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Dennis // © vvg

Leserumfrage Meine größte Herausforderung

vvg - 13.07.2025 - 14:00 Uhr
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Ich bin Mitorganisator eines CSDs in den neuen Bundesländern. Es ist eine große Herausforderung Menschen zu mobilisieren, um bei CSDs im Raum Chemnitz dabei zu sein. Viele wissen gar nicht, dass es uns gibt, da wir jährlich den Austragungsort wechseln und auch in mittelgroße Orte gehen, von denen nur die wenigsten gehört haben.

Eine weitere Herausforderung ist die rechte Gegenwehr, gegen die wir bei unseren CSDs angehen müssen. Die beiden letzten Jahre hatten wir jedes Mal rechte Gegendemos. Das Gute daran war, wir waren immer in der Überzahl: Aber, wenn man laut und radikal auftritt, reichen leider auch wenige, um Angst zu machen. - Dank an die Polizei – es gab noch keine ernsten Auseinandersetzungen. Privat habe ich schon persönliche Anfeindungen erlebt. Nach den CSD-Demos wurde ich verfolgt, einmal wurde mein Briefkasten fast gesprengt. Ich war auch schon wegen körperlicher Gewalt im Krankenhaus, einmal hatte man mir mein Nasenbein gebrochen, ein anderen Mal wurde mein Handgelenk durch ein Messerangriff verletzt wurde. Viele haben deshalb begründet Angst, den CSD mit zu organisieren.

Mein Outing mit 17 war eine Herausforderung, ich wurde an der Schule gemobbt und meine Eltern haben bis heute Probleme damit. Den meisten Rückhalt bekomme ich bei der freiwilligen Feuerwehr. Auch wenn es hier rechte Gesinnungen gibt, werde ich als Mensch akzeptiert.

Als ich mitbekam, dass in meinem Ort immer mehr Leute die AfD und andere Nazi-Gruppierungen wählen, stand für mich schnell fest, dass ich mich engagieren muss, um etwas dagegen zu unternehmen. Queere Menschen haben in den letzten Jahrzehnten für Menschenrechte gestritten und viel erreicht. Da müssen wir standhaft sein und das Erkämpfte bewahren. Wir müssen jetzt und heute sichtbar sein, sonst können wir vielleicht nie wieder auf die Straße gehen.
Dennis aus Limbach-Oberfrohna

Jens und Oli // © vvg

Unsere größte Herausforderung begann 2006. Wir sind eineiige Zwillinge und so haben wir uns nicht nur im Spiegel gesehen, sondern auch, wenn wir uns getroffen haben. Dabei fiel uns beiden auf, dass unser dünnes Haar noch schütterer wurde und wir Geheimratsecken bekamen. Wir waren Mitte 20 und haben nicht die Kopfform, dass uns Glatze besonderes gutstünde. So begannen wir es zu kaschieren – so gut es ging – wir haben Basecaps getragen. Wir haben darunter wirklich sehr gelitten, weil das jugendliche Aussehen in der Szene und die Haarpracht da so wichtig sind. 

Eines Tages hatten wir uns verabredet und Oli war nicht wieder zu erkennen: Er hatte sich Extension in die Haare machen lassen und sah so gut aus, dass es Jens nach einer Competition in einer schwulen Bar schon am nächsten Tag nachmachte, um „wettbewerbsfähig“ zu bleiben.

Das ging eine Weile gut, musste aber halbjährlich erneuert werden. Die ca. 300€ waren es uns Wert, denn wir hatten den Anspruch, dass es echt aussehen soll. Haare werden durch die Haarverlängerung auch strapaziert, so kam die nächste Stufe, dass wir uns mit Schütthaar weiterhalfen, einem Haarpuder, welches die Haare optisch verdichtet. Aber auch das half irgendwann nicht weiter.

