Höchststand bei Todesstrafen Besonders radikal und grausam agieren Iran, Saudi-Arabien und Irak
Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International schlägt Alarm – die Zahl der Todesstrafen weltweit hat einen neuen Höchststand erreicht und stieg im vergangenen Jahr auf über 1.500 dokumentierte Tötungen. Die Länder mit den meisten durchgeführten Todesstrafen haben allesamt Gesetze, die sich direkt gegen Schwule und Lesben richten.
Großes Fragezeichen bei China
Amnesty International betont dabei, dass es sich bei den 1.518 Fällen nur um jene Todesstrafen handelt, die dokumentiert worden sind – die tatsächliche Anzahl von Personen, die durch Staaten ermordet worden sind, dürfte deutlich höher liegen. An der Spitze befindet sich einmal mehr China, die Menschenrechtsorganisation geht allein hier von tausenden Tötungen im letzten Jahr aus, tatsächliche Zahlen dringen allerdings nicht nach außen. Der Verein vermutet außerdem, dass es auch in Nordkorea und Vietnam zu zahlreichen Todesstrafen gekommen ist.
Homophobe Staaten im Nahen Osten
Direkt danach folgt im Negativ-Ranking der Iran, der seit Jahren seine Politik gegen schwule Männer massiv radikalisiert hat. Amnesty geht hier von mindestens 972 Todesstrafen aus inklusive einer unbekannten Anzahl von ermordeten Homosexuellen. Auf den zwei folgenden Plätzen landen Saudi-Arabien mit mindestens 345 Tötungen und der Irak mit mindestens 63 ermordeten Menschen. Auch hier wird davon ausgegangen, dass Schwule unter den Opfern sind. Die drei Länder machen insgesamt 90 Prozent aller registrierten Fälle aus, in allen drei Staaten ist Homosexualität bis heute illegal und wird mit hohen Haftstrafen bis hin zur Todesstrafe geahndet. Zumeist liegt der Fokus dabei auf schwulen Männern. Die Anzahl der Tötungen ist in allen drei Ländern massiv angestiegen, in Saudi-Arabien haben sich die Fallzahlen sogar verdoppelt.
Vorgeschobene Gründe, unfaire Prozesse
Die Gründe für die Hinrichtungen sind vielfältig, neben homosexuellen Menschen werden zumeist ansonsten Personen ermordet, die Kritik gegen die Staatsführung geäußert haben, anderweitig unliebsam aufgefallen sind oder an Protestaktionen teilgenommen haben. Auch gegen unliebsame Menschengruppen wird so radikal vorgegangen, der offizielle Vorwurf lautet oft auf Terrorismusverdacht oder Besitz von Drogen, ohne, dass es dafür zumeist tatsächliche Belege gibt. Auch faire Prozesse haben Seltenheitswert. Sowohl Saudi-Arabien wie auch der Iran schrecken auch nicht mehr davor zurück, Menschen zu ermorden, die offensichtlich keine Straftat begangen haben oder beispielsweise an einer psychischen Erkrankung litten.
„Wer es wagt, die Autoritäten herauszufordern, sieht sich mit den grausamsten Strafen konfrontiert – besonders im Iran und in Saudi-Arabien, wo die Todesstrafe gezielt eingesetzt wird, um mutige Stimmen zum Schweigen zu bringen“, so Amnesty-Generalsekretärin Agnès Callamard. Die Menschenrechtsorganisation appelliert zudem an Länder wie die Malediven, Nigeria und Tonga, ihre Überlegungen über eine Einführung der Todesstrafe neu zu überdenken. In Nigeria wären davon explizit auch Homosexuelle betroffen.
Insgesamt wurden im letzten Jahr in 15 Ländern weltweit Todesurteile vollstreckt – der niedrigste Wert seit Jahren. Immer weniger Länder führen so tatsächlich Todesstrafen durch, jene, die es dennoch tun, verstärken allerdings die Anzahl der Tötungen dramatisch. „Es ist offensichtlich, dass die Staaten, die die Todesstrafe beibehalten, eine isolierte Minderheit darstellen“, so Callamard.