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Ein Mann für gewisse Stunden // © snapphoto
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Leserumfrage Ein Mann für gewisse Stunden

vvg - 04.04.2020 - 12:00 Uhr

Mit 12 sah ich eine Frau, die in fremde Autos stieg. Als ich fragte, sagte sie, dass sie Geld für Sex bekommt. Ich wusste nicht, was Sex ist, wollte aber so auch Geld verdienen. Mit 21 hatte ich meinen ersten Sex mit einem Mann; mit 24 den ersten für Geld: Ein Mann in Baden-Baden bot mir Geld für Gefälligkeiten an. Es dauerte knappe drei Minuten, das war leichtes Geld. Da ich im Casino Spielschulden hatte, suchte ich über eine Anzeige einen „Nachtjob", bekam aber nur Anfragen zum Sex; worauf ich nach Zögern antwortete.

Ich verband den Job immer mit Massagen: Die „normale“ für 60 €; die „erotische“ für 80 € beinhaltete Handbetrieb und die „Tantra“-Massage für 100 € mit richtigem Sex. Wenn man den Job mit Leidenschaft macht, wird man zum Therapeuten. In der Regel kommen Bi-Männer, denen etwas fehlt. Ich starte mit einem Kaffee, es folgt die Massage und dann der erotische Teil. Anschließend wird ein Getränk nach Wahl angeboten, die Männer wollen reden und ihre Sorgen loswerden. Sex ist der kleinste Teil, das Quatschen ist wichtiger. Es gibt Jungs, die das schnelle Geld machen und ihre Kunden abfertigen. Ich lasse mir zwei Stunden Zeit; Kunden spüren, ob man "dabei" ist oder nicht. Ich erledige den Job aktiv, als auch passiv, lasse mir aber die Freiheit, auch mal „Nein“ zu sagen. Ich mache kein SM und brauche keine Drogen. Schwule Männer holen sich ihren Sex in Saunen. Lediglich die, die einen Daddy suchen, melden sich. Ich habe mich im Leben ausgetobt; habe in Pornos mitgewirkt und hatte 3-4 Männer pro Tag. Heute sind es soviel in der Woche. Rechne ich alles zusammen, liege die Gesamtzahl wohl im fünfstelligen Bereich.

Carlos aus Wien

Carlos // © vvg

Ich hatte schon mit Freunden darüber gesprochen, Wir waren sehr liberal, was diese Dinge angeht und wie schwule Sexualität gelebt werden kann. Ich war mit einem Freund in Brasilien und da wir beide auf Latinos standen, meinte er: „Die Jungs hier sind so heiß, wenn die Geld dafür haben wollen, ist das okay.“ Ich stimmte zu, wollte das ausprobieren. In Sao Paolo gab es eine Escort-Sauna und ich dachte, das ist sicherer, als jemanden privat oder in irgendeiner dunklen Kaschemme zu kontaktieren. Die Jungs mit ihren geilen Bodys waren makellos, freundlich und zugewandt, ich wähnte mich im Paradies. Ich entschied mich für einen Latino, löhnte seinen Lohn und die Zimmermiete und hatte eine großartige Zeit. Obwohl das für die Jungs nur ein Job ist, waren die mit vollem Engagement und sichtlichem Spaß dabei. Sicherlich sind nicht alle schwul, einige haben Frau, Kinder oder Freundin.

Die Male, wo ich das erlebt habe, war das ein sehr erotisches Abenteuer und kein abgespultes, schnelles Sparprogramm, sondern eine für mich wichtige Erfahrung. Für die Jungs ist das Arbeit, und das sehe ich nicht negativ. Wenn man(n) damit finanziell etwas nebenbei verdient, um besser leben zu können, ist das in Ordnung. Lediglich wenn es als einziges Standbein angesehen wird, könnte der Job auf Dauer zu hohen Frustrationspotential führen und psychologisch auf längere Zeit sicherlich problematisch werden. Hinzu kommt, dass der Job auch altersmäßig beschränkt ist.

Ich gestehe, dass ich selbst vor Jahren so ein Angebot bekam. Da ich neugierig war, habe ich das auch ausprobiert; stellte aber schnell fest, dass das nicht mein Ding war. Der Job, der oft tabuisiert wird, ist ja so alt wie die Menschheit.