Ein Freund hatte uns zur Eröffnung eines Hair System-Anbieters eingeladen und am nächsten Tag hatte er plötzlich volles Haar und es sah so echt aus. Da haben wir uns erkundigt – heute haben wir die Haare, die wir uns immer gewünscht haben. Es ist ein geklebtes Haarsystem, mit dem wir alles machen können: Duschen, Schwimmen, all das, was man mit eigenem Haar auch machen würde. Wenn wir uns auf alten Fotos sehen, denken wir heute, wie sch*** sahen wir da aus.
Jens und Oli aus Köln

Philipp // © vvg

Ich kam zur Sucht, durch mehrere Faktoren: als Kind wurde ich vernachlässigt, da meine beiden Geschwister gesundheitliche Probleme hatten. Dadurch kam ich mir lange Zeit sehr allein vor, zudem auch unfassbar wertlos. Mein Vater kam auch nicht gut mit meiner Sexualität zurecht; die mir selber auch unangenehm war. In der Schule hatte ich viel Leistungsdruck. All diese Faktoren führten dazu, dass ich etwas suchte, was mich beruhigt. Ich habe Freude in der Sucht gefunden.

Mit meiner Familie habe ich ehrlich geredet, dass ich Suchtprobleme habe. Ich habe mir bei psychiatrischen Einrichtungen sowie bei einem deutschen Wohlfahrtsverband Informationen besorgt. Der erste Schritt war der schwierigste, danach muss man nur den Richtlinien folgen. Es gibt auch die Hilfe bei den Hausärzten. Die Suchthilfe der Caritas hat mir weitergeholfen, Anträge für die Entgiftung und die Langzeit-Reha zu stellen.

Die Wartezeit bis zur Genehmigung kam mir wie eine Ewigkeit vor. Wichtig ist, Geduld zu haben. Ich habe in der Zeit weiter konsumiert, habe mich aber auch um meine Abstinenz bemüht, habe weiter Anträge ausgefüllt, gearbeitet und meinen Alltag gelebt.

Mein neuer Partner hat mich auch sehr unterstützt. Er hat nie gescheut mir zu helfen und er gab mir das Gefühl, nie alleine dazustehen. Ohne ihn hätte mir ein großer Teil der nötigen Kraft gefehlt.

Ich habe gelernt, mir selber wieder zu vertrauen. Ich habe durch den Entzug, das Verhältnis zu meinen Eltern positiv verändern können und kann wieder in den Spiegel schauen. Ich habe mich neu kennengelernt und allein aus diesem Grund, sollte man es wagen, offen zu sein und bereit diesen Schritt zu gehen. Seitdem ich abstinent lebe, liebe ich mich auch selber wieder und kann so auch andere Menschen lieben.
Philipp aus Aachen

Robert // © vvg

Meine schwerste Herausforderung in letzter Zeit war, wie ich als schwuler Mann Ende 40 einmal Altwerden möchte. Da habe ich weit über meinen Tellerrand hinausgeblickt, denn ich wollte etwas finden, was ich ohne großen Aufwand umsetzten kann. Diese Herausforderung war insofern schwer, weil man das Alter und auch das Sterben immer vor sich herschiebt und man sich am besten gar nicht damit beschäftigen möchte, nach dem Kölschen Motto: Es kütt, wie es kütt.

Da ich keine Kinder und auch keinen so guten Draht zu meiner Familie habe, war es mir schon wichtig, selbst für meine Zukunft zu sorgen. In der örtlichen Zeitung habe ich einen Bericht über ein alternatives Wohnprojekt in Planung gelesen. Es ging um ein Generationenprojekt, was mich angesprochen hat. Es ist ein Mehrgenerationen-Projekt, bei welchem Wert daraufgelegt wird, dass alle Generationen - vom Kleinkind bis zum betagten Rentner - etwa gleichmäßig vertreten sind. Es ist kein Projekt nur für Schwule und Lesben, sondern das Projekt soll wachsen, als homogene Dorfgemeinschaft. Wichtig ist die Toleranz für einander.

Dieses Projekt von der Stadt finanziert, wurde von uns als Verein durchgeführt und ich war von Anfang an dabei. Es dauerte dann von der Planung bis zum Start 2017. Heute leben 40 Erwachsene aus 6 Nationen und ein Dutzend Kinder hier. Ich zahle eine altersgerechte Miete und habe auch mein Auto abgeschafft.

