen und Todesurteile zu verhängen.

Missachtung von Völkerrecht

Generalsekretärin von Amnesty International in Deutschland, Julia Duchrow, sagt: „Die unerbittliche und rücksichtslose Anwendung der Todesstrafe nach grob unfairen Gerichtsverfahren in Saudi-Arabien zeigt nicht nur eine erschreckende Missachtung des menschlichen Lebens. Darüber hinaus ist ihre Anwendung bei Drogendelikten auch ein massiver Verstoß gegen das Völkerrecht und internationale Standards. Wir werden Zeug*innen eines erschreckenden Trends: Zahlreiche ausländische Staatsangehörige werden für Verbrechen hingerichtet, die niemals die Todesstrafe nach sich ziehen dürften. Der vorliegende Bericht entlarvt die tödliche Realität hinter dem fortschrittlichen Image, das die saudischen Behörden weltweit zu vermitteln versuchen.“ 

Amnesty International betont dabei insbesondere einen aktuellen Fall von sieben jungen Männern, denen derzeit die Todesstrafe droht – zum angeblichen Tatzeitpunkt waren diese erst 12 Jahre alt. Vier von ihnen wurden erst kürzlich in einer Neuverhandlung erneut zum Tode verurteilt. Auch das, ein Todesurteil gegen Personen, die zum Zeitpunkt der vorgeworfenen Verbrechen minderjährig waren, ist nach internationalen Menschenrechtsnormenstreng verboten.

Aufruf an Staatengemeinschaft

„Die Todesstrafe ist die grausamste, unmenschlichste und erniedrigendste aller Strafen, die unter keinen Umständen angewendet werden sollte. Neben der sofortigen Einführung eines Hinrichtungsmoratoriums bis zur vollständigen Abschaffung der Todesstrafe müssen die saudi-arabischen Behörden auch die nationalen Gesetze ändern, um die Todesstrafe abzuschaffen und alle Todesurteile umzuwandeln. Saudi-Arabiens Verbündete in der internationalen Gemeinschaft müssen dringend Druck auf die Behörden ausüben, damit sie ihre Hinrichtungen stoppen und ihre internationalen Menschenrechtsverpflichtungen einhalten“, so Duchrow abschließend. 

Die Stiftung Alwan versucht seit geraumer Zeit in Zusammenarbeit mit internationalen queeren Organisationen wie All-Out, schwulen Männern die Flucht aus dem Emirat zu ermöglichen – ihnen droht im Land einzig aufgrund ihrer Homosexualität bereits die Todesstrafe. Parallel dazu hat die FIFA trotz massiver, weltweiter Proteste die Fußballweltmeisterschaft 2034 nach Saudi-Arabien vergeben

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