Frank aus Frankfurt

Frank // © vvg

Vor etwa 15 Jahren - ich war nicht mehr jung, ich brauchte auch kein Geld - war ich neugierig: Ich wollte es mal ausprobieren, ich gab in einem Szene-Magazin eine Anzeige auf. Als Foto scannte ich aus einem Metzgereiprospekt zwei Rindsrouladen, versah die mit dem Text „Wie gewachsen" und meiner Handynummer; das landete dann in der Spalte in der auch Escorts annoncierten. Nach Erscheinen des Magazins klingelte mehrmals mein Handy. Zuerst wußte ich gar nicht, wie ich reagieren sollte, ich zog sozusagen den Schwanz ein. Irgendwann siegte die Neugierde: Ein Geschäftsreisender aus Bayern, etwas älter als ich, hatte Interesse mich zu treffen. Er kam zu mir nach Hause und wir machten rum. Die goldene Regel „Erst das Geld, dann die Leistung!“ hatte ich natürlich vergessen. Als mein Gast dann fragte, was er denn nun zu zahlen habe, war für mich dieses Abenteuer eigentlich schon vorbei. Er war süß, wir hatten unseren Spaß und da ich keinen Preis nennen konnte, sagte ich: „Es war echt nett mit dir. Wenn du willst, leg was hin; ansonsten ist das auch kein Problem." Erstaunt war ich, dass er mir, nachdem er sich verabschiedete, 200 € hinlegte.

Das war nett von ihm, aber damit war meine Neugierde auch befriedigt. Ich weiß nicht, wie ich reagiert hätte, wenn der Typ mir nicht sympathisch gewesen wäre. Könnte ich mit jemandem Sex haben, mit dem ich unter normalen Umständen keinen Sex machen würde? Aber das wollte ich dann nicht weiter bedenken und vor allem nicht ein weiteres Mal austesten. Es ging mir nicht um das Geld, ich wollte einfach mal die Erfahrung machen und das ausprobieren. Das konnte ich mit dieser Begegnung postiven abhaken.

Hanko aus Köln

Hanko // © vvg

Im Februar dieses Jahres wollte ich mir eine entspannte Ganzkörpermassage gönnen und suchte im Internet nach einem guten, sympathischen Masseur. Dabei traf ich auf einen Typen in Zürich, bei dem ich schon optisch ins Schwärmen geriet: Ausländertyp, 22 Jahre, groß, Drei-Tage-Bart, maskulin, schöne Augen und eine Wahnsinnsfigur. Das einzige Negative, er war heterosexuell. Ich schrieb ihn an, er gab seinen Preis durch und ich war bereit, 400 Schweizer Franken auszugeben. In der Schweiz ist halt alles teuer. Wir verabredeten uns, er wartete vor seiner Haustür. Als ich ihn sah, bekam ich weiche Knie: Er sah noch besser als auf dem Foto aus; an ihm stimmte alles.

In der Wohnung zog er eine kurze blaue Turnhose an, während ich mich auszog, mich auf die Liege legte und meinen Badehosenbereich mit einem Handtuch bedeckte. Seine Berührungen gaben mir den Rest, ich war hin und weg. Als ich mich auf den Rücken legte, blieb ihm nicht verborgen, dass ich erregt war. Er schmunzelte, sagte "No Problem" und berührte das, was nun steil nach oben stand. An der Ausbuchtung seiner Sporthose registrierte ich, dass auch er erregt war. Als ich darauf starrte, nahm er meine Hand, zog seine Hose aus und führte meine Hand an seinen Penis. Es blieb natürlich nicht nur bei Berührungen, denn mittlerweile war ich soweit, dass ich für alles offen war. Wir fielen beide in einen Rausch, erlebten einen unglaublichen Wohlfühlfaktor mit einem fantastischem Happy End. Er strahlte, angeblich war es sein erstes Mal mit einem Mann. Ob das stimmte? Keine Ahnung, aber es war ein unvergessliches Erlebnis und ich bereue nicht einen einzigen Franken. Er bot mir sogar an, jederzeit wiederkommen zu dürfen. 