Unser Wohnprojekt strahlt in den ganzen Stadtbezirk, da wir entsprechende Räumlichkeiten haben, gibt es eine Yogagruppe, eine Impro-Theatergruppe, einen Gemeinschaftsgarten, eine Literaturgruppe, einen Chor, ein Kino, einen Stammtisch und vieles mehr. Wir kochen zusammen, es wird viel gefeiert. Das machen wir alles als Hausbewohner. Und jeder ist für jeden da.
Robert aus Köln

Thorsten // © vvg

Sichtbarkeit und Sicherheit stehen sich manchmal entgegen – besonders, wenn ich an queere Veranstaltungen denke. Ich bin Teil eines Pride-Vorbereitungsteams. Demo und Straßenfest liegen bereits hinter uns – und zu unserer großen Freude verlief alles friedlich, ohne Zwischenfälle, mit guter Stimmung und vielen schönen Begegnungen. Aber im Vorfeld haben wir uns viele Gedanken gemacht. Ob und wie die Demonstration und das Straßenfest stattfinden sollten, war angesichts der aktuellen gesellschaftlichen Lage keineswegs selbstverständlich.

Wir hatten bisher im Rahmen des Prides bei uns keine größeren Vorkommnisse, aber Absagen von anderen CSDs, Bedrohungen – und leider auch tatsächliche Übergriffe – haben uns beschäftigt. Ich war dieses Jahr verantwortlich für die Anmeldung der Demonstration, und war am Ende wirklich erleichtert, dass alles ruhig und sicher geblieben ist. Ich war aber deutlich angespannter als in den Jahren zuvor. Wie wir bei der Vorbereitung bereits erwartet haben, waren deutlich weniger Menschen bei der Demonstration dabei. Das ist sicher auch dem Fehlen von einem Gefühl der Sicherheit geschuldet.

Es gibt – zum Teil zu Recht - viel Sorge, viel Angst. Der kann man – denke ich – nur mit Mut begegnen. Mut zur Sichtbarkeit, Mut zur Zivilcourage. Und auch der Mut, nicht zu schweigen, sondern für andere einzustehen.

Deshalb braucht es mehr Menschen, die ihre Privilegien nutzen, um diejenigen zu unterstützen, die weniger Schutz und Sicherheit haben, damit wir irgendwann in einer Gesellschaft leben, in der alle offen und stolz zeigen, wie sie leben und lieben wollen.

Solange das nicht für alle möglich ist, werde ich weiter auf die Straße gehen – auch wenn ich mich dabei manchmal weniger sicher fühle als früher. Ich bin weiß, cis, männlich – und kann diese Privilegien nutzen und werde es tun.
Thorsten aus NRW

Vanessa // © vvg

Meine größte Herausforderung war mich als Frau zu outen. Den Tag meines Outings als Transgender habe ich sehr spontan gewählt und sagte mir, jetzt gehst du nicht als Mann, sondern als Vanessa in die Stadt zum Einkaufen. Ich habe bis 45 in einer Partnerschaft unverheiratet mit einer Freundin als heterosexueller Mann gelebt. Es gibt aus dieser Beziehung auch ein Kind.

Meinen Wunsch als Frau zu leben habe ich zwanzig Jahre verdrängt; hatte aber schon immer Kontakte in die schwule, lesbische und trans-Szene gesucht. Mein Glück war, dass ich sehr guten Kontakt zu den Leipzig-Bären gefunden habe, die mich sehr bestärkt haben, zu mir selbst zu finden. Zu Fasching oder Kostümveranstaltungen habe ich mich in Frauenkleidern „ausprobiert“. Danach habe ich mich abends im Dunkeln in Kleider vor die Tür getraut. 

Der Drang als Frau zu leben wurde immer stärker in mir, sodass ich irgendwann ganz offen mit meiner Freundin über mein Problem gesprochen habe. Da ich sehr selbstbewusst bin, war es mir egal, was in meinem Umfeld über mich gesprochen und gedacht wurde. Auf Arbeit war es schwieriger, weil ich da mit vielen älteren Arbeitskollegen zusammengearbeitet habe, die ganz andere Ansichten und kaum Berührungspunkte zu „Trans“ haben. Durch mich haben sie sich damit beschäftigen müssen, weil ich nun mal da war. Solange es keine Beleidigungen gab, war auch alles in Ordnung. 

Einmal gab es allerdings Beleidigungen, die vor dem Land-Gericht ausgetragen wurden. Ich habe von der mir bekannten Person Drohungen in den sozialen Medien erhalten, die ich dokumentiert habe und die mir als Beweismittel dienten. Er musste Schmerzensgeld an mich zahlen.

Heute denke ich nur noch als Frau. Ich stehe weiterhin auf Frauen und würde mich, wenn ich mit meiner körperlichen Transformation fertig bin, selbst als lesbisch bezeichnen. 
Vanessa aus Leipzig

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