Marcel aus der Schweiz

Marcel // © vvg

Der Verein Looks e.V. ist Anprechpartner für alle Jungs, jungen Männer oder Transpersonen, die anschaffen, Sex-Arbeit anbieten oder sich Escort nennen. Wir klären auf über STI’s oder HIV, genauso wie über das Prostituiertenschutzgesetz. Es gibt auch Menschen, die auf unsere Hilfeangebote als Überlebensstation angewiesen sind. Sie kommen aus anderen Ländern, haben keine Familie, Freunde oder Schulbildung, ihnen fehlen Sprachkenntnisse oder sie brauchen psychologische Unterstützung durch traumatische Erlebnisse aus ihren Heimatländern. Sie sind oft verloren in der Szene der Prostitution, wissen nicht, wo sie schlafen oder wo sie eine warme Mahlzeit bekommen. Wir haben eine Kleiderkammer, bieten Arzt-Termine an, ebenso wie Essensversorgung, Hygiene (Duschen) oder den Service der Kleiderwäsche. Wir sind für viele ein kleines Stück Zuhause, eine kleine Familie.

Es gibt die einen, für die Prostitution aus Not gewachsen ist, ebenso wie jene, die es als Nebenverdienst und Spaß am Sex betreiben. Dabei ist neben den örtlichen Treffpunkten, das Internet mit Datingportalen hinzugekommen, welches durch seine Anonymität auch neue Gefahren birgt. Das gesellschaftliche Klima im Umgang mit Prostitution ist konservativer geworden, so dass Fortschritte gegen die Tabuisierung und die Entkriminalisierung von Prostitution in Gefahr sind. Es werden sogar Stimmen laut, die sich um ein Verbot bemühen. Dabei würde der Staat in Bereiche eindringen, die ihn nichts angehen und er würde mehr Schaden anrichten, als er Nutzen erzeilen würde.

Zärtlichkeit, Zuwendung, körperliche Nähe sind elementare menschliche Bedürfnisse. Dazu muss es Menschen geben, die diese Bedürfnisse erfüllen. Es gibt auch Sexualbegleiter für Menschen mit Handicups. Das ist absolut wichtig und ich würde es sogar als Menschenrecht bezeichnen. Da rechtfertigt nichts, dieses Thema an der Realität vorbei zu tabuisieren.

Sabine Reinke, Geschäftsführung Looks e.V.

Sabine // © vvg

Einmal in meinem Leben war ich selbst dieser Mann: Während meiner Zeit an der Universität in Texas bot mir ein Professor Geld für Sex an. Er war über sechzig, ich zwei Drittel jünger, wir wussten aber beide, dass wir schwul waren. Zuhause bei ihm erzählte er mir von SM-Clubs in Berlin und London, die ihn begeistert hatten. Es endete damit, dass er mir den Gürtel auf den nackten Po schlug, was mir aber keinen Spaß machte. Er merkte das und wir beendeten das Abenteuer. Danach schickte er mir hundert Dollar, mit dem Zusatz: „Das hat nichts damit zu tun.“

Heute bin ich im Alter des Professors und habe selbst gelegentlich für gewisse Stunden mit Jungs bezahlt. Meine erste Erfahrung in Manila war unschön; seitdem mache ich den Preis grundsätzlich im Voraus aus – und bezahlt wird auch immer schon vorher, damit hinterher keine Streitereien und Diskussionen entstehen. Zurück in Europa habe ich über Grindr diverse Jungs aus Tansania, Venezuela, Kolumbien, USA, Brasilien kennen gelernt, die ihre Dienste (eher ihren Körper) anbieten. Vorher war ich immer ein wenig nervös, weil man nie weiß, wen und was man genau antrifft, aber die Jungs waren alle süß, cool drauf und keiner von denen zeigte sich abgebrüht.

Vorausgesetzt, dass es einvernehmlich ist, wird Sex für Geld zu Unrecht verpönt: Für den der zahlt, ist es oft die einzige Gelegenheit, einen jugendlichen Körper zu bekommen, und für die Jungs wird es meist mit Kriminalität in Verbindung gebracht. Für mich habe ich festgestellt, dass ein ausgemachtes Date preiswerter ist als ein Abendessen im Restaurant. Heute gebe ich lieber 50 € aus, als 3x in die Sauna zu gehen.
Steve aus Texas 

Steve // © vvg